23 - Sonnige Tage und regnerische Tage

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[Louis]

Auf dem Rückweg vom Kinderheim war es im Auto wieder still. Harry schien tief in seine Grübeleien versunken zu sein und ich dachte darüber nach, was ich ihm sagen könnte, damit es ihm besser ging.
Lilly hatte ihn gut aufgemuntert und auch Leslie, die mit uns nach dem Essen Memory spielen wollte. Wir hatten uns lange mit den beiden Mädchen beschäftigt und hatten mit ihnen gespielt, bis Leslie irgendwann wieder müde wurde und sich - zu meiner großen Überraschung - an mich gekuschelt hatte und eingeschlafen war.
Ich hatte bemerkt wie Harry's Gesicht sich erhellt hatte und dass er ein Foto gemacht hatte, war mir auch nicht entgangen.
Wir hatten die Kleine dann gemeinsam in ihr Bett gebracht, noch einen Moment still bei ihr gesessen und die Geschehnisse verarbeitet.
Ich musste zugeben, dass ich die Mädchen sehr mochte. Wenn ich nicht erst 19 wäre, würde ich sie vermutlich selbst adoptieren. Doch ich war zu jung, mitten im Studium. Es wäre ein viel zu große Verantwortung für mich, dessen war ich mir bewusst. Dennoch gefiel mir der Gedanke daran, die Beiden beschützt und gut aufgehoben zu wissen.
Ich blickte zu Harry und kurz fantasierte ich darüber, wie wir sie gemeinsam adoptieren könnten und wie wir wohnen würden. Ich stellte mir ein gemütliches Haus auf dem Land vor, mit einem großen Garten, indem Leslie und Lilly spielen könnten nach der Schule. Harry, wie er mit mir in der Küche stehen würde, wir könnten gemeinsam kochen und durch das Fenster hinaus die Mädchen beobachten.
Mein Herz zog sich zusammen bei dem Gedanken. War das etwa mein Wunsch? Ich schaute aus dem Autofenster auf die dahin ziehende Landschaft, die sich langsam in die Anfänge Londons verwandelte und seufzte leise bei der Vorstellung. Ja, es war irgendwie schon mein Wunsch.

"Alles okay?"
Ich musste schmunzeln, natürlich gingen bei ihm sofort die Alarmglocken an, sobald ich seufzte. "Ja, Haz, alles okay."
"Gut." murmelte er und ich schaute wieder zu ihm, legte die Hand auf sein Bein und strich sanft darüber.
"Wie fühlst du dich?" fragte ich ihn.
"Definitiv besser als vorhin. Mach dir keine Sorgen" antwortete er mir und ich nickte, glaubte ihm aber nicht so richtig und beschloss, ihm von meiner Vorstellung zu erzählen. Ich war mir sicher, dass ihn das aufheitern würde.
"Ich hatte gerade eine Fantasie" erklärte ich und sah ihn weiter an.
Auf Harry's Gesicht erschien ein dreckiges Grinsen und er hob eine Augenbraue. "Ach ja?" Sein Unterton gefiel mir, doch ich musste lachen. "Nicht so eine Fantasie!"
"Ach so" antwortete er gespielt enttäuscht, lachte dann leise und sah kurz zu mir.
Okay, die Ablenkung hatte gut funktioniert, anders als geplant, aber dennoch. Jetzt war ich mir einen Moment unsicher, wie ich weiter vorgehen sollte, denn ich wollte Harry's spielerische Stimmung eigentlich gern weiter auskosten. Es gefiel mir, wenn er so war.
"Na, vielleicht ja doch" sagte ich also und tat so, als würde ich überlegen und biss mir dabei auf die Lippe.
Harry schien es bemerkt zu haben, das Grinsen war wieder da und der Griff um das Lenkrad verfestigte sich etwas.
Ich beugte mich zu ihm und hauchte einen Kuss auf seinen Hals, ich wusste dass er das liebte und die Gänsehaut, die unvermittelt entstand, bestätigte es mir nur.
"Vielleicht habe ich auch gerade darüber fantasiert, wie es wäre, wenn du und ich anhalten und es in deinem Auto treiben." flüsterte ich in sein Ohr und Harry stieß den Atem kräftig aus und spannte sich an.
"Du solltest nicht solche Dinge sagen, wenn du es dann nicht durchziehen wirst." Seine Stimme war rauchig geworden, was mich augenblicklich anturnte.
"Wer sagt, dass ich es nicht durchziehen würde?"
Langsam fuhr ich mit der Hand zwischen seine Beine und fing an zu massieren, woraufhin er leise aufstöhnte.
"Verdammt, Lou..." murmelte er, was mich zum Lächeln brachte und ich küsste ihn weiter an seinem Hals entlang. "Komm schon, Haz..." wisperte ich wieder und verstärkte meinen Druck auf seine Mitte. Harry keuchte und ich hörte, wie er den Blinker betätigte.
Voller Vorfreude leckte ich mir über die Lippen und rutschte auf meinem Sitz ein wenig herum, mein Herzschlag verschnellerte sich.
Gerade als er von der Straße abfahren wollte, erfüllte das Geräusch eines eingehenden Anrufes den Wagen und als ich einen Blick auf den Display des Autos warf, sah ich Kelly's Namen.
"Verdammt. Sie hat wirklich ein beschissenes Timing." murrte Harry. Ich kicherte leise und ließ von ihm ab. "Geh ran. Vielleicht ist was passiert."
Harry knurrte, nahm aber den Anruf an. Er war ein zu guter Freund, als dass er irgendjemanden hängen lassen würde.
"Kelly, hi." sagte er, in seiner Stimme noch ein kleines Beben. Ich sah ihn etwas schmollend an, woraufhin er mir ein Zwinkern schenkte.
"Hey, Harry.." hörte ich Kelly's Stimme durch die Lautsprecher und wusste sofort, dass sie nicht gut drauf war.
"Ist Louis bei dir?"
"Ja, hey Kelly. Wir sind im Auto" antwortete ich einfach.
"Loulou, hey...ich, also ich hab dich nicht erreicht und daher dachte ich, ich probiere es mal über Harry" gestand sie und ich sah auf mein Handy, bemerkte stirnrunzelnd dass es aus war. "Oh ja, mein Handy scheint aus zu sein. Was gibt es denn?"
Harry warf mir einen verwirrten Blick zu, den ich ebenso erwiderte.
"Wegen der Sache von heute Mittag..." fing sie an.
"Ja?"
Sie schien zu zögern, vermutlich weil Harry uns hören konnte. "Du hast Harry sicher davon erzählt, oder?"
Ich biss mir auf die Lippe. "Ehrlich gesagt, ja..." sagte ich "Entschuldige, Kelly."
Ich hörte wie sie tief durchatmete, ehe sie weitersprach. "Alles gut. Denkt ihr beiden, also, könnten wir uns sehen?"
Harry und ich tauschten einen Blick aus und nickten gleichzeitig, was mich wieder zum Lächeln brachte. Wir waren einfach bereits so gut aufeinander eingespielt, es war erstaunlich.
"Klar, möchtest du zu mir kommen? Wir sind bald da und könnten uns da treffen, oder was denkst du Haz?"
"Das klingt nach einem Plan. Was brauchen wir? Eis, Alkohol oder Chips?"
Kelly kicherte schwach. "Alles?"
Ich musste lachen. "Besorgen wir. In einer Stunde?"
Kelly stimmte zu und als sie auflegte, atmete ich tief durch. "Immer passiert irgendetwas, ist dir das schon mal aufgefallen?" fragte ich an Harry gewandt.
"Ja, da hast du recht. Daher habe ich einen Vorschlag für heute Abend. Wenn Kelly weg ist, machen wir uns einen romantischen Abend."
"Aber dann bei dir, oder?" Ich sah zu ihm. Ich konnte mir romantische Stimmung in der Wohnung meines Vaters einfach nicht vorstellen. Es hingen zu viele dunkle Erinnerungen in der Luft und das Krankenbett im Wohnzimmer, sowie mein spärlich eingerichtetes Zimmer taten ihr Übriges.
"Wenn dir das lieber ist, natürlich Baby." antwortete er mir und lächelte mich sanft an, was ich sofort erwiderte. "Du bist der beste feste Freund, den ich je hatte." gestand ich ihm.
Harry strahlte mich an und griff nach meiner Hand. "Und wieder ein bisschen mehr verliebt."
Wir schauten uns einen Moment direkt in die Augen, bis er sich wieder auf die Straße konzentrierte. Ja, mit jedem gemeinsamen Augenblick verliebte auch ich mich mehr in den Lockenkopf. Er war einfach perfekt. Ich verstand nicht, wie niemanden ihn sich vor mir geschnappt hatte, so jemanden wie Harry übersah man doch nicht. Zugleich stellte ich ihm diese Frage, was er mit einem herzhaften Lachen quittierte.
"Die meisten Typen wollen eben Bad Boys, Lou. Kerle, mit denen man Abenteuer erlebt und es sich wie ein Rodeo anfühlt, weil man nie weiß wo man wirklich steht. Ich hasse so etwas, doch davon gibt es ja genug da draußen."
"Das klingt, als hättest du so jemanden schon einmal gehabt. Dein Ex?"
Er nickte leicht. "Das war wirklich ein Rodeo." kommentierte er und lachte leise. "Aber nichts, was es wert ist, darüber zu reden. Jedenfalls habe ich nach ihm aufgehört zu suchen. Es gab keine lohnenswerten Aussichten in dem Bereich."
Verstehend nickte ich und musterte ihn. "Ich finde Bad Boys ziemlich bescheuert."
Nun lachten wir beide über meinen Kommentar und Harry drückte meine Hand einen Moment. "Und genau deshalb habe ich bei dir die Augen eben wieder aufgemacht."

Sunshine •|• LS Where stories live. Discover now