22 - Zusammen

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Harry sah sie auch an, wirkte perplex und dachte darüber nach. Dann lachte er leicht und zuckte mit den Schultern. "Das kann ich dir nicht beantworten."
Das kleine Mädchen wischte ihm etwas unbeholfen über die Wange und gab ihm einen Kuss auf eben dieselbe Wange.
"Dann hör auf damit."
Kinder sagten es einfach frei heraus und wir alle drei Erwachsenen am Tisch mussten nun lächeln. Für Lilly war die Welt ganz einfach. Leslie würde lange leben, also war auch alles gut.

"Lilly, geh dir bitte die Hände waschen. Es gibt bald Essen." sagte Charlotte, woraufhin Lilly nickte, von Harry's Schoß rutschte und aus dem Zimmer zum Waschgang rannte.
Harry sah ihr nach und lachte dann wieder leicht, schüttelte den Kopf.
"Sie hat nicht unrecht. Die Diagnose hätte auch viel schlimmer ausfallen können." sprach er, mit einem vorsichtigen Seitenblick auf mich. Ich schluckte leicht und nickte. Was Dad hatte, wünschte ich niemandem. Schon gar nicht einem kleinen Mädchen.
"Da gebe ich dir recht. Ich hoffe nur sehnlichst, dass sich dennoch eine Familie findet, die sich der Kleinen annimmt und sie trotz der Krankheit adoptieren will."
"Das wünsche ich mir auch" erwiderte Harry und hielt dann einen Moment inne. "Vielleicht sollten wir ein Fest ausrichten. Es ist doch bald Weihnachten, in nicht einmal drei Monaten. Lass uns Werbung machen und einen kleinen Weihnachtsmarkt ausrichten." Plötzlich schien er ganz begeistert und sah uns beide abwechselnd an.
"Wir laden Presse ein, ich kenne auch eine Fotografin!"
Er meine Leyla, da war ich mir ziemlich sicher.
Charlotte sah ihn skeptisch an und schien zu überlegen. "Und wozu?"

"Leslie, Lilly und die anderen Kinder brauchen viel mehr Aufmerksamkeit. Die Einrichtung allgemein. Wir erzählen von Leslie's Schicksal, wir sammeln Geld durch die Einnahmen vom Weihnachtsmarkt, eine Art Spendenaktion. Wenn genügend Leute vom Heim und den Kindern persönlich wissen, dann steigen doch auch die Adoptionschancen!"
Voller Enthusiasmus und Hoffnung sah uns der Grünäugige an und ich konnte nicht anders, als stolz auf ihn zu sein.
Harry machte wirklich aus jeder Situation etwas Gutes, und ich bewunderte ihn maßlos dafür.

"Ich halte das für eine fantastische Idee." warf ich ein, woraufhin ich ein strahlendes Lächeln erntete, was ich nur allzu gern erwiderte.
Charlotte dachte nach und dann schließlich klatschte sie in die Hände. "Ich liebe die Idee! Auch wenn es viel Arbeit bedeutet."
"Ich helfe dir selbstverständlich." sagte Harry sofort und ich bot meine Hilfe ebenfalls sofort an. Charlotte sah uns dankbar an und schließlich stand sie auf und umarmte zuerst Harry, und dann mich.
"Dich hat der Himmel geschickt, mein Lieber." sagte sie zu Harry gewandt. "Möchtet ihr einen Tee?"
"Gern, ja." sagte ich zustimmend und auch Harry nickte, woraufhin Charlotte auf dem Absatz kehrt machte und in der Küche verschwand.
Harry ließ sich neben mich auf dem Stuhl nieder und legte den Arm um mich. Ich lehnte mich an ihn und küsste seine Wange.
"Das ist wirklich eine großartige Idee, Haz."
"Danke" sagte er lächelnd. "Und danke, dass du helfen möchtest."
"Selbstverständlich."

"Was wollte Dr. Arrogant eigentlich von dir?" fragte er und rümpfte dabei die Nase. Ich kicherte leise bei seiner Wortwahl.
"Die OP ist für morgen um acht angesetzt."
"Oh wow" hauchte er. "Dann wird es also ernst."
Ich nickte sofort, lächelte leicht. "Ich hab ein bisschen Angst, Haz." gab ich zu.
Er gab mir einen Kuss auf die Stirn, nickte leicht und strich mir eine Strähne aus dem Gesicht. "Das kann ich verstehen. Ich bin an deiner Seite, ok? Wir stehen das gemeinsam durch."
Seine Worte fühlten sich wie Balsam für meine Seele an. Ich beugte mich zu ihm und küsste ihn zärtlich, er erwiderte den Kuss augenblicklich und legte seine Hand dabei sanft an meine Wange.

"Wusste ich's doch!"
Erschrocken lösten wir uns voneinander und sahen zu Charlotte, die mit einem Tablett in den Händen im Raum stand, auf dem drei Teetassen standen. Sie strahlte uns an, kam zu uns und stellte das Tablett auf den Tisch vor uns, reichte Harry und mir jeweils eine dampfende Tasse.
"Ihr seid also doch zusammen!"
Wir sahen uns an und ich musste leicht lachen. "Darüber haben wir noch nicht geredet."
"Wie bitte?" Sie sah uns entsetzt an.
"Tatsächlich nicht" erwiderte Harry und schaute mich liebevoll an." Aber wenn es nach mir geht, dann sind wir zusammen. So richtig."
Ich spürte förmlich wie die Hitze mir in das Gesicht schoss und ich anfing zu grinsen.
"Dann ist es jetzt so richtig offiziell." entgegnete ich ihm und er strahlte genauso wie ich, küsste mich noch einmal zärtlich.
"Und ich war dabei!" kommentierte Charlotte und sah dabei mindestens so begeistert aus, wie Harry und ich.

Wir saßen mit Charlotte noch eine ganze Weile, bis sie schließlich aufstand und das Abendessen der Kinder vorbereitete. Wir boten an, die Tische zu decken, woraufhin Charlotte dankbar zustimmte.
Und so fand ich mich dabei wieder, mit Harry zusammen lauter buntes Plastikgeschirr auf den Tischen zu verteilen. Ich hatte die Teller und Trinkbecher zu platzieren und er folgte mir mit dem Besteck von Platz zu Platz.
"Wir sollten uns übrigens ein bisschen um Kelly kümmern." sagte ich schließlich zu ihm, ich wusste nicht ob der Zeitpunkt richtig war, allerdings wollte ich unbedingt, dass er davon wusste, bevor er sie das nächste Mal sehen würde.
"Wieso?" Er war sofort alarmiert, blickte mich besorgt an.
"Ich denke sie ist in Zayn verliebt. Die Sache mit Leyla schien sie sehr mitzunehmen. Ich wollte sie direkt fragen, doch sie bat mich das nicht zu tun, aber sie hatte ganz glasige Augen, als ich sie in den Arm genommen habe."
Harry seufzte leise. "Ich hatte mir sowas schon gedacht. Das tut mir sehr leid für sie."
Zustimmend nickte ich. "Ich verstehe nicht, wieso sie nichts gesagt hat zu ihm."
"Zayn und sie hatten mal eine Nacht zusammen verbracht" sprach Harry und nun sah ich ihn verwundert an. "Wann denn?"
"Das muss vor etwa einem Jahr gewesen sein. Aber Zayn hat danach mit ihr gesprochen, sich entschuldigt und ihr gesagt, dass das ein einmaliger Ausrutscher gewesen war. Kelly hat daraufhin das Gleiche gesagt und sie haben es als Witz abgetan."
Mir wurde klar, dass Kelly das offensichtlich nicht ganz so witzig gefunden hatte, wie sie tat. Es waren natürlich nur Vermutungen, doch was wenn sie nun schon seit einem Jahr heimlich Gefühle für den Kunststudenten hatte?

"Wir werden mit ihr sprechen müssen. Ich möchte sie auf keinen Fall hängen lassen." stellte ich fest und sah Harry ernst an. Er nickte zustimmend.
"Das machen wir definitiv. Aber jetzt müssen wir uns um die Meute kümmern."
Von weitem hörten wir die Kinder, die im Anmarsch waren und ich musste leise lachen, als die ganze Gruppe in einer unvorstellbaren Lautstärke den Essensraum betrat. Unter ihnen war auch Leslie, die uns sofort erkannte und zu Harry gelaufen kam.
"Isst du mit uns?" fragte sie ihn hoffnungsvoll. Harry nickte augenblicklich, setzte sich mit ihr an einen der Tische und ich setzte mich daneben. Das kleine Mädchen schenkte mir ein strahlendes Lächeln und ich musste zugeben, es war um mich geschehen als ich sie so ansah. Ich hatte auch eine Schwester, Lottie. Sie war nur wenige Jahre jünger als ich, aber dennoch war sie meine kleine Schwester. Leslie und Lilly hatte ich beide schon ebenso in mein Herz geschlossen und ich nahm mir vor, ihnen so gut es mir möglich war, zu helfen wo ich nur konnte.

Sunshine •|• LS Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt