Kapitel 20 - Es tut mir so leid.

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"Es tut mir so leid."
Ich fühlte mich taub und leer. Ich war regungslos von oben bis unten und mein Körper klappte einfach zur Seite weg. Zum Glück sorgte Damien dafür, dass ich weich in seinem Schoß landete und strich mit seinen Fingern über mein Haar und über meinen Hals bis zu meinem Schlüsselbein. Seine Berührungen brannten wie heißes Feuer auf meiner Haut und lenkten mich zwar ein wenig ab, doch die Wahrheit, die ich so eben erfahren hatte, und ihr Ausmaß konnte ich dadurch nicht verdrängen. Diesmal nicht. Tränen kullerten über mein Gesicht und tropften mit einem leisen Geräusch auf meine Bettdecke. Ich wollte einfach nur weinen und in Damiens Armen verweilen bis der ganze Albtraum aufhörte. Doch es war kein Albtraum, es war mein Leben. Ich konnte nicht davon laufen oder es einfach hinter mir lassen, es einfach wegschieben und ignorieren, all die schlimmen Erlebnisse und Erfahrungen waren jetzt ein Teil von mir. Egal wie stark ich zu sein schien oder es vorgab, irgendwann war einfach alles zu fiel. Und dieser kleine Tropfen hatte mein Fass zum Überlaufen gebracht.
Meine Tante, die wie eine Ersatzmutter für mich war, wenn ich mich mit meiner eigenen gestritten hatte. Meine Tante, die mir das Schwimmen beigebracht hatte, während ich gerade mal 3 Jahre alt war. Meine Tante, dessen Verlust ich beinahe nicht ertragen hätte. Diese Frau sollte nicht einen normalen, menschlichen Tod erlebt haben? Stattdessen wurde sie kaltblütig ein Opfer derer, die mich auch fast getötet hatten. Die Tränen flossen immer heftiger und ich keuchte stoßweise aus Trauer, Wut und Verzweiflung. Wie sollte ich das alles nur ertragen können? Hörten die schlimmen Erfahrungen, Nachrichten und Erlebnisse denn niemals auf? Ich war in einer nie enden wollenden Spirale gefangen, aus der ich einfach nicht mehr ausbrechen konnte. Noch immer schluchzend klammerte ich mich fest an Damiens Arm und lehnte meinen Hinterkopf gegen seinen Bauch. Seine Muskeln waren angespannt und waren seltsam weich und hart zugleich. Liebkosend fuhr er meinen Rücken entlang und drückte mir einen kurzen Kuss auf die Haare. Es war schön zu sehen, wie er mich trösten wollte, doch dieses Mal gelang es ihm nicht. Er konnte mich nicht trösten. Niemand konnte das. Es war einfach zuviel.

Ich öffnete vorsichtig die Augen, schloss sie aber sofort wieder, da das Bild vor lauter Tränen verschwamm. Meine Gedanken fühlten sich wie weggefegt an, nur ein einzelnes leeres Wort hing mitten im Raum. Es war die entscheidende Frage, die mich immer wütender werden ließ.
Wimmernd murmelte ich: "Wer?"
Damiens Fingerspitzen hielten in der Bewegung inne und spürte seinen traurigen Blick in meinem Nacken, als er zu mir nach unten blickte. Er wartete erstaunlich lange mit seiner Antwort und schien sich auch nicht wirklich sicher zu sein. "Ich...ich weiß es nicht."
Dennoch glaubte ich ihm, denn Damien war kein Lügner, das war er nie gewesen. Wie vom Blitz getroffen, überwältigte mich jedoch ein anderer Gedanke, als Damien anfing über meine Arme zu fahren, die ich vor meinem Kopf angezogen hatte. Ich bekam eine wohlige Gänsehaut, was mich aber nicht davon abhielt, nachzudenken, was die Nachricht über den wahren Tod meiner Tante überhaupt bedeutete.

Mein Vater hatte uns nicht grundlos verlassen, er hatte denselben Hass verspürt wie ich in diesem Moment. Die selbe Trauer, die selbe Verzweiflung. Es tat weh, wenn ich daran dachte wie verurteilend ich zu ihm gewesen war ohne überhaupt zu wissen, was seine Beweggründe waren. Unbewusst ergriff ich Damiens Hand und verschränkte meine Finger in seinen. Sie waren warm und seine Haut weich. Kurz zuckte er zusammen und machte Anstalten, sie wegzuziehen, doch dann gab er nach und ließ es zu. Mein Hinterkopf lehnte noch immer an seinen Bauchmuskeln, sodass ich spürte wie sein Herz pochte. Kurz lauschte ich dem ungewohnten, aber unglaublich befriedigenden Rhythmus und dem Geräusch, den seine Atemzüge machten, doch unwillkürlich glitten meine Gedanken wieder zu meinem Vater.

Ich konnte ihn verstehen. Es war die Art von Schmerz, die einen fast bis zum Zerbrechen treibt und die einen überwältigt bis man windend am Boden liegt. Aber dennoch, trotz dem Leid dass er durch die Vampire ertragen musste, rechtfertigte es nicht die Tatsache, dass er uns aufgegeben hatte um seinem Hass nachzugehen. Er hätte stark bleiben und dagegen ankämpfen müssen, doch er war gescheitert.

"Wurde das ganze etwa vertuscht? Wie? Von wem?", rief ich plötzlich entrüstet und setzte mich mit einem Ruck auf. Damien sah mich kurz erschrocken an, versuchte aber gelassen zu wirken um mich zu beruhigen.

"Ehrlich Zoey, ich...ich weiß es nicht. Aber vermutlich hat die nachtaktive Organisation bereits Mitglieder unter den Ärzten, sodass eine einfache Unterschrift genügte. Aber auch Erpressung oder Korruption würde ich ihnen zu trauen. Glaub mir, ich habe mir diese Fragen nur allzu oft gestellt."

"Woher weißt du das?"
"Was?"
Ich brachte fast keinen Ton heraus, so staubig fühlte sich meine Kehle an.
"Das...das mit meiner Tante."

"Zoey....es ist genug für heute. Wirklich...du... du solltest das erstmal verarbeiten und schlafen." Seine Stimme hatte diesen Befehlston, wobei ich dennoch ein wenig Sorge vernahm.
Aber mir war ganz und gar nicht nach schlafen zumute. Meine Emotionen kochten über und schossen nur so in Wallungen an die Oberfläche.

"Woher?!" Ich erschrak selbst über meinen forschen Tonfall, doch ich hatte genug von den ganzen Geheimniskrämereien. Sie hatten alles nur noch schlimmer gemacht.
Er starrte auf unsere verschlungenen Hände und drückte sie fest. Ein warmes Gefühl überschattete für wenige Sekunden meine Wut und meine Verzweiflung.
"Ich...ich war da. Ich habe sie gesehen, ich wollte helfen, doch es war zu spät."
Er hob den Blick und sah mich mit mitfühlenden Augen an. Sie leuchteten vor Sorge und etwas in mir wollte im um den Hals fallen und einfach wieder anfangen zu weinen. Aber ich riss mich zusammen um der Versuchung zu widerstehen.

"Wieso warst du da?"
Ich wusste nicht genau, was für eine Antwort ich hören wollte, doch irgendetwas in mir sagte mir, dass er nicht alles erzählte.

"Das erzähle ich dir später. Du musst dich ausruhen." Der Befehlston kehrte zurück und machte mich nur noch neugieriger, verzweifelter. Ich starrte ihn an, abwartend, um ihm zu zeigen, dass ich nicht nachgab.

"Ich...es gab eine Blutspendenaktion an den Tag im Krankenhaus. Der Lagerraum wurde neu gefüllt, nur die ersten paar Stunden ist es für mich möglich."

Zuerst verstand ich nicht recht, doch bei dem Wort Blut dämmerte es mir. VAMPIR. Mein Atem stockte und ich sah ihn blinzelnd an. Beschämt hatte er den Blick abgewandt und entzog seine Finger meiner Hand. Zurück blieb eine eisige Kälte.

"Machen das alle Vampire?", schoss es plötzlich aus mir heraus und ich wunderte mich selbst über meine Neugier.

"Nein. Es gibt auch welche wie diesen Typ, der dich heute angegriffen hat. Aber ich will das nicht. Auch wenn der Drang oft stark ist und mich innerlich zerreißt. Verstehst du?" Bei den letzten Worten sah er resigniert zu mir auf.

Kurz verspürte ich eine Art Angst, aber ich nickte. Irgendetwas an ihm zog mich mit magischer Kraft so stark an, dass er alles sagen könnte, ohne dass es etwas ändern würde. Jeder normale Mensch wäre schreiend davon gelaufen, doch mittlerweile war ich es gewöhnt, nicht dagegen anzukämpfen. Meine Welt stand Kopf, ob ich einen Vampir liebte oder nicht. Und das tat ich, jede Sekunde die wir zusammen verbrachten mehr. Er starrte wieder auf den Boden und glänzende Tränen standen ihm in den Augen. Er versuchte krampfhaft sie zu unterdrücken.

Ich nahm seinen Kopf in meine Hände und lehnte meine Stirn an seine. "Ich verstehe das." Ob ich das wirklich tat, wusste ich nicht aber jeder Zentimeter meines Körpers wollte ihn trösten, egal was ich dafür sagen musste.
Ich strich vorsichtig über seine Wangen, ehe unsere Gesichter plötzlich ganz nah waren und unsere Lippen sich mit einem Knistern berührten.

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