Ich kann das schaffen. Ich werde das schaffen

38 11 23
                                    

Der Wecker piept. Der Tag der Prüfung ist gekommen. Ich stehe auf und gehe ins Bad. Der Spiegel projiziert mir das, was ich sehen will auf seine Oberfläche: Meine Ziele. Ich werde Kaz beim Testkampf besiegen. Ich werde die Meister überzeugen, die Mörder meiner Eltern als Missionsziel auszuwählen. Ich werde diese Männer töten. Grimmig lächle ich mir selbst zwischen den Buchstaben hindurch zu und mache mich fertig für den Tag.

Nach einem leichten Frühstück gehe ich zum Trainingsraum und wärme mich auf dem Laufband auf. Kaz betritt nach wenigen Minuten den Raum und schließlich die Meister. Mehr Publikum haben wir heute nicht. Perfekt. Ich bin zwar in den letzten drei Tagen richtig gut darin geworden, den simulierten Kaz auszutricksen und schließlich K.O. zu schlagen, am echten habe ich es aber natürlich noch nicht getestet. Sollte ich also heute doch scheitern, bekommen wenigstens nicht alle meinen törichten Versuch mit. Ich schelte mich selbst für diesen kurzen bangen Gedanken. Ich kann das schaffen. Ich werde das schaffen.

Kaz, der mir in den letzten Tagen mit seinen Sticheleien zunehmend auf die Nerven gegangen ist, steht mir gegenüber. Er sieht ungewöhnlich ernst aus. Kein Spott, keine Häme, nicht einmal ein gemeines Funkeln. Mit kalter Wut schaut er mich durch den Ring an. Ich wickle meine Bandagen fest um meine Hände und nicke ihm mit hochgezogenen Augenbrauen zu. Ohne Worte fangen wir an. Ich renne auf Kaz zu, ducke mich unter seinem zum Schlag ausgestreckten Arm weg und trete ihm von hinten seitlich gegen das rechte Knie. Er wirbelt herum und holt erneut aus. Ich weiche zurück, damit er mehr Schwung für seinen Schlag braucht und lasse ihn herankommen, als wäre ich verunsichert. Im letzten Moment mache ich zwei schnelle Schritte zur Seite und lasse ihn an mir vorbeifallen. Heftig trifft mein anschließender Fußtritt seinen unteren Rücken.

Zwei für seine Balance wichtige Stellen habe ich nun also getroffen. Als er sich wieder fängt, bin ich schon im Hechtsprung abgetaucht, um ihm einen heftigen Faustschlag auf den linken Fuß zu verpassen und sofort im Anschluss den rechten unter ihm wegzuziehen.

Der Schmerz in dem einen Fuß und das angeschlagene Knie begünstigen dabei meine Taktik und er fällt tatsächlich. Ich rolle zur Seite, während er aufspringt und mich anfunkelt. Wut und Überraschung zeichnen sich auf seinem Gesicht ab, als er wieder auf mich zukommt. Mit einiger Befriedigung merke ich, dass er nicht ganz so sicher auftritt wie sonst und stürze erneut in den Kampf.

Ich merke wieder, wieso mir Kämpfen früher einmal Spaß gemacht hat. Obwohl ich natürlich auch einige heftige Schläge und Tritte einstecken muss, ist es faszinierend, taktische Überlegungen anzustellen und sie an seine körperlichen Grenzen gehend umzusetzen. Ich lächle sogar. Kaz sieht mein Lächeln und kneift misstrauisch die Augen zusammen. Zu spät. Ich ducke mich unter seiner Attacke weg, strecke das Bein nach seinem aus und ziehe ihm zum zweiten Mal an diesem Tag den Fuß weg. Dieses Mal landet er jedoch so, dass er mit dem Hinterkopf auf dem harten Boden aufschlägt und liegen bleibt. Im Raum herrscht Stille. Alle starren mich an.

Ich schreite aus dem Ring auf die Meister zu und bleibe aufrecht mit erhobenem Kinn stehen.

„Ich hoffe, ihr seid jetzt zufrieden." Ein Stöhnen aus dem Ring verrät mir auch ohne Umdrehen, dass Kaz wieder zu sich gekommen ist.

„Und jetzt will ich auf eine Mission. Und zwar eine, um die Mörder meiner Eltern umzubringen."

Die drei Meister blicken einander an. Mehrere Sekunden lang herrscht Stille. Ich kann meine Ungeduld kaum zügeln, bemühe mich jedoch eine stoische Ruhe auszustrahlen, während ich hoffe, dass sie nicht misstrauisch werden. Estera hebt eine Augenbraue, Mirea beide. Severin guckt regungslos zwischen beiden hin und her. Schließlich ist er es, der zuerst spricht.

„Nein", sagt er schlicht. Ich öffne den Mund, um zu protestieren, doch Severin schneidet mir mit einer Geste das Wort ab.
„Für so einen Auftrag bist du noch nicht bereit." Das ist alles, was ich an Erklärung von ihm erhalte.

Ich atme tief ein, doch bevor ich explodieren kann, ertönt hinter mir ein Klatschen. Ungläubig reiße ich die Augen auf, als ich mich umdrehe. Kaz steht hinter mir, als hätte ich ihn nicht gerade vorgeführt und applaudiert langsam. Spöttisch? Ich bin nicht sicher. Sein Gesicht ist unlesbar.

„Also ich bin beeindruckt", sagt er. Mein Mund klappt auf. Lob? Von Kaz?

„Beeindruckend oder nicht, die Menschen, die du angreifen willst, sind zu gefährlich. So weit bist du noch nicht." Severins Stimme duldet keinen Widerspruch. Doch mein Gesicht glüht trotzdem. Er hat mich gelobt. Naja. So viel, wie Severin überhaupt jemals lobt. Die drei Meister gehen, ohne ein weiteres Wort zu verlieren, aus dem Raum.

„Ich meine es ernst. Ich weiß nicht, was du in den letzten vierzehn Tagen getan hast, aber das hier war seit langer Zeit der erste richtige Kampf." Kaz zwinkert mir zu und tigert aus dem Raum. Falls man bei seinem leichten Humpeln noch von tigern sprechen kann. Ich verkneife mir ein Grinsen.

Noch nicht.

Die Tür schließt sich.

Jetzt.

Allein im Raum lasse ich meine Knie nachgeben, strecke mich auf dem kalten, harten Boden aus. Und lache. Es tut weh. Muskelkater und harte Schläge machen sich überall bemerkbar, doch ich lache die Schmerzen fort. Lache und lache, bis mir die Luft wegbleibt und dann noch ein bisschen weiter.

Ich will leben.

SchattentänzerWhere stories live. Discover now