1 - Geschwister

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Für einen Tag Anfang März war es erstaunlich kalt, als ich aus dem Bus stieg

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Für einen Tag Anfang März war es erstaunlich kalt, als ich aus dem Bus stieg. Bibbernd zog ich meinen Mantel enger zusammen und machte mich von der Bushaltestelle auf zur Wohnung meiner Schwester.

Anastasija hatte uns allesamt zu sich und Jonas eingeladen, zum Kuchen, hatte sie gesagt, aber es war doch verdächtig, wie sehr sie auf unser aller Anwesenheit beharrt hatte.

Meine Eltern und meine restlichen Geschwister waren bereits vor Ort, aber ich war extra aus meiner Unistadt angereist und Bus und Bahn hatte wie üblich Verspätung. Sicher fünf Nachrichten von Anastasija warteten auf meinem Handy noch darauf, gelesen zu werden. In jeder einzelnen fragte sie, wann ich denn nun ankommen würde. Da ich jetzt aber gleich ohnehin vor ihrer Tür stehen würde, erschien es mir unnötig, noch zu antworten.

Ich lief die zehn Minuten Fussweg durch die eisige Kälte zu dem grossen Wohnblock, in dem Anastasija und ihr Mann Jonas lebten. Die beiden waren ein absolutes Traumpaar, das sich noch aus Schulzeiten kannte und beinahe genauso lange bereits zusammen waren. Vor einem Jahr hatten sie sich im Kreis ihrer engsten und ohne grosse Feier das Ja-Wort gegeben. Nicht, weil Anastasija nicht eine grössere Hochzeit gewollt hätte, sondern einfach, weil das Geld nicht mehr hergab. Das Gehalt einer gerade fertig studierten Lehrerin und eines Elektrikers war im Moment noch nicht genug und ihre Eltern konnten auch nicht besonders viel beisteuern. Dafür teilten die beiden so viel Liebe, dass andere Paare wohl neidisch werden konnten.

Naja, nicht nur andere Paare. Auch ich selbst erwischte mich immer wieder dabei, wie dieser Funken an Neid sich in meine Gedanken schlich, wenn er dort eigentlich völlig unangemessen war. Immerhin handelte es sich hier um meine grosse Schwester.

An meinem Ziel angekommen, klingelte ich an der Haustür und es dauerte keine fünf Sekunden, da riss mir bereits jemand die Tür auf, als hätte man mich sehnsüchtig erwartet.

«Ivana, da bist du ja endlich!» Rief meine Mutter und schloss mich kurz in ihre Arme, bevor sie mich hektisch in die Wohnung schob. Auf dem Boden wimmelte es bereits an Schuhen, so wie es üblich war, wenn meine Familie irgendwo zu Besuch war. Fünf Kinder waren eben immer eine Menge.

Ich schlüpfte aus meinen Turnschuhen und betrat das Wohnzimmer, wo Anastasija mich sofort erblickte und zu strahlen begann. Sie sprang vom Sofa auf und lief auf mich zu. «Hallo, kleine Schwester!» Grinste sie. Bei welcher Begegnung schaffte sie es eigentlich, unseren Altersunterschied nicht zu erwähnen?

Ich grüsste sie fröhlich zurück und lobte den leckeren Geruch, der in ihrem Haus lag. «Hast du gebacken?» Erkundigte ich mich. Sie grinste. «Na wenn ihr Vielfrasse alle zu Besuch kommt, natürlich!»

Mit uns Vielfrassen meinte sie selbstverständlich meine Eltern, meine grosse Schwester Darya, meinen grossen Bruder Dorian, meine jüngere Schwester Helena und mich. Tatsächlich erkannte ich meine restlichen Geschwister im Raum auf Sofas und Sessel verteilt um den kleinen Wohnzimmertisch sitzen. Wir nickten uns allesamt einmal zu und Helena rutschte auf ihrem Sessel ein Stück beiseite, sodass ich mich mit Mühe und Not dazu quetschen konnte.

immer nur duWhere stories live. Discover now