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 Ethel blickte in ihre Reflexion auf den Wasser. Das Abbild ihres Gesichtes verschwamm, als sie mit dem Finger die Wasseroberfläche berührte.

Sie saß auf den Steinen am Rande des kleinen Wasserfalls in der großen Eingangshalle des Blauen Palastes. Noch immer verstand sie nicht, wohin das Wasser floss, nachdem es das kleine Becken vor ihr verließ, oder woher es kam. Aber das stetige Plätschern und der dünne Wassernebel, der in der Luft lag, hatten eine beruhigende Wirkung.

Sie war müde. Obwohl das Bett, das man ihr zur Verfügung gestellt hatte, wohlig weich war, hatte sie in der Nacht kaum Schlaf finden können. Die Banshee, die sie am Vortag an genau der Stelle gesehen hatte, an der sie jetzt saß, hatte auch in der Nacht ihr Unwesen getrieben. Ethel hatte das Wesen noch nie zuvor so aufgebracht erlebt, nicht einmal, bevor der Krieg ausgebrochen war. Selbst dann hatte der Geist die Wälder nicht verlassen und war nur in der Dämmerung aufgetaucht.

"Mylady", riss eine Stimme sie aus ihren Gedanken. Balderik stand neben ihr, beide Hände höflich hinter seinem Rücken verschränkt. "Königin Atarah empfängt Euch nun."

Ethel nickte, stand auf, strich ihr Kleid glatt. Sie hatte sich heute für ein schlichtes Gewand entschieden, in einem dunklen Grün, dass sie an die hohen Tannen ihrer Heimat erinnerte, die selbst in den langen Wintern nie ihre Nadeln verloren.

Den Grund für die Einladung der Königin wusste Ethel nicht, doch es wäre unsittlich gewesen, der Regentin diesen Wunsch zu verwehren. Also folgte sie Balderik, der sie durch die Gänge führte. Er geleitete sie vorbei an dem großen Esszimmer, an dem sie am Morgen bereits gefrühstückt hatten. Es war ein großes Zimmer, mit polierten Böden und hohen Wänden. Die Tafel war über alle Maße gefüllt gewesen mit den feinsten Speisen, frischem Obst und weichem Brot. Bei dem Anblick war Ethel betrübt gewesen, dass sie noch vom Festessen des vergangenen Abends gut gesättigt war. Bei weitem war sie es nicht mehr gewohnt, so viel zu essen. Es mangelte ihr an nichts, weder in Camelot, noch in ihrer Heimat, doch mit den knappen Ressourcen nach dem Krieg und der drückende Last der Verantwortung auf ihren Schultern war sie es gewohnt, kleinere Mengen an Speisen zu sich zu nehmen.

Sie durchschritten einen zur Seite hin mit großen Fenstern gesäumten Gang. Von hier aus konnte man über die gesamte Stadt blicken, mit ihren gewinkelten Gassen und den kleinen Flüssen, die sich bis zum Meer zwischen den Gebäuden hindurch wandten. Ethel war entzückt gewesen, als sie am Abend den Schneefall bemerkt hatte. Sie war die tristen, verregneten Winter in Camelot leid, sehnte sich nach einer dicken Schneedecke, die unter ihren Stiefeln knarzte. Aber auch hier in Ieron war der Schnee nicht liegen geblieben. War geschmolzen, bevor er überhaupt den Grund erreicht hatte. Sie wandte ihren Blick von der Landschaft, sah vor sich, wo Balderik eine Tür für sie öffnete.

"Eure Hoheit", kündigte er sie an, als sie hindurchschritt, "Königin Ethel."

Die Wände und Decke des Blauen Palastes wandelten sich aus Mauer in Glas. Ethel trat in eine Art Garten, voller bunter Blumen und Gräser, Sträucher und Bäume. Eine kleine Wildnis inmitten des Palastes.

Königin Atarah betrachtete gerade eine große Orange an einem Baum, drehte sie zwischen ihren Fingern, als Ethel sie inmitten des lebendigen Grüns ausmachte. Ethel senkte respektvoll den Kopf.

"Bitte", sagte Atarah. "Kommt mit mir."

Gemeinsam gingen sie einen geschlängelten Weg entlang, gerahmt von hohen Gräsern.

Ethel lauschte einem Moment lang dem Zwitschern der Vögel, ließ ihren Blick noch einmal durch die Landschaft schweifen, konnte das Ende des Raumes nicht ausmachen. Es war ein perfektes Trugbild.

"Es ist wunderschön hier", bemerkte sie, strich mit der Hand entlang der rosaroten Blütenkette, die an einem der vielen kleinen Bäume blühte.

Atarah lächelte. "Es ist auch mein liebster Ort im Blauen Palast."

A Tale of Trust and Treason (BBC MERLIN Fanfiction) [Pausiert]Where stories live. Discover now