39.

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Was geschah hier? Ich machte das, was wahrscheinlich jeder in meiner Situation getan hätte: Ich suchte nach Lautsprechern. Allerdings wurde ich nicht fündig. Das Räuspern ertönte ein zweites Mal.

Ich rollte mit den Augen. »Wir hören doch zu!«

Wenn hier schon Lautsprecher waren, dann sicherlich auch Mikrophone und versteckte Kameras.

»Gut. Es ist nämlich wichtig, was ich zu sagen habe.«

Das war der Moment, in dem ich die Stimme erkannte. Eiskalte Schauer überliefen mich, während mein Gehirn nur eine Fehlermeldung ausspuckte. Das konnte nicht sein. Oder?

Die Stimme, die ich schon so oft aus einem Lautsprecher gehört hatte. Die Stimme, die mich begleitete, seit ich meinen Job angenommen hatte, und die mich immer mit hilfreichen Tipps und Kaffee versorgte.

»Meli«, hauchte ich.

»Ich finde es ja schön, dass ihr alle so aufmerksam seid«, verkündete Melissa. »Kommen wir zur Sache.«

»Darf ich vielleicht einen kurzen Moment haben, um auf mein Leben klarzukommen?«, fragte ich.

Die Stimme schwieg einen kurzen Moment. »Nein, Süße, ich will nicht noch mehr Zeit verschwenden.«

Melissa war also in Wirklichkeit auch nicht auf meiner Seite. War das überhaupt jemand den Anwesenden? Damian wollte also, dass ich mir Freunde suchte. Das hier passierte, wenn man in meiner Branche Anstalten dazu machte.

»Ist ja nett. So ein kleines bisschen Verrat muss doch auch mal sein!«, rief ich in den Raum, mangels eines direkten Ansprechpartners. »Ich hätte mich nur gefreut, wenn es bei einem bisschen geblieben wäre und nicht jede verdammte Person, der ich jemals auch nur ein wenig vertraut habe, verrät!«

Eine Sekunde Stille. Dann: »Ich arbeite mit Melissa zusammen«, sagte Riley trocken.

Achso. Ja dann.

»AAAAHHHHHHHHHHHH!!!«

Eine Sekunde Stille.

»Besser?«, fragte Melissa. »Wir stehen ein bisschen unter Zeitdruck.«

»Ja«, brummte ich und war ein wenig überrascht, wie trocken meine Stimme klang. »Ich bin ein bisschen auf mein Leben klargekommen, danke für den Raum.«

»Gut, dann einmal raus, bitte.« Mit einem leisen Klicken sprang die Tür auf. »Nimm Riley mit.«

»Gehen?«, prustete ich. »Wolltest du nicht ...«

»Riley kennt den Weg.« Ich durchbohrte ihn mit Blicken, aber er zuckte nur mit den Schultern. »Nur ein Hinweis: Ich würde euch raten, nicht aus den Fenstern zu schauen. Die Büsche im Garten sind mark-geformt.«


Vor der Tür erwartete uns niemand und doch stellten sich meine Nackenhaare auf. Ich wusste, wir wurden beobachtet, und wahrscheinlich würde ein falscher Schritt ausreichen, um den Beweis dafür zu erhalten.

»Jetzt rechts und dann die Treppe runter«, kam es aus einem weiteren unsichtbaren Lautsprecher im Flur.

Prompt setzte ich mich in Bewegung, und sei es nur, um Melissa nicht weiter gegen mich aufzubringen.

»So«, fing Riley an, als wir der Wegweisung folgten. »Du kennst sie also?«

»Offensichtlich nicht so gut wie du«, erwiderte ich trocken. »Sonst müsste ich ihr gerade wohl nicht hinterherlaufen wie ein trainiertes Hündchen, sondern wäre im Vorhinein eingeweiht gewesen.«

»Das klingt doch schon eher nach der Laura, die ich kenne.«

»Es tut mir leid, okay? Ich dachte, irgendwer wäre auf meiner Seite, aber du hast irgendwelche Kontakte, von denen du mir nie erzählt hast, Melissa hat ... irgendwas seltsames vor. Mark ist eh doof und Damian ... wenn der mich auch noch verrät, dann ...« Ich ließ den Satz offen.

»Dann wäre das der perfekte Stoff für eine gute Story. Eine ohne Happy End.«

Ich verzog das Gesicht und antwortete widerwillig: »Ich hätte aber gern ein Happy End.«

Riley schnaubte. »Herzlich willkommen zu deinem Reality-Check. Aber wenn es dich tröstet: Zur Zeit habe ich nicht vor, dich umzubringen.«

Kaum, dass er den Satz beendet hatte, schwang eine Tür auf und aus dem Lautsprecher dröhnte: »Dort hinein.«

Der Raum dahinter war wie alles in dieser Villa viel zu schlossähnlich. Große Fensterfronten ließen Licht ein, die Decke war hoch und mit Fresken versehen. An der Wand waren mehrere Stellen, an denen sich die Farbe heller von dem Rest abhob und instinktiv fragte ich mich, ob dort ebenfalls mal Mark-Bilder existiert hatten, und Melissa hatte sie nur im Vorfeld abhängen lassen.

Eine Seite des Raumes wurde von einem Dutzend Bildschirmen eingenommen, die alle unterschiedliche Teile des Mark-Schlosses zeigten.

Mark und einige seiner Lakaien befanden sich in einem der Räume, aber als ich eine andere Bildschirmgestalt im Augenwinkel bemerkte, war Mark schnell vergessen.

Damian saß gefesselt in einem Raum, der dem glich, in dem ich aufgewacht war. Blut tropfte von seiner Stirn und sein Kopf hing kraftlos hinab.


The Mafia King and the Ice QueenWhere stories live. Discover now