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 Arthur und Merlin saßen nebeneinander auf dem Deck, reichten eine Schüssel Suppe zwischen sich hin und her.

Ethel nutzte den Moment, um die Treppe hinter ihnen hinunter zu huschen. Machte sich schon auf den Stufen auf das bereit, was sie hinter der Tür erwartete, vor der sie nun stand. In ihrem Leben hatte sie schon oft genug mit dem Tod zu tun gehabt um zu wissen, was ihr bevorstand. Vielleicht zu viel. Vielleicht war ihr Herz schon zu oft mit Tod und Verderben in Kontakt gekommen, um noch irgendetwas anders spüren zu können außer Schmerz. Sie wollte es glauben, wäre es nicht um Gwaine gewesen, der ihr das Gegenteil bewiesen hatte. Sie drückte die Tür auf, bevor die Tränen in ihre Augen steigen konnten.

Aber kein strenger Geruch schlug ihr entgegen, und es lag auch kein aufgeblähter, steifer Körper auf dem Bett. Es brummten keine Scharen von Fliegen durch den Raum, es labten keine Maden und Würmer an Augen und Mund des Leichnams. Ethel trat näher, ließ sich auf den Schemel sinken, der neben dem Bett stand. Sie verstand nicht, welche Zauber Merlin ununterbrochen in den letzten Tagen gewirkt haben musste, um Gwaines Körper vor dem Verfall zu bewahren. Doch ließen sie ihn aussehen, als würde er nur schlafen, in jedem Moment die Augen wieder aufschlagen. Es war fast noch schlimmer. Weil sie wusste, dass er das nie wieder tun würde.

Erst zögerlich, dann entschlossen, griff sie nach seiner Hand. Sie war kalt unter ihren Fingern. Ethel umschloss sie mit beiden Händen, als würde sie ihm ihre Wärme spenden wollen. Hob sie zu ihren Lippen.

"Es tut mir so leid, Gwaine", flüsterte sie, bevor sie einen Kuss auf seine Knöchel drückte. "Es tut mir so unendlich leid."

Sie hätte ihn beschützen müssen. Sie hätte es nie so weit kommen lassen dürfen.

Sie verschränkte ihre Finger mit seinen, drückte ihre Hände gegen ihr Herz, als sie den Blick seinem Gesicht zu wandte. Still, wie er da lag, keine Regung darin. Kein verschmitztes Lächeln, dass auf seinen Lippen spielte und keine Fältchen, die um seine Augen lagen. Ihre Finger tanzten über seine Wange.

"Ich..." Ihre Stimme versagte. Kurz presste sie die Lippen zusammen, spürte, wie ihr Kinn zitterte. Sie drückte seine Hand, als ihre Sicht verschwamm und hoffte, dass er sie hörte. "Danke, Gwaine."

Danke, dass du mir daran erinnert hast, dass es im Leben mehr gibt, als nur zu überleben.

Dann erlaubte sie sich, was sie sich sonst nie erlaubte. Sie weinte.

Sie ließ zu, dass die Trauer überhand nahm. Sie spürte es alles, für ihn. Die Tränen, die in ihren Augen brannten, bevor sie die Wangen hinab liefen. Die Schluchzer, die tief in ihr aufwallten und in ihre Kehle hinauf krochen. Das Zittern ihrer Schultern, des ganzen Köpers, bis sie keine Kraft mehr hatte, sich aufrecht zu halten und sich vorne über beugen musste. Das Wummern ihres Herzes in der Brust, die Taubheit in ihren Fingern.

Und sie erinnerte sich.

Sie erinnerte sich an alles. Das Lächeln, dass er ihr schenkte. Das freche Zwinkern, dass mehr als unangebracht war. An seine gütigen Worte, wenn sie ihre Heimat vermisste. Er hatte sie nie unglücklich sehen wollen. Sie erinnerte sich an den Arm, den er ihr reichte, als er ihr Camelots Markt gezeigt hatte. An das Klirren ihrer Schwerter, als er sich mir ihr zum Training duellierte, als es sonst keiner wollte. Sie erinnerte sich an das Klingen ihrer Weingläser an den Abenden, an denen er ihr zum Abendessen Gesellschaft geleistet hatte, wenn Arthur nicht da und sie alleine war. Sie erinnerte sich an ihr Lachen über seine Späße, und auch an seine warme und weiche Umarmung, wenn ihr nicht zum Lachen zumute war. Sie erinnerte sich an das Gefühl seiner Finger in ihren Haaren, als er es flocht, nur um ihr zu beweisen, dass er es konnte, und auch an den Geruch der Blumen, die er ihr geschenkt hatte. Sie erinnerte sich an die Wärme, die seine Berührung auf ihrer Haut hinterließ und an den Kuss, den sie geteilt hatten. Und daran, wie sehr sie sich gewünscht hatte, dass all das sie irgendwo anders hin führen würde, als hier hin.

Erst als in ihr keine Tränen mehr zum vergießen steckten, ihr Hals brannte und sich ihr Inneres leer anfühlte, hörte sie langsam auf zu weinen. Sie strich sich über die feuchten Augen und triefende Nase.

"Wie kannst du es wagen, Gwaine", krächzte sie, ein schmerzverzogenes Lächeln im Gesicht. "Ich schulde dir immer noch eine Flasche."

Sie musste fast lachen über den grotesken Gedanken, aber ihr fehlte die Kraft. Die Arme auf die Knie gestützt, vergrub sie ihr Gesicht in ihren Händen und versuchte, sich zu beruhigen. Atmete tief durch, ein und aus.

Die Tür wurde geöffnet. Sie schreckte hoch.

Merlin stand im Raum. "Was machst du hier?"

Ethel stand auf, drückte den Rücken durch und straffte die Schultern, auch wenn ihre Augen immer noch rot und aufgequollen sein mussten. "Ich sage Gwaine leb' wohl."

Seine Stimme blieb kalt. "Mach, dass du aus diesem Zimmer verschwindest."

Und dieses Mal senkte sie den Kopf und tat, was er wollte. Weil sie die Wut und den Hass kannte, der kam, wenn man einen geliebten Menschen verlor.

"Mir hat er auch etwas bedeutet", sagte sie leise, als sie an ihm vorbei ging.

Eine Hand hielt sie hart am Oberarm fest. "Du verdienst es nicht, zu trauern."

"Vielleicht nicht." Sie drehte sich zu ihm, fand seinen Blick, ließ ihre Trauer seine Wut treffen. "Aber es ist meine Schuld, dass ich ihn nicht beschützt habe."

"Du hättest ihn vor diesem Pfeil nicht schützen können."

Ihre Entscheidung, ihm die Wahrheit zu sagen, war in dem Moment gefallen, in dem sie die Worte ausgesprochen hatte. Sie wusste nicht genau warum. Vielleicht war es seine Drohung gewesen, ihr schlimmeres anzutun, als den Tod, und sie sich fühlte, als würde sie zumindest das verdienen. "Es ist ein Fluch, Merlin."

Er ließ sie los, verschränkte die Arme. "Was für ein Fluch?"

"Mein Fluch." Sie schluckte. "Jeder, der mich liebt, stirbt."

Merlin hob die Stirn. "Und du denkst, deswegen ist Gwaine gestorben."

Er glaubte er nicht. Es war ganz klar. Sie hatte es selbst lange genug nicht glauben wollen. "Es passiert wieder und wieder." Ihr Kindermädchen, ihr Bruder Bram, ihr Vater. Gwaine. "Ich habe eine Banshee gesehen, seit wir in Camelot aufgebrochen sind. Sie hat versucht, mich zu warnen."

"Banshees binden sich an Familien, nicht an Personen-"

"Es ist meine Banshee! Ich sehe sie, seit ich klein bin! Es ist mein Fluch. Du kamst mit Magie auf diese Welt, Arthur mit Hilfe von Magie, und ich wegen Magie. Es gibt eine Prophezeiung - deswegen dachte Athara, wir könnten ihr helfen-"

"Selbst, wenn das alles stimmt", unterbrach Merlin sie. "Gwaine hat dich nicht geliebt. Er war vielleicht nett zu dir, aber du warst für ihn nicht mehr, als ein Teil seiner Aufgabe als Camelots Ritter. Und jetzt geh endlich, wir wollen ihn noch heute auf seine letzte Reise schicken. 

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⏰ Last updated: Jul 09, 2023 ⏰

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A Tale of Trust and Treason (BBC MERLIN Fanfiction) [Pausiert]Where stories live. Discover now