7.

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Melissa stand auf dem Display des Handys.

Etwas atemlos hob ich ab. »Hi.«

»Kommst du gerade vom Joggen?«

Es war ein Ding der Unmöglichkeit, etwas vor Melissa geheim zu halten, also versuchte ich es gar nicht erst. »Nein, nein, ich habe nur gerade Lansky verhört. Der Mann ist wirklich ein Eisklotz und hat die Hälfte der Zeit nicht einmal geblinzelt. Hat mir alles abgefordert und –«

»Süße, hol mal Luft«, ertönte es aus dem Hörer. »Du hast Lansky entführt? Den Lansky?«

»Äh, möglicherweise.«

Das Schweigen am anderen Ende der Leitung dauerte nur eine Sekunde. »Ich bin beeindruckt. Und was hast du jetzt vor?«

»Mein Geld holen.«

Ich wurde abgelenkt, als Riley in mein Blickfeld trat und mit zwei Fingern auf sein Handgelenk tippte, als wollte er mich auf die Uhrzeit aufmerksam machen. Ich rollte mit den Augen und nahm mir das Handy vom Ohr?

»Was denn?«, fauchte ich.

»Willst du Lansky wirklich in meinem Keller lassen? Seine Lakaien werden ihn suchen und ich möchte gern meinem Kopf behalten.«

»Ich telefoniere gerade«, würgte ich ihn einfach ab. Ich wandte mich von ihm ab und nahm das Handy wieder hoch. »Sorry, Meli.«

»Kein Ding. Hör mal, es gibt einen Grund, weshalb ich anrufe. Ich habe einen neuen Auftrag für dich.«

»Was?« Ein neuer Auftrag stand gerade nicht sonderlich hoch auf meiner Prioritätenliste.

»Genau, ist auch nur was ganz Kleines und sollte dich nicht zu lange von deinem Lansky ablenken.«

Mein Blick verfinsterte sich. »Was ist es denn?« Letztlich machte ich meinen Job nicht zum Spaß, sondern um mich über Wasser zu halten und mir irgendwann mal ein Cabrio kaufen zu können.

»Es gibt da einen Typen, der Probleme macht. Er läuft nachts durch die Strahlen und redet irgendwas von den Jungs, die sich um alles kümmern würden. Aber er ist wohl ziemlich aufdringlich und ...«

Melissa unterbrach, weil sie sich ein Lachen verkneifen musste. »Meli, was ist denn so lustig?«

Aus dem Handy kam ein Geräusch, als würde eine Robbe sterben ... oder eher als wäre sie schon gestorben, als Zombie zurückgekehrt und würde nun versuchen, wieder zu atmen. Dann räusperte sich Melissa und bemühte sich um Ernsthaftigkeit.

»Sorry«, keuchte sie. »Also. Der Auftrag ist sowas wie ein Sammelauftrag von den lokalen Drogendealern der Stadt. Sie haben Schiss, dass der aufdringliche Typ ihnen sämtliche Kundschaft abluchst, falls die Jungs irgendeine reale Gruppe sein sollten. Was ich übrigens bezweifle, aber hey.«

»Wenn wir von ›aufdringlich‹ reden«, fragte ich nach, »und dieser Ausdruck von wütenden Drogendealern kommt. Dann meinen wir wahrscheinlich ›charmant‹, oder?«

Melissa kicherte. »Ja, gut möglich.«

»Okay, sei ehrlich mit mir«, seufzte ich. »Wonach suche ich hier? Einem armen betrunkenen Deppen oder jemandem, der weiß, was er tut?«

»Finde es heraus«, wiegelte Melissa ab. »Du sollst ihn loswerden. Deine Reaktion kannst du ja daran anpassen, ob er betrunken oder gebildet ist.« Wieder kicherte sie.

»Was ist heute los mit dir?«

Riley tippte ich zum zweiten Mal auf die Schulter und ich widerstand der Versuchung, seine Hand wie eine lästige Fliege wegzuschlagen.

»Meli, entschuldige bitte, ich muss Schluss machen. Mir geht ein Weichei auf die Nerven.«

Melissa lachte schon wieder. »Seit wann redest du wieder mit Riley?«

Ich legte auf. Nur, um Rileys vorwurfsvollem Blick zu begegnen. »Ich bin also gut genug, um dir bei der Entführung von Damian Lansky zu helfen, aber trotzdem bin ich ein Weichei?«

»Nur, weil ich mit dir rede, sind wir nicht auf einmal Freunde.«

»Auch zu Nicht-Freunden kann man höflich sein.«

»Ich nicht. Was ist los?«

Ich wurde nur mit einem erneuten ungläubigen Blick bedacht. »Ich will meinen Kopf behalten. An einem Stück.«

»Das hast du schon gesagt.«

»Aber ich meine es ernst. Während du da drinnen mit deinem Vorspiel beschäftigt –«

Ich prustete. »Vorspiel?«

Riley verschränkte trotzig die Arme vor der Brust. »So wie ihr zwei euch in die Augen gesehen habt, hätte ich eigentlich damit gerechnet, dass ihr euch die Kleider vom Leib reißt. Und er ist ein attraktiver Mann, das kann sogar ich sehen.«

»Pff«, machte ich. »Wäre mir nicht aufgefallen.«

»Hast du keine Augen im Kopf?«, schnaubte Riley. »Der Typ hat Gesichtszüge wie gemeißelt und die Augen dürften selbst dir aufgefallen sein. Vor ein paar tausend Jahren hätte man ihn in Marmor abgebildet!«

»Pff«, wiederholte ich. »Mach du doch ein sogenanntes Vorspiel mit ihm.«

Riley schüttelte den Kopf und winkte ab. »Wie soll es denn mit ihm weitergehen? Er kann doch nicht ewig hierbleiben.«

»Schon«, sagte ich gedehnt.

»Nein. Miet dir irgendeine Lagerhalle. Hier bleibt er nicht, das Risiko will ich nicht für dich eingehen.«


Als ich mich später auf den Weg zu Melissas Auftrag machte, saß Lansky immer noch in Rileys Keller. So schnell hatte sich keine andere Lösung gefunden und Riley keine andere Wahl, als mit dem Risiko zu leben.

Dichte Wolken schleppten sich über den Himmel, aber wenigstens regnete es nicht. Ich zog mir dennoch die Kapuze über den Kopf. Heute wollte ich keine Aufmerksamkeit erregen.

Detroit war schon bei Tag keine schöne Stadt, aber bei Nacht zeigten sich ihre wahren Abgründe. Denn bei Nacht erwachten alle Gestalten, die sich tagsüber in ihren Höhlen verkrochen und das Sonnenlicht mieden.

Heute gab ich vor, eine von ihnen zu sein, ich machte mich selbst zum Köder. Ich zog die Schultern hoch, zuckte bei jedem Geräusch zusammen. Die Haltung passte ich nicht nur an meine Umgebung an, sie verbarg auch effektiv das Messer und die Pistole, die ich mir jeweils um einen Oberschenkel gegurtet hatte.

Meine Tarnung wurde durch ihr Make-up vervollständigt: dunkle Augenringe, eingefallene Wangen, kränklich blasse Haut. Ich hätte mir auch ›Ich suche einen Drogendealer‹ auf die Stirn schreiben können.

Ein Stück von mir entfernt taumelte eine Gruppe von sechs oder sieben Männern auf die Straße. »Sie sind unbewaffnet«, sagte Melissa in mein Ohr. »Geh einfach weiter.«

Kaum war ich um die nächste Ecke gebogen und kaum hatte ich realisiert, dass hier die Straßenbeleuchtung ausgefallen war, tippte mir jemand auf die Schulter. Auch wenn ich mir das Zusammenzucken schon lange abtrainiert hatte, hätte ich vor Schreck beinahe meine gekrümmte Körperhaltung aufgegeben, als ich herumfuhr.

Gelbe Zähne waren das Erste, was ich an dem Mann hinter mir wahrnahm. Gelbe Zähne, die durch ein sehr breites Grinsen sichtbar wurden. Fettige Haare fielen dem Mann ins Gesicht und in kleinen Augen zuckten seine Pupillen unruhig hin und her. Alles in allem erinnerte er mich an eine Ratte. Eine kleine, ausgemergelte, hässliche Ratte.

»Du siehst aus, als würdest du was brauchen.« Die Stimme war ein kratziges Piepsen und bestätigte meine Rattenassoziation.

Ich öffnete den Mund, als hätte ich das achte Weltwunder vor mir. Alle Worte hätten mich verraten können und daher nickte ich nur.

»Dann ist heute dein Glückstag.« Ein weiteres gelbes Grinsen. »Ich habe alles, was du für einen Trip in eine bessere Welt brauchst.«

Er öffnete die Knöpfe seines Mantels und riss ihn auf. 

The Mafia King and the Ice QueenKde žijí příběhy. Začni objevovat