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 Sie trafen noch vor Sonnenuntergang in Camelot ein. Auf den Straßen herrschte noch ein reges Treiben, auf dem Markt wurde um Ware gefeilboten, die letzten Angebote eingeholt. Die Kinder spielten auf den Straßen mit kleinen Ästen, die Blicke immer wieder in Richtung der untergehenden Sonne gerichtet, um auch ja rechtzeitig aufzubrechen, um vor Einbruch der Dunkelheit im warmen Heim zu sein.

 Camelot hatte sich verändert, seit dem Feuer. Seit dem Krieg. Besonders an den Rändern der Stadt war es gewachsen. Immer mehr Menschen waren aus dem Umland zugezogen - ein großer Teil von ihnen Bauern, die ihre Heimat infolge des verheerendes Brandes verloren hatten.

 Die Spuren des Feuers und die der feindlichen Belagerung gruben sich tief bis in das Herzen Camelots. In jeder Straße standen verlassene Häuser; heruntergekommene Bauten, in denen sich die Ärmsten Einwohner einquartiert hatten. Die, die alles verloren hatten. 

Oder denen alles genommen worden war.

Der Winter war hart in diesem Jahr und hatte seine eisigen Klingen tief in Camelots geschundenen Leib versenkt. Die Preise für Getreide stiegen ins maßlose, nachdem es bereits im Herbst aufgrund der anhaltenden Dürre als Mangelware galt.

 Viele konnten sich das Brot nicht mehr leisten.

Arthur und Ethel hatten getan, was sie konnten, Rationen aus anderen Regionen des Landes herangeschafft, Anteile verwaltet und aufgeteilt. Es schien nie genug. Der Hunger breitete sich schneller aus, als die jährlichen winterlichen Lungenkrankheiten, die einen nach den anderen ansteckten und in den Abgrund zog.

Ihr Volk war ihnen zur Zeit nicht wohlgesonnen, und Arthur konnte es ihnen nicht verdenken. Sie bewegten sich auf gefährlichen Terrain. Es würde nicht viel brauchen, um die Städter aufbegehren zu lassen. Sobald das nagende Gefühl im Bauch und der stechende Schmerz in der Brust lauter waren als die Stimme der Vernunft im Kopf, vergaßen sie alles, was ihre Regenten für sie getan hatten.

 Sie ließen die Siedlung hinter sich und ritten in den Schlosshof. An diesem Abend hatte niemand dem König ein böses Wort zugeworfen - es kam immer öfter vor, dass sie ihn beschimpften, wenn er seine Stadt durchquerte. Er musste lernen, es zu ignorieren. Sie waren wütend und hungrig. Die Zeiten würden sich mit den Jahreszeiten wechseln.

Und trotzdem schmerzte es ihn.

 Heute waren es böse Blicke gewesen, aber sie hatten ihre Zungen gehütet. Vielleicht weil Merlin an seiner Seite ritt. Er war schließlich auch einmal einer von ihnen gewesen, bevor Arthur ihm ein Stück Land vermacht hatte. Ein gewöhnlicher Bürger.

Zumindest hatte er sich dafür ausgegeben.

Oder sie fürchteten ihn.

 Dass der neue Berater des Königs magische Fähigkeiten besaß, hatte sich schnell herumgesprochen. Nicht nur, weil Merlin sich den Kindern und Jugendlichen angenommen hatte, die selbst über Magie verfügten. Es wurde auch über das dramatische Ende des Krieges gemunkelt, der eine ganze Armee ausgelöscht hatte. Selbst wenn es nur Tratschereien waren, von Händlern auf dem Markt, von Wäscherinnen am Brunnen und Trunkenbolden in der Taverne - ein hinter der Hand gesprochenes Wort hatte oft mehr Macht als jedes Gesetz es haben könnte. Viele vermuteten zwischen dem magischen Diener des Königs und dem Ausgang der Schlacht einen Zusammenhang. Auch, wenn zu Hofe kein Wort mehr darüber verloren wurde.

Arthur ließ den Blick über den Trainingsplatz schweifen, der verlassen in einiger Entfernung lag. Er hatte seit einiger Zeit selbst keinen Fuß mehr darauf gesetzt. Sobald er sein Schwert in die Hand nahm, begann es zu singen, von all den schrecklichen Dingen die er gesehen und getan hatte. Das Klingen von Metall auf Metall schrie in seinen Ohren, das Stampfen der Kämpfenden jagte ihn wie das Dröhnen von Kriegstrommeln. Als er das letzte Mal auf dem Feld gestanden hatte, verfiel er in eine schreckliche Tranche, aus die ihm selbst Sir Leon nur unter größter Anstrengung reißen konnte.

An machen Tagen fürchtete Arthur den Moment, in dem er wieder zu den Waffen greifen musste.

Er hoffte, er würde niemals kommen.

 Im Schlosshof wurden sie bereits erwartet, Stallknechte nahmen ihre Pferde, kaum, dass sie abgestiegen waren, und ein Diener geleitete sie unverzüglich zur Ratskammer. Sie hatten nicht einmal Zeit, ihre von der Reise beschmutzten Kleider zu wechseln oder sich zu waschen.

In der Sitzungskammer war es warm, was Arthur nach ihrer langen Reise besinnlicher gestimmt hätte, würde es nicht auch bedeuten, dass der Kamin schon den ganzen Tag brannte und der Rat ebenso lange beisammen saß. Arthur grüßte die Runde, setzte sich dann auf seinen Platz neben Königin, Merlin ließ sich zu seiner linken nieder.

 Arthur und Ethel hatten die meisten Berater aus den Zeiten seines Vaters durch neue ausgetauscht. Viele waren aber auch von den ersten Erlassen Königspaars so entsetzt gewesen, dass sie ihren Hof freiwillig verließen. Nur die, die sich mit Arthurs und Ethels Ansichten arrangieren konnten, waren geblieben. Neben Gaius und Sir Leon, die Arthur bereits während der Krankheit des Vaters beiseite gestanden hatten, saßen mittlerweile auch Lady Guinevere, die ihren Titel und damit einhergehende Legitimation aus der Hochzeit mit Sir Lancelot bekommen hatte, welcher ebenfalls in den königlichen Beraterstand berufen worden war.

Ihre Hochzeit war eine schöne Feier gewesen, die Erste, die Merlin auf seinem neuen Landsitz ausrichtete. Nachdem Arthur und Ethel ihm das Land übertragen und damit zum Baron ernannten hatten, stand ihm als Lord nicht nur ein Sitz im königlichen Rat zu, er konnte auch seine beiden Freunde vermählen.

Königin Ethel wartete, bis sich das aufgeregte Murmeln gelegt hatte, bevor sie sprach.

"Heute morgen haben wir einen Brief erhalten."

"Einen Brief? Deswegen rufst du uns zum Hof?" Arthurs Stimme triefte vor Vorwurf.

Merlin legte ihm eine Hand auf den Arm. "Lass sie ausreden."

"Natürlich ist es nicht irgendein Brief" Ein abschätziger Blick traf Arthur. "Er kommt aus Ieron. Von dem regierenden König und der Königin, um genauer zu sein."

"Liusadh?", fragte Arthur.

Sie nickte und zeigte ihm das Siegel. "Liusadh."

Die Königsfamilie regierte seit der Teilung Albions ununterbrochen. Angeblich waren sie die direkten Nachkommen der Kriegerin Liusadh, deren Namen sie vortan trugen. Sie hatte eine entscheidende Rolle gespielt, den ewigen Krieg zu beenden und wurde auserkoren, über Ieron zu herrschen. Jahrzentelang pflegte Ieron schon keinen Kontakt mehr zu den restlich, östlich gelegenen Teilen Albions. Die Königreiche waren nicht über Handels- oder Friedensverträge miteinander verbunden, nur die dunkle See, die zwischen ihnen lag, diente als Barriere zwischen den Reichen.

"Was wollen sie?" Arthurs Stimme klang angespannt.

Ethel wendete das Schriftstück in ihren Händen, bevor sie es ihm reichte. "Es ist eine Einladung."

Arthu überflog die Zeilen. Sie luden das Königspaar und ihre Begleitschaft in ihr Königreich ein.

"Warum wollen sie auf einmal Kontakt?", stellte Merlin die entscheidende Frage. "Nach all der Zeit, warum ausgerechnet jetzt? Was erhoffen sie sich von einem Treffen? Was wollen sie?"

"Im besten Fall Frieden, im Schlimmsten Krieg." Die Königin schob die Finger ineinander. "Über die andern Fragen haben wir bereits spekuliert. Und sind auf einige mögliche Antworten gestoßen."

"Vieles hat sich verändert, auf dieser Seite Albions", meinte Gaius. "Nun, das Land geeint ist, ergeben sich in ihren Politiken sicherlich neue Perspektiven."

Sir Lancelot fand Arthurs Blick. "Vielleicht fürchten sie uns. Haben Angst vor einem Angriff. Jetzt, da wir unsere Kräfte nicht mehr damit verschwenden, uns gegenseitig zu bekämpfen."

"Oder sie möchten Handel betreiben", meinte Gwen. "Sehen unsere Seite jetzt als stabilen Handelspartner und möchten Verträge aufsetzen. Man sagt, Ieron sei ein wohlhabendes Land, eine Allianz würde uns sicher guttun."

"Oder sie planen selbst einen Angriff", warf Sir Leon ein.

"Wissen wir um ihre Truppenstärke?", fragte Arthur.

"Nein Sire." Leon schüttelte den Kopf. "Wir haben keine Ahnung."

Arthur stützte den Kopf in die Hände. "Es gibt nur einen Weg, unsere Fragen zu beantworten."

Er konnte das Lächeln in der Stimme der Königin hören. "Wir nehmen die Einladung an."


 

A Tale of Trust and Treason (BBC MERLIN Fanfiction) [Pausiert]Donde viven las historias. Descúbrelo ahora