Kapitel 52 - Versprochen.

2.2K 177 23
                                    

Wie so oft hielt ich auch diesmal den Atem an, ich versuchte zwanghaft die Stimme einzuordnen, die mein Herz automatisch dazu brachte, seinen Schlag zu verdreifachen. Sie besaß einen Hauch von Damien's, doch seltsamerweise war sie zu tief, als dass sie ihm gehören konnte.
Diese Stimme war rauer, männlicher. Es war diese Art von Stimme, die dich ganz ohne deinen Willen dazu bringt hellhörig zu werden.

Obwohl ich es durchgehend zu leugnen versuchte, mir war auf der Stelle klar, wessen Stimme es sein musste, auch wenn ich sie noch nie zuvor vernommen hatte.
Nahezu gleichzeitig realisierte ich, wohin dieser mittlerweile unfreiwillige Aufenthalt früher oder später führen wird. Das hier werde ich nicht überleben und Alec's gefährlich ironische Worte bestätigen mich dabei nur noch mehr. Am meisten schmerzte mich aber, dass ich nicht einmal ein paar Worte mit meinem Vater hatte wechseln können.

Ich atmete kaum hörbar aus und ließ mich langsam, aber ständig darauf bedacht, keinen Lärm zu machen, nach unten sinken. Das kalte Metall an meinem Rücken konnte ich bis durch die Kleider spüren, weshalb ich meinen Oberkörper nach vorn über meine Knie senkte. Ob ich ihn ignorierte oder nicht, ich war so oder so in seinen Fängen gefangen. Und zwar wortwörtlich, wie ich annahm.

Doch ich wollte ihm nicht das Gefühl geben, als würde ich das akzeptieren, als würde ich ihn sogar respektieren, deshalb entschied ich mich für die angriffslustigste Version. Ignoranz.

"Versuchts du mich gerade wirklich zu ignorieren?", seine Frage klang aufrichtig, als würde er eine ehrliche Antwort erwarten.

"Du sitzt in einem verdammten Käfig! Du kannst dich nicht verstecken.", ich konnte sein Lächeln überall auf meinem Körper spüren. Er hatte so Recht damit und trotzdem schmerzte mich sein schwarzer Humor mehr als ich erwartet hatte. Aber seltsamerweise verwunderte es mich zugleich, wie er in so einer Situation noch seinen Humor wahren konnte.

Die Worte von Tyler fielen mir wieder ein, wie er sagte, dass Alec früher ganz anders war als der "große böse Vampir" von heute. Ganz anders, als die Person, für die ihn alle hielten. Für die ich ihn hielt.

Sofort fragte ich mich, was ihm wohl passiert sei. Ob er ebenso sehr mit dem Vampirdasein konfrontiert wurde wie ich? Ob ihn das aus der Bahn geworfen hatte? Trotz meinem ganzen angestauten Hass auf ihn, würde ich das verstehen. Auch wenn seine Art damit umzugehen nicht die beste war. Ich könnte es ehrlich nachvollziehen.

Halt, wieso dachte ich auf einmal so? Empfand ich gerade wirklich für den Mörder meiner besten Freundin und meiner Tante so etwas wie Mitgefühl? Wie konnte das sein? Schnell schob ich den Gedanken beiseite und hob den Kopf ein wenig an, obwohl ich mich dennoch weigerte ihm zu antworten.

Unerwartet vernahm ich plötzlich ein unangenehmes Quietschen zu meiner Linken. Dann ein kurzes Knacken und schon wurde meine Haut von einem kühlen Luftzug berührt. Die Tür war aufgeschwungen und kein anderer als Alec hatte sie geöffnet. Leise seufzend rutschte ich ein Stück weiter nach rechts und drückte mich doch ein klein wenig ängstlich gegen die Wand.

Hatte er es sich so schnell anders überlegt und tötete mich lieber doch sofort hier? Ich kaute unbewusst auf meiner Unterlippe und zuckte sofort zusammen, als er eine kurze Bewegung machte. Doch er kam nicht auf mich zu, sondern ging ein Stück nach hinten, damit ich die offene Tür nutzen konnte. Ob das nur ein Trick war und er mich als so naiv einstufte, als dass ich sein Angebot annehmen würde?

"Willst du die Freiheit wirklich abschlagen? An deiner Stelle würde ich lieber aufhören zu schmollen, es wird dir sowieso nichts nützen."

Unsicher warf ich einen Blick über die Schulter um mich noch einmal zu vergewissern, dass genügend Abstand zwischen ihm und der Tür herrschte. Abhauen wäre sowieso zwecklos, die Schnelligkeit kannte ich bereits von Damien.

Was würde es mir also bringen mich weiterhin zu bemitleiden? Davon wird sich meine Situation nicht ändern. Alles was ich tun konnte, war vielleicht Informationen bezüglich meinem Vater aus Alec herauszukitzeln.

Mich an der Wand abstützend, zog ich mich hoch, würdigte Alec aber keines Blickes. Trotzdem spürte ich seine Augen auf mir, die jeden meiner Schritte genaustens musterten. Ich drehte mich leicht zur Tür hin, wo ich schließlich taumelnd stehen blieb und sah Alec das erste Mal richtig an.

Er sah Damien wahrhaftig zum Verwechseln ähnlich und ich musste mich quasi zwingen, nicht den Fehler zu machen, die beiden zu verwechseln. Mein Herz begann schon vor Geborgenheit zu hüpfen, doch schnell würde es von meinem Verstand gestoppt.

Seine Wangenknochen waren erheblich stärker hervorgehoben als die von Damien, daher sah sein Gesicht ein wenig markanter, aber keinesfalls schlechter aus. Auch seine Nase war ein wenig schmäler und die Narbe an der Lippe war kaum zu übersehen. Doch auf eine seltsame Art und Weise musste ich mir eingestehen, dass sie ihn attraktiver wirken ließ.

Empört über mich selbst, wandte ich den Blick schnell ab und hörte damit auf ihn anzustarren. Ein Lächeln huscht über sein Gesicht, dass ich nur aus den Augenwinkeln wahrnahm.

"Du kannst mich ruhig weiter anstarren, lass dich bloß nicht stören.", höhnte er und ich blitzte ihn mit hoch gezogenen Augenbrauen beschämt an. Wahrscheinlich färbten sich meine Wangen bereits rot, deshalb sah ich schnell wieder weg.

"Was hast du mit meinem Vater vor?", schoss es plötzlich aus mir heraus an die Oberfläche, denn es war die Frage, die mich am meisten interessierte. Auf Alec's Gesicht breitete sich so etwas wie Verwirrtheit, Schock oder wenigstens Überraschung aus, das ich nicht recht zu deuten wusste.

"Deinem Vater?" Er stockte, drehte sich um, wahrscheinlich in die Richtung in die sie meinen Vater gebracht hatten und dann wieder zu mir. Dann zogen sich seine Mundwinkel erneut in die Höhe und er schien zu verstehen, was ich meinte. Ob das nur eine Masche von ihm war? Er tat, als wüsste er nicht von unserer Verwandtschaft um mich zu verunsichern? Oder sagte er die Wahrheit?

"Das wird ja immer besser.", noch immer lächelnd schlug er die Hände vor der Brust zusammen. Als er sie wieder sinken ließ, seufzte er kurz leise und legte den Kopf dann leicht schief.

"Ich habe rein gar nichts von dem, was du dir in deinem hübschen Köpfchen so vorstellst, mit ihm vor. Sobald er uns die Antworten gibt, die wir brauchen und er mit uns kooperiert, lasse ich ihn laufen."
Und augenzwinkernd fügte er noch hinzu: "Das verspreche ich dir sogar."

"Und...und was ist mit mir?", flüsterte ich beinahe und rügte mich selbst, da ich diese Frage eigentlich nicht hatte stellen wollen. Doch nun war sie mir rausgerutscht und ich zitterte innerlich vor seiner Antwort, als er nach Luft schnappte.

Er setzte einen ungewohnt ernsten Gesichtsausdruck auf und sah mich nachdenklich an. "Soll ich ehrlich zu dir sein?"

Ich schluckte, doch alles was ich herausbrachte war ein kurzes Nicken. Was würde es mir bringen, wenn er mir die Wahrheit verschwieg? Besser ich wusste gleich, was auf mich zukommen würde, sodass ich Zeit hätte mich mental darauf vorzubereiten.

"Eigentlich wollte ich dich töten...vielleicht sogar schlimmer. Damit..." Er brach ab und kratzte sich am Hinterkopf. Mein Herz rutschte in die Hose und ich spürte wie mir überall an meinem Körper heiß wurde. Noch nie zuvor hatte ich mich dem Tod so nahe gefühlt. Nicht einmal als ich von dem Vampir angegriffen worden war.

"Wieso tust du es dann nicht gleich?", schluchzte ich los, obwohl ich stark bleiben wollte. Wenn ich schon sterben musste, dann wenigstens als jemand, der bis zum Ende durchhielt, der bis zum Ende kämpfte.

"Weißt du, das ist eine recht gute Frage." Er machte eine lange Pause und ging einen Schritt auf mich zu. Ich versuchte zurückweichen, doch die Gitterstäbe in meinem Rücken versperrten mir den Weg.
"Doch wenn ich dich so ansehe..." Sein Atem ist ganz kühl, als er meine Wange streift und ich zucke nicht einmal zusammen, als er die Hand ausstreckt um mein Haar zur Seite zu schieben, so sehr stehe ich unter Schock. Ich kann mich nicht bewegen, jeder Nerv in mir ist wie erstarrt.

"Wenn ich dich so ansehe...", wiederholte er sich und ich konnte mein Herz durch den ganzen Raum schlagen hören.

"Dann habe ich auf einmal überhaupt keine Lust mehr darauf."

________________________________

Vorschläge wie es weiter gehen soll?
Bitte in die Kommentare! Danke 💕

DARK BLOODWo Geschichten leben. Entdecke jetzt