Kapitel 51 - Erstmal nicht.

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Keuchend starrte ich auf meine Hände, die sich immer klebriger und verschwitzter anfühlten. Stückchenweise sickerten seine Worte zu mir durch und ich schluckte sie langsam hinunter, um sie überhaupt richtig zu verstehen.
Ein Berg voller Schuld raste auf mich zu und ich wollte mich so gern auf den Boden werfen um ihm zu entkommen, aber es ging nicht.

Ganz offensichtlich war ich unbewusst Schuld an Sophie's Tod. Ich allein war der Grund wieso sie sterben musste. Aber wie hätte ich das verhindern können? Hätte ich sie retten können? Die Frage zerrissen mich innerlich und rüttelten unablässig an meinem Verstand.

"Aber...er...er wollte mich umbringen?", ich stotterte als wüsste ich nicht wohin mit der ganzen Emotion. "Wieso? Was...was hat das alles zu bedeuten?" Meine Kehle brannte vor Trockenheit bei jedem einzelnen Wort, das ich von mir gab.
Fast schon mitleidig betrachtete Tyler mich und schüttelte leicht abwehrend den Kopf.

"Zoey...du musst das verstehen! Er war nicht immer so...ihm...ihm sind schlimme Dinge zugestoßen, die ihn erst zu dem gemacht haben, was er jetzt ist." Ich senkte den Blick und rollte mich zusammen, als könnte ich mich vor dem allem schützen, was gerade auf mich einrieselte. Als könnte ich dadurch stoppen, was gerade um mich herum passierte.

"Hey, ich weiß dass es schwer ist, aber..." Er rüttelte leicht an den Gitterstäben um meine Aufmerksamkeit zurück zu erhalten. Zu seiner vollen Zufriedenheit sah ich zu ihm auf, aber nicht ohne ihn durch die Kälte in meinem Blick spüren zu lassen, wie elendig ich mich fühlte. Sofort wurde seine Stimme ein wenig weicher und bedauernder: "Wenn du von all dem wüsstest...dann könntest du ihn...vielleicht verstehen. Versuch deine Wut im Zaum zu halten...glaub mir, das ist besser für dich." Nickend flüsterte er den letzten Teil und vielleicht hatte er sogar Recht mit dem, was er sagte.

Für einen kurzen Moment schwieg ich, noch immer wie ein lebloser Ball zusammengerollt, doch dann erreichte mich eine neue Welle von Wut. Mit einer schnellen Bewegung erhob ich mich, trotz schmerzender Glieder verzog ich keine Miene und machte einen Schritt nach vorne. Als wir nur wenige Zentimeter voneinander entfernt standen und ich ihm direkt in die Augen sah, wich Tyler zwar nicht zurück, doch ich bemerkte, dass er mich ernst nahm, dass er mich ehrlich respektierte. Dass wir auf Augenhöhe waren und ich nicht bloß seine Gefangene.

"Wie zum Teufel könnte ich ihn jemals verstehen? Du weißt was er mir angetan hat! Nichts auf der Welt würde das jemals rechtfertigen..." Verächtlich knallte ich ihm die Worte ins Gesicht. In meinem plötzlichen Anflug von erbarmungsloser Wut erreichte mich ein neuer Gedanke, von dem sogar meine Knie wieder wacklig wurden.

"Was ist...mit meiner Tante..." Ich holte kurz tief Luft um die folgenden Worte aussprechen zu können. "Hat er auch...?" Ich brachte es nicht fertig den Satz zu beenden, doch das musste ich auch gar nicht. Tyler verstand sofort und nickte gequält, was mein Blut nur noch mehr zum Kochen brachte. Er hat es die ganze Zeit über gewusst und es mir verschwiegen. Wie konnte ich nur so blöd sein zu glauben, uns beide verbände etwas. Alec war sein einziger Verbündeter und das spürte ich nun umso deutlicher.

"Wieso verteidigst du ihn dann überhaupt noch?!", fuhr ich ihn an, obwohl sein Ohr nur wenige Zentimeter von meinem Mund entfernt war. Er zuckte kurz zusammen bei der Lautstärke, die ich anschlug, antwortete aber recht gelassen und ruhig.

"Ich kenne ihn. Im Inneren ist er nicht das Monster, für das ihn alle halten."

Ich hielt kurz inne, sogar mein Herzschlag, der durch meinen Wutanfall erstaunlich schnell gestiegen war, verlangsamte sich für ein paar Sekunden. Plötzlich dachte ich ehrlich darüber nach, ob er wohl Recht hatte. Ob Alec überhaupt nicht der war, für den ich ihn hielt. Vielleicht besaß er sogar so etwas wie ein Herz, doch womöglich würde es ihm schmerzhaft herausgerissen.

Aber es dauerte nicht lange, bis mir wieder der Tod zweier Menschen, die ich liebte, in den Sinn kam und mich damit vom absoluten Gegenteil überzeugten. Alec war abgrundtief ein schlechter Mensch - beziehungsweise ein guter Vampir und dafür hasste ich ihn.

Ich wollte Tyler gerade erneut widersprechen, ihn anschreien, ihn damit konfrontieren wie abscheulich sein Freund war, als mich ein wesentlicher Gedanke überrollte, den ich die ganze Zeit über außer Acht gelassen hatte.

"Aber...wenn er...wenn er mich..", ich atmete kurz tief durch, ehe ich fortfuhr. "...töten wollte...wieso..wieso bin ich dann noch hier?", meine Stimme klang dünn, verängstig. Aber genau das war ich auch, als mir klar wurde, was dieses Gefängnis in Wahrheit bedeutete. Es war nicht nur dazu da, um mich hier festzuhalten damit ich niemandem von diesem Ort und dem, was hier vorging erzählen konnte.

Tyler's Miene veränderte sich schlagartig. Er ließ die Hände von den Gitterstäben sinken, wich einen Schritt zurück, ohne mir auch nur den Bruchteil einer Sekunde in die Augen zu sehen. Traurig starrte er zu Boden, was in mir nur noch mehr Panik aufstiegen ließ. Das Adrenalin schoss in jeden einzelnen Teil in meinem Körper und beschleunigte meine Atmung und meinen Puls ungemein.

"Will er...will er das etwa immer noch? Bin...bin ich deswegen hier?", schrie ich beinahe hysterisch und Schweiß deutete sich auf meiner Stirn an. Ich rüttelte an den Gitterstäben als er keine Reaktion zeigte und weiterhin vor sich hin schwieg. Diese Stille machte mich wahnsinnig. Nichts wünschte ich mir in dem Moment mehr, als dass er mir widersprach und mich vom Gegenteil überzeugte. Aber nichts davon geschah.

Langsam drehte er sich um, die Hände vergraben in den Hosentaschen, seine Schulter hingen schlaf hinunter, ohne mich und meine Angst weiter zu beachten.
"Tyler!", ich rief seinen Namen, doch er war schon im Begriff mich einfach stehen zu lassen.

"Bitte sag, dass du mich nicht hier eingesperrt hast...weil Alec...mich töten will!", bettelnd rang ich nach Luft. Tränen überfluteten meine Wangen, weshalb meine Stimme brüchig und teilweise unverständlich klang.

Er warf mir einen letzten Blick über die Schulter zu, formte mit den Lippen ein "Tut mir Leid" und ließ mich allein zurück. Ich rüttelte erneut an dem Käfig, doch er ließ sich trotz aller Gewalt nicht öffnen. Ich war verloren.

Gerade als ich völlig aufgelöst und verzweifelt auf die Knie sinken wollte, ertönte eine Stimme, die mir unerwarteterweise auf meine Frage antwortete.

"Keine Sorge, Süße, erstmal nicht."

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Und? Findet ihr es noch spannend?

Was denkt ihr hat Alec vor?

DARK BLOODWo Geschichten leben. Entdecke jetzt