Kapitel 8 - Entschlossenheit

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Ich wusste nicht wie und wann ich überhaupt eingeschlafen war, doch ich wurde von den fahlen Sonnenstrahlen, die durch das Fenster direkt in mein Gesicht fielen, aufgeweckt. Ich spürte die Wärme bis in meine Fingerspitzen und schlug mit einem Gähnen die Augen auf. Dem Stand der Sonne nach zu urteilen, war es schon früher Mittag und ich rieb mir die Augen um die getrockneten Tränen wegzuwischen. Als ich mich aufsetzte, um die Bettdecke zurück zu schlagen, bemerkte ich, dass mein Kopfkissen feucht war. Ich drehte mich auf die Seite und hielt mir die Hand schützend vors Gesicht um nicht geblendet zu werden. Für einen kurzen Augenblick war ich befreit von all den Sorgen und Gedanken, die seit den Ereignissen der letzten Tage in meinem Kopf herumschwirrten. Doch dann trafen mich die Erinnerungen wie ein Schlag ins Gesicht. Das Schimmern in Damiens Augen als er mich küsste, wie mir plötzlich heiß wurde und seine Fingerspitzen wie sie mir durch das gewellte Haar fuhren. Mein ganzer Körper kribbelte bei dem Gedanken daran. Er hatte gesagt, dass der Kuss nichts geändert hatte und vielleicht hatte er damit auch recht gehabt. Aber viel mehr beschäftigte mich, dass sein Geständnis, dass er ein Vampir sei, keinerlei Einfluss auf meine Gefühle zu ihm hatte. So sehr es mich auch schockierte, die Erkenntnis, dass er noch immer der Damien war, in den mich verliebt hatte, beflügelte mich so sehr und ich konnte seine weichen Lippen noch immer auf meinen spüren. Er war noch immer selbstlos, beschützend, einfühlsam und so sehr es mir wehtat, vielleicht hatte er dennoch mit allen Recht. Bisher konnte ich noch nicht sonderlich viel über seine neue Lebensweise in Erfahrung bringen und obwohl ich der festen Überzeugung war, er würde mich nie in Gefahr bringen, war es vielleicht besser, dass er fortgegangen war. Ich atmete schwer, wenn ich darüber nachdachte was ich mir soeben eingeredet hatte und beschloss mir das seltsame Buch und vor allem diese vermeintliche Universität genauer anzusehen. Andernfalls würde ich bei diesen ganzen wirren Fragen durchdrehen. Ich musste mit jemandem darüber sprechen. Sofort fiel er mir wieder ein, doch er kam nicht in Frage. Mir wurde ganze heiß, als ich seinen Namen vor mich hin murmelte. Aber an jemand anderen konnte ihn verraten, nicht einmal an Sophie. Meine Loyalität ihm gegenüber war keinesfalls getrübt. Nicht so lange ich nicht wusste, was es mit den Männern im Wald auf sich hatte und wer sonst noch vor den Vampiren wusste. Vielleicht würde ich ihn damit in Gefahr bringen und das konnte ich einfach nicht riskieren. Solange müsste ich wohl alles geheim halten, selbst wenn es mich noch so verzehrte.

Mit einem gequälten Stöhnen schwang ich mich aus dem Bett. Nach ein paar Schritten drehte ich mich um und warf einen Blick zurück unter mein Kopfkissen. Nur wenige Zentimeter lugte der goldene Umschlag hervor, und ein kalter Schauer machte sich auf meinem Rücken breit. Ich schob das Buch gekonnt ein wenig weiter nach hinten, damit auch unerwünschte kleine Brüder nicht "zufällig" darauf stießen würden. Gähnend schlenderte ich über den Flur ins Bad, hoffend darauf, eine Dusche würde auch meinen Kopf rein und die Sorgen wegwaschen. Leider funktioniert das nicht ganz so gut, denn ich musste unaufhörlich an den Zettel denken, als das Wasser auf mich niederprasselte. Ich stellte den Hebel schnell auf warm um und genoss die Hitze, die sich über meine Haut legte. Wenigstens konnte ich so ein wenig entspannen, auch wenn ich die Gedanken nicht aus meinem Kopf bekam.

Der Wind blies mir unaufhörlich ins Gesicht und verwehte meine Haare in alle Richtungen. Ich vergrub mich tief in meinen karierten Schal und schloss den Reißverschluss bis zu meinem Hals. Ich fröstelte von Kopf bis Fuß, doch andererseits bereitete mir das mulmige Gefühl, dass mit jedem Schritt, den ich der Schule näher kam, stärker zu werden schien, mir mehr zu schaffen. Ich beobachtete die gehetzten Gesichter der Menschen um mich herum und bedauerte, dass ich nicht genau so ahnungslos wie sie leben kann, ohne das ganze Drama und ohne die ständige Unwissenheit, was als nächstes kommen würde. Aber vor allem wollte ich meine Gefühle für Damien los werden und zwar so schnell wie möglich. Denn obwohl man immer sagt dass das Schlimmste in der Liebe ist, wenn sie nur einseitig ist, so ist das nicht wahr. Viel schlimmer ist es zu wissen, der andere liebt einen auch und man kann dennoch nicht zusammen sein. Unbemerkt hatte sich eine Träne über meine Wange geschlichen und ich wischte sie schnell mit dem Handrücken weg, ehe ich den Schulhof erreichte. Von überallher drang Getuschel zu mir herüber und die meisten würdigten mich keines Blickes. Ich beneidete sie, jeden einzelnen. Wenn sie wüssten, dass unsere Welt nicht die ist, für die wir sie gehalten hatten, dann würden sie sich nun genau so fühlen wie ich. Verstört. Und Leer. Und sie alle können ganz normal zur Schule gehen ohne auch nur einen Gedanken daran, dass unsere Schule sich eventuell als geheime Organisation zur Vampirbekämpfung entpuppt.
Ich atmete tief ein und aus und ging einfach weiter. Ich ignorierte alles um mich herum und versuchte wieder ruhig zu werden. Das kann nicht sein. Es muss ein Fehler sein. Es muss. Und es ist so, versuchte ich mir jedenfalls einzureden...
"Miss Jenkins? Es tut mir Leid wenn ich sie in ihren Tagträumen störe, aber es ist unabdingbar für unsere nächste Klausur, dass sie dem Unterrichtsstoff folgen." Ich hob den Kopf und musterte ihn mit hochgezogenen Augenbrauen. Egal wie sehr ich Mrs. Mason auch hasste, mit ihrem herablassenden Tonfall und ihrem schlecht gefärbten Ansatz, vielleicht hätte sie Recht. Aber wie sollte ich irgendwelche komplexen Vorgänge in unseren Zellen in meinen Kopf bekommen, wenn währenddessen womöglich gerade schon der nächste Plan für die Vernichtung von Damien geplant wird. Eigentlich wollte ich mit dem Gedanken abschließen. Es vergessen. Nie wieder daran denken. Aber es ging einfach nicht. "Sie haben Recht, Mrs. Mason." Ich nickte kaum merklich und mühte mir ein zustimmendes Lächeln ab. "Das hoffe ich für Sie", nachdem sich unsere Biologielehrerin abgewandt hatte und seelenruhig weiter die Tafel beschmierte, stieß mich Sophie sanft gegen die Schulter.
"Ich hasse sie." Sie lächelte mich so unbesorgt und zufrieden an, dass es mir einen Stich versetzte und eine Spur von Neid in mir aufstieg. "Ich auch." Ich versuchte so normal wie möglich zu klingen, doch sie war immer noch meine beste Freundin und Psychologin dazu. "Lass mich raten...Damien?", sie legte den Kopf schief und beobachtete mich genau. Ich wollte bereits antworten, bis mir einfiel, dass ich ihr noch überhaupt nichts von dem Kuss erzählt hatte. Alles andere durfte ich ihr nicht sagen. Ich konnte nicht. So sehr ich es auch wollte, möglicherweise wäre Damien sonst in Gefahr und außerdem wollte ich sie nicht mit so einer riesigen Information belasten. Jeder, der die Wahrheit nicht kennt, hat die Chance auf ein normales Leben, ein friedliches, ein unbesorgtes. Das wollte ich ihr einfach nicht nehmen.
Ich nickte bloß und senkte verlegen den Blick. "Habt ihr etwa...?", ihre Augen wurden immer größer und sie leuchteten förmlich."Habt ihr euch geküsst?" Seit ich ihr von seiner Rückkehr erzählt hatte, war jegliche negative Einstellung gegenüber Damien aus ihr verschwunden. Vielleicht spielte sie mir das aber auch nur vor. Ich spürte, wie mir das Blut in die Wangen Schoß und knetete nervös den Radiergummi in meiner Hand. "Woher...?" Ich schüttelte leicht mit dem Kopf. Sie war einfach genial. "Woher weißt du denn das schon wieder?" Ein Lächeln trat auf meine Lippen und meine Gedanken waren für eine kurze Zeit weit weg von all dem Drama. "Tja, ich bin eben gut." Zufrieden verschränkte sie die Arme vor der Brust und sah mich triumphierend an. In dem Augenblick räusperte sich jemand und Sophie und ich schauten überrascht auf. Mrs. Mason hatte sich vor unserem Tisch aufgebaut und musterte uns nun mit denselben hochgezogenen Augenbrauen wie ich vorhin. Sie schüttelte mit dem Kopf, während alle Augen auf uns gerichtet waren. "Ich störe ihre Unterhaltung natürlich nur ungern... Halt warten Sie, wieso kommt mir diese Ansprache so bekannt vor... , Miss Jenkins?" Unsere Abneigung war also nicht nur einseitig. Sie schien auf eine Antwort zu warten, doch in diesem Moment klingelte die Pausenglocke und ich würde erlöst. Sie widmete sich zwar dem Wischen der Tafel, doch als ich gerade mit Sophie im Schlepptau das Zimmer verlassen wollte, rief sie uns zurück. Ich seufzte, was glücklicherweise von dem Lärm meiner Mitschüler übertönt wurde. "Ich habe Sie im Auge." Ich misstrauischer Blick war zunächst nur auf mich gerichtet. "Sie Beide. Und jetzt gehen sie." Genervt verließen wir als letzte das Zimmer. Ein Gutes hatte ihre Standpauke, denn ich hatte keine Sekunde an Vampire und ähnliches gedacht.
Auf den Treppenstufen sprach mich Sophie wieder auf das Thema an. "Nun sag schon." , sie packte mich sachte am Arm, sodass wir langsamer gingen. "Erzähl mir alles!" Mir war gerade gar nicht nach Reden zumute, aber andererseits tat es gut, mal über etwas anderes nachdenken zu müssen, auch wenn ich ihr nur die halbe Wahrheit erzählen konnte. "Er stand plötzlich vor meiner Haustür und dann...nun ja." Das war nicht mal gelogen, denn nachdem wir uns hinter dem Busch im Wald versteckt hatten und er plötzlich verschwunden war, stand er tatsächlich plötzlich auf unserer Veranda. "Er hat gesagt er liebt mich und dann ist es einfach so passiert." Ich senkte meinen Blick und strich mit den Fingern an dem kühlen Geländer entlang. Der Wind peitschte genau wie morgens um meine Wangen und meine Zehen waren taub vor Kälte. "Lass dir doch nicht alles aus der Nase ziehen Zo!"
"Es war wirklich schön. So richtig. Ich glaube ich liebe ihn auch, Sophie." Ich blickte ihr fest in die Augen und blieb stehen. Es tat weh, es einmal laut auszusprechen, aber es war die Wahrheit, dass konnte ich einfach nicht leugnen. Mein Herz pochte wild, als ich den Namen aussprach, aber mir blieb nicht anderes übrig als ihn zu vergessen. Ein für alle Mal. Sophie schien sprachlos zu sein. "Das... das ist wow. Das ist toll. Hat er danach irgendetwas gesagt? Seit ihr etwa zusammen?" Sie schien begeisterter zu sein als ich, aber das liebte ich so sehr an ihr. Sie könnte so euphorisch sein, dass es einen einfach mitreißt. Ich scharrte mit den Füßen im Schnee. "Nein. Also... doch er hat etwas gesagt. Er hat gesagt..." Ich machte eine Pause um Kraft zu sammeln die Wort auszusprechen. Wenn ich sie ganz schnell und leise sagen würde, tat es vielleicht nicht so weh. "Dass es nichts geändert hat, dass er trotzdem wieder nach England muss." Es tat noch mehr weh als erwartet, denn die Worte waren wie ein Messerstich in meine Brust. Meine Stimme bebte und ich biss mir auf die Lippe, damit sie nicht sah, wieviel Kraft es mich kostet. Auf ihrem Gesicht tauchte Mitleid auf und genau das hatte ich vermeiden wollen. "Hey... kommst du denn damit klar?" Ich bemühte mich um einen milden Gesichtsausdruck und ein Lächeln um überzeugend zu wirken als ich sagte: "Klar, so ist es eben." Tausend Nadeln stachen in meine Brust, ich glaubte mir selbst nicht, doch Sophie tat es. Sie schenkte mir ein Lächeln und für eine kurze Zeit schwiegen wir uns einfach nur an. "Du ehm Sophie? Ich muss jetzt dringend los, mich um Finn kümmern und so du weißt schon." Ich wollte keine schlechte Freundin sein, aber wenn ich weiter reden müsste, könnte ich die Tränen wahrscheinlich nicht zurückhalten. "Klar ich verstehe. Ich bin sowieso verabredet." Sie wurde rot und ein verschmitztes Lächeln trat auf ihre Lippen. "Mit Jasper." Ich schlug mir mit der Hand auf die Stirn. "Stimmt. Tut mir Leid. Wir reden morgen darüber und dann erzählst DU mir alles!" Sie nickte zustimmend und umarmte mich. "Bis dann!" Ich hatte Schuldgefühle, dass ich so wenig für Sie da war, doch ich kam einfach nicht los von all den Geschehnissen.

Aber ich wusste nun was ich tun muss. Auch wenn es nicht das Richtige war, so brauchte ich Gewissheit. Eigentlich sollte ich nicht mehr darüber nachdenken, aber ich konnte das ganze nur abhaken, wenn ich mir Klarheit verschaffte, und das ging eben nur so.

Selbst wenn sich dann mein ganzes Leben ändern würde.

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hier mal ein langes Kapitel & sorry dass es so lange dauert, habe wenig Zeit...

Hey, ich wollte nur mal fragen LIEST DIE GESCHICHTE ÜBERHAUPT JEMAND?
Wenn ja, dann bitte schreibt mir was ich verbessern kann, das wäre echt super!
KRITIK & LOB ( falls angebracht ) erwünscht!
DANKE AN jEDeN Leser💕

DARK BLOODWo Geschichten leben. Entdecke jetzt