34.

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Ich wollte Damian schon unterbrechen, dass er sich doch jetzt nicht umbringen konnte, da sprach er aber schon weiter.

»Und ich habe auch ein Gegengift bei mir. In meiner Hosentasche. Du müsstest es selbst rausholen. Und wenn die erste Aufregung abgeklungen ist und du unbeobachtet bist, dann fände ich es wirklich nett, wenn du mich nicht sterben lassen würdest.«

Die Worte schlugen so heftig bei mir ein, dass mir für einen Augenblick die Zunge gelähmt war. Ich wusste, was er vorschlug. Er legte ganz buchstäblich sein Leben in meine Hände.

»Das kannst du nicht wirklich vorschlagen«, flüsterte ich.

»Doch«, sagte Damian entschlossen. »Du hast vorhin verlangt, dass ich dir vertraue, also tue ich das jetzt auch. Ich lasse mich nicht einfach gefangen nehmen. Mark wird uns weiterhin jagen müssen, aber wir werden ihm immer einen Schritt voraus sein.«

Ich schwieg für einen Augenblick. Diese Verantwortung wollte ich nicht haben.

»Wenn etwas schiefgeht«, fügte Damian leise hinzu, »dann bin ich Mark trotzdem entkommen. Für genau solche Zwecke ist die Kapsel da.«

»Aber was soll ich schon tun?«, fragte ich tonlos. »Wenn sie anhalten ... ich ... kann dich doch nicht einfach auf die Schultern nehmen.«

»Versuche, an eine Waffe zu gelangen«, sagte Damian. »Damit kannst du Marks Handlanger auf Abstand halten, bis du mir das Gegengift einflößt. Danach kann ich dir zur Seite stehen und wir können gemeinsam fliehen.«

Ich schluckte. Hatte ich eine andere Wahl? Entweder wir würden bei Mark ankommen und dort sterben und wir gingen hier das Risiko ein, zu sterben.

»In Ordnung.« Die Worte, die aus meinem Mund kamen, waren kaum ein Flüstern. »Was ist das für ein Gegengift? Was muss ich tun?«

»Es ist auch eine Kapsel«, sagte Damian. »Sorge dafür, dass ich sie hinunterschlucke.«

Ich nickte langsam. Das klang leichter, als es vermutlich sein würde.

»In meiner Hosentasche«, wiederholte Damian. »Du müsstest es selbst herausholen. Ich komme da schlecht an.«

»Oh«, machte ich. »Hast du keine Angst, dass du es da verlierst?«

»Ich verliere meine Hosen nicht allzu oft.«

»Einspruch«, murmelte ich. Als Damian mir mit dem Blick ein ›Ernsthaft‹ zuwarf, meinte ich schnell: »Ich sag ja schon gar nichts mehr. Du behältst immer deine Hose an und ...«

»Hol einfach das Gegengift raus«, bat Damian. »Ansonsten sterbe ich wirklich noch an dem Zyankali.«

Ich warf einen Blick nach vorne, ob wir nach wie vor unbeobachtet waren, und ließ dann eine Hand in Damians Hosentasche gleiten. Meine Handschellen klirrten leise. »Ein falscher Kommentar ...«, drohte ich, ließ das Satzende aber in der Luft hängen. Schließlich berührten meine Finger die Kapsel und ich zog sie vorsichtig heraus.

»Hab sie«, flüsterte ich. »Und jetzt?«

»Jetzt darfst du abwarten und die Magie geschehen lassen. Sollte nicht allzu lange dauern.«

Die Giftkapsel knackte leise, als Damian darauf biss und ich zuckte zusammen.

»Das hätte meine Reaktion sein müssen«, flüsterte er.

»Halt die Klappe.« Schweiß sammelte sich in meinen Handflächen, tausende Fragen ohne Antworten schwirrten durch meinen Kopf. Hätte ich noch eine Chance, einen Rückzieher zu machen?

Nein, nein, hatte ich nicht. Und Damians Reaktion, nur wenige Sekunden später bewies es mir umso deutlicher. Er krampfte, sein Blick war ausdruckslos nach vorn gerichtet.

»Hilfe«, würgte ich hervor, aber kaum ein Ton kam über meine Lippen. Ich musste lauter sein. Lauter. »Hilfe!«

Der Fahrer warf ihr aus dem Rückspiegel einen Blick zu, schüttelte dann den Kopf und konzentrierte sich weiter auf die Straße, die in engen Windungen durch den Wald führte.

Damian sank lautlos in sich zusammen. Der Anblick sorgte dafür, dass sich alles in mir zusammenzog.

»Wir müssen anhalten!« Die Panik in meiner Stimme war echt. Ich konnte nicht nach vorne schauen, nicht überprüfen, ob die zwei langsam erkannten, dass das hier kein Trick war – also, schon ein Trick, aber dass Damians Leben trotzdem auf dem Spiel stand.

Ich rückte zu ihm, versuchte festzustellen, ob er noch atmete oder ob ich ihm einfach sofort das Gegengift geben sollte und das ganze hier beenden.

»Shit«, fluchte ich. »Verdammter Mist.«

Das war ein furchtbarer Plan gewesen. Ich würde einfach – das war der Moment, in dem der Beifahrer sich endlich richtig zu uns umdrehte.

Das deutliche ›Fuck!‹, das dem folgte, war das schönste Wort, das ich heute gehört hatte. Wir schwenkten an den rechten Straßenrand. Das Zittern in meinen Händen war fast so schlimm wie das, das nun durch Damians Körper ging. Was, wenn ich zu spät reagierte?

Als der Wagen zum Stillstand kam und die beiden Schergen aus ihren Sitzen sprangen, nutzte ich die Sekunde, die mir blieb, und schob die Kapsel mit dem Gegengift in Damians Mund.

Mir blieb jedoch keine Zeit, sicherzustellen, dass er sie auch schluckte, denn die hinteren Türen wurden aufgerissen und ich aus dem Auto gezerrt, während der andere von Marks Männern sich über Damian beugte.

»Was ist passiert?«, herrschte mich derjenige, der mich festhielt, an. »Was hast du gemacht?«

»Ich – nichts –«, stammelte ich und versuchte mich aus dem Griff zu befreien, während der Mann mich zu der anderen Seite des Autos zerrte. »Er hat auf einmal – ich habe nicht –«

Damian hatte sich noch nicht gerührt, sein Gesicht hatte eine unnatürliche Röte.

»Ich weiß nicht, ob er noch atmet«, sagte Handlanger Nummer 2. Das lenkte denjenigen, der mich festhielt, genug ab.

Mein Ellenbogen erwischte ihn am Kinn und danach an der Schläfe. Es genügte, dass er sich anschickte, Damian auf dem Boden Gesellschaft zu leisten. Unglücklicherweise war der zweite Scherge damit gewarnt. Er wich einige Schritte zurück, außerhalb meiner Reichweite, und zog seine Pistole.

Schön, dass er mich immer noch nicht umbringen wollte.

In der Zeit, in der der Scherge zögerte, bückte ich mich und erleichterte den ersten Mann um seine Waffe – keine Sekunde zu früh. Noch bevor ich mich wieder aufrichten konnte, schlug eine Kugel funkensprühend vor mir in den Asphalt ein.

Im Gegensatz dazu war ich eine gute Schützin und mein zweiter Gegner einen Knall später kein Problem mehr.

Doch Damian hatte sich immer noch nicht gerührt und ich war zu aufgewühlt, um einen Puls ertasten zu können. Wenn du jetzt stirbst, teilte ich ihm gedanklich mit, werde ich dich umbringen.

Quietschende Reifen zwangen mich, meine Aufmerksamkeit wieder auf das aktuelle Problem zu richten. Es gab noch drei bis vier weitere Autos.

Ich verschwendete keinen Gedanken daran, welches ich zuerst anvisieren würde. Mit einem stummen Stoßgebet, dass ich zufällig Mark treffen würde, schoss ich, noch bevor die erste Tür geöffnet wurde.

Es dauerte etwa fünf Sekunden, bis das Feuer erwidert wurde.

Aber meine Position war besser, die Karosserie des Autos bot mir und Damian Schutz.

»Dummer Plan, Damian, dummer Plan«, fluchte ich dennoch.

Wie um mir zu widersprechen, rührte er sich. Ich erschrak so sehr, dass ich beinahe in diese Richtung geschossen hätte. Ich verzog meinen Schuss und traf die Motorhaube eines Autos. Bräunliches Benzin ergoss sich auf den Asphalt und floss in Richtung Wald.

Damian öffnete die Augen, während um uns herum Kugeln einschlugen. Dennoch versuchte er, sich in eine sitzende Position zu bringen – bis er sich zusammenkrümmte und sich übergab.

Wieder verzog ich einen Schoss, meine Kugel schlug funkensprühend in den Asphalt ein – nah an dem ausgelaufenen Benzin.

Viel zu nah.


The Mafia King and the Ice QueenWhere stories live. Discover now