Es wäre echt ärgerlich, wenn heute wieder etwas schiefginge.

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Ich erbringe heute trotz Müdigkeit Höchstleistungen und werde von allen gelobt. Sogar von Kaz. Und sogar von Estera.

Bei der Vorbesprechung der heutigen Mission versuche ich so viele Informationen wie möglich zu erfahren, ohne mich verdächtig zu machen. Mein Gefühl, dass es sich vermutlich um einen Metamorph handelt, verstärkt sich. Die geschilderten Verbrechen sind zu dilettantisch ausgeführt, als dass er so oft damit hätte davonkommen können. Die angebliche Angehörige eines angeblichen Opfers habe uns angeblich damit beauftragt, sei dafür jedoch auch nicht hierher ins Loft gekommen, sondern habe Severin angerufen.

Für gewöhnlich werden Aufträge nicht auf diesem Weg abgewickelt, weil es viel zu unsicher ist. Warum er hier eine Ausnahme gemacht haben will, erklärt Severin jedoch auch nicht. Und das ist noch das, was mich am wenigsten misstrauisch macht. Severin rechtfertigt sich schließlich nie für seine Entscheidungen.

Nach der Besprechung kontaktiere ich Sona und berichte ihr, was gesagt wurde. Sie stimmt mir zu, dass es alles etwas merkwürdig und konstruiert erscheint und willigt ein, den Mann zu evakuieren, bevor ich ihn erschießen müsste. Denn mir sollte heute die Ehre zuteilwerden. Ich plane meine Rolle als Doppelagentin: Wie ich einen riesigen Aufstand inszenieren werde, weil meine Missionen scheinbar alle schiefgehen. Wie ich darauf bestehen werde, dass wir die ganze Gegend absuchen. Wie ich immer noch die mordlustige, wütende Göre mimen werde, wenn die anderen beiden schon mehrmals gesagt haben, dass ich es gut sein lassen soll. Und wie ich mir innerlich auf die Schulter klopfen werde, weil meine eigentliche Mission wieder gut verlaufen ist. Es wird eine aufwendige Rettungsmission, da es keine Geheimtüren in der Nähe gibt und keine Kanalisationseingänge. Sona hat mir nicht genau gesagt, was sie vorhat, aber es werde spektakulär. Je weniger ich wisse, desto überzeugender werde meine Überraschung. Ich bin gespannt. Das erleichtert es mir ungemein meine nervöse Rolle zu spielen. Aufgekratzt und reizbar springe ich Kaz fast an die Kehle, als er sich mal wieder hinter mir anschleicht. Er hebt die Arme und mustert mich mit weit aufgerissenen Augen. Dann beginnt ein spöttisches Lächeln sein Gesicht zu verziehen.

„Da ist aber jemand nervös", sagt er leise lachend.

„Schieb ab", zische ich ihm so giftig ich kann zu. Die Katzengeräusche, die er hinter meinem Rücken macht, ignoriere ich, als ich mich in den Trainingsraum begebe, um noch ein paar Zielübungen zu machen. Das unterstützt nicht nur meine Tarnung, sondern hilft mir auch, meine Gedanken zu ordnen.

Fertig angezogen und vorbereitet setze ich mich vor den Spiegel und transformiere mein Gesicht. Ich schaffe es, mein gesamtes Gesicht anzupassen. In Rekordzeit. Dann nehme ich mir meine Fingerkuppen vor und auch dort gelingt es mir. Obwohl meine Konzentration bereits nachzulassen beginnt, versuche ich trotzdem noch einmal meine Iris zu verändern. Wenigstens ein bisschen. Ich starre und starre in den Spiegel. Nichts. Dann schließe ich die Augen und meditiere. Ich versuche mich selbst davon zu überzeugen, dass ich keine grauen, sondern braune Augen habe. Dass ich sie schon immer hatte. Ich denke an Kaz' Augen, so dunkel, dass sie fast schwarz erscheinen. Wie Raubtieraugen. Mich auf meine Augäpfel zu konzentrieren, fühlt sich seltsam an. Noch seltsamer als die anderen Körperteile. Aber das Gefühl, das ich jetzt spüre, ist noch einmal anders. Ich schlage die Augen auf und blicke in zwei dunkle Tunnel. Die Veränderung ist so überraschend, dass ich vor Schreck zurückzucke und scharf einatme. Als ich wieder hinsehe, sind sie grau. Aber ich bin mir sicher, dass sie dunkel waren. Ich werde es später noch einmal versuchen. Jetzt ist mein Kopf wie in Watte gepackt. Ich verlasse also mein Zimmer, um mir einen Tee in der Küche zu machen. Im Wohnzimmer ist momentan noch alles ruhig. Alle sind in ihren Zimmern und packen ihre Sachen zusammen. Alle außer Kaz, wie ich feststelle, als ich die Küche betrete. Der sitzt mit seiner VR-Brille auf einem Stuhl am Küchentisch. Augenrollend steuere ich auf das Regal an der Wand zu, wo ich mir eine Tasse und Tee hole, den ich mit dem heißen Wasser übergieße. Obwohl ich ihm den Rücken zugewandt habe, spüre ich, dass Kaz mich beobachtet. Ich straffe die Schultern und drehe mich betont langsam um, die Tasse mit heißem Tee in der Hand. Kaz hat seine VR-Brille eingefahren und mustert mich mit vor der Brust verschränkten Armen. Ich mache eine obszöne Geste, die ihn zu einem spöttischen Grinsen verleitet und will die Küche gerade wieder verlassen, als ich ihn lachen höre. Ich bleibe im Türrahmen stehen.

SchattentänzerWhere stories live. Discover now