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Drei Tage waren vergangen. Drei Tage, seit dem sie Gwaines Körper in das Hinterzimmer der Kapitänin gebettet hatten. Drei Tage, die dieser schreckliche Regen nun schon anhielt. Ihr Schiff saß im Auge des Sturms. Während um sie herum das Unwetter wütete, traf außer dem Nebel und dem Sprühwasser, das von dem Meer bis auf das Schiff hinaufspritzte, kein Tropfen auf das Deck.

Arthur saß auf den Stufen zum Oberdeck, das Gesicht in Richtung des dunklen Himmels gestreckt, als das nasse Holz hinter ihm unter langsamen Schritten knarzte. Sie hielten kurz an, kamen dann näher auf ihn zu. Eine Stufe hinab, dann eine zweite, eine dritte, bis sie neben ihm anhielten. Arthur strich sich die Feuchtigkeit aus dem Gesicht und öffnete die Augen. Ethel setzte sich wortlos neben ihn, ihre Haare kräuselten sich leicht.

Sie saßen eine Weile nebeneinander. Nur das Prasseln des Regens auf das Meer und das ferne Donnergrollen zwischen ihnen. Mittlerweile klebte Arthurs Hemd an seinen Schultern und die Hose an seinen Schenkeln, so feucht war die Luft. Ein Schaudern durchzog ihn. Er spürte die Kälte kaum.

"Ich habe noch einmal mit Sheridan gesprochen", durchbrach Ethel die Stille zwischen ihnen.

Arthurs Augen fixierten einen Punkt auf den Holzplanken vor seinen Fußen, sein Blick verschwommen und leer. "Du hast ihre Meinung hoffentlich ändern können?"

"Leider nein. Sie wird nicht ablegen, solange dieser Sturm..." Ihre Stimme brach ab.

Sie hatten Sheridan mehrmals zu überzeugen versucht, die Heimreise anzutreten. Es ihr befohlen, versprochen, sie mit Reichtümern zu überhäufen, sie beschworen, sie angefleht. Die Kapitänin war standhaft geblieben. Solange um sie herum der Sturm tobte, würde sie die Segel nicht setzen. Sie lagen immer noch vor Ierons Hafen, nur getrennt durch die undurchdringbare, dunkle Wetterfront. Der magische Sturm, der Arthur in Mark und Bein erschaudern ließ, wenn er nur zu lange darüber nachdachte.

"Du musst mit ihm reden."

Er fuhr sich mit den Händen durch das Gesicht. "Ich habe es probiert."

Merlin verschanzte sich in dem Hinterzimmer, in das sie Gwaine vor drei Tagen gebracht hatten. Sheridan hatte es ihnen freundlicherweise zur Verfügung gestellt, bis sie einen Weg fanden, ihren Freund angemessen zu verabschieden. Merlin wich nicht von der Seite des Bettes, starrte ihn an, als warte er nur darauf, dass er die Augen wieder aufschlug. Ließ niemanden in das Zimmer, sprach nicht, aß nicht. Arthur hatte versucht, mit ihm zu sprechen. Ihn aufzumuntern oder wütend zu machen. Hatte ihm liebe Worte ins Ohr geflüstert und ihn angeschrien, aber es half alles nichts. Er drang nicht zu ihm durch.

"Gestehst du dir ein, dass er der mächtigste Zauberer auf dieser Welt ist?"

"Das tue ich." Den Sturm hatte es dazu gar nicht gebraucht. Merlin mit seinen bloßen Händen kämpfen zu sehen, hatte gereicht. "Und es macht mir Angst."

Sie stützte den Ellenbogen auf ihr Knie, legte den Kopf in die Handfläche. "Ich dachte, du liebst ihn?"

Kurz sah er aus dem Augenwinkel zu ihr. "Manchmal macht mir das noch mehr Angst."

Er presste die Lippen zusammen. Er hatte nicht vorgehabt, so ehrlich zu sein. Nicht mit ihr. Aber Gwaines Tod hatte auch in ihn ein Loch gerissen. Eines, das nur schwer zu füllen war.

"Als er nach Camelot kam...", begann Arthur, als sie nichts erwiderte. "Das Erste, was er tat, war mich zu beleidigen." Er wandte sich an sie. "Kannst du das glauben? Ein schlaksiger Bauernjunge, der so frech ist, den Prinzen auf offener Straße zu beleidigen."

Mit einem Lächeln auf den Lippen schüttelte sie leicht den Kopf.

"Nun, daraufhin habe ich ihn fast mit einem Morgenstern erschlagen - und er hat sich mit Magie herausgewunden, habe ich gelernt. Einen Tag später rettet er mich - auch mit Zauberei - und mein Vater machte ihn zu meinem Kammerdiener. Merlin hat mir den letzten Nerv geraubt. Aber da war etwas an ihm..."

"Wer wusste damals von seinen Zauberkräften?"

"Gwaine wusste es." Er schluckte.

"Das hat er mir erzählt."

Arthur wollte gerade nicht über Gwaine sprechen. "Gaius wusste es, natürlich. Und Lancelot."

"Lancelot... Waren er und Merlin auch-"

"Ich weiß es nicht." Er zuckte mit der Schulter. "Ich habe ihn einmal danach gefragt, aber er meinte nur, ihre Schicksale wären miteinander verwebt."

"Interessante Art, es auszudrücken."

"Das könnte alles heißen."

"Kann es das?"

"Hör auf. Gwen hat es auch vermutet. Ansonsten? Niemand."

"Nicht einmal du?"

"Nein." Er schüttelte den Kopf. Vielleicht hatte er es schon vermutet, aber nie sehen wollen. "Er hat es mir erst einige Zeit nachdem wir den Bann gegen Zauberei gehoben haben erzählt."

Sie schwieg einen Moment. "Wie lange ging das schon mit euch, wenn ich fragen darf?"

"Du darfst. Es... hat alles erst kurz vor dem Krieg angefangen."
"Also war es noch sehr frisch, als...."

"Ja."

Eine Hand legte sich sanft auf seine Schulter. "Es tut mir leid."

Sie sah ehrlich aus.

Die Berührung verschwand. "Merlin... er mag mich nicht. Ganz so, als befürchte er, ich würde mich zwischen euch stellen."

"Du hast dich zwischen uns gestellt."

Sie neigte den Kopf. "Hat er damals wirklich geglaubt, du würdest ihm mir vorziehen?"

Arthur überlegte einen Moment. "Nein. Aber er hat es gehofft."

"Hoffnung ist gefährlich." Ihr Blick schweifte in die Ferne.

"Hoffnung ist das, was uns am Leben hält."



Arthur zögerte einen Moment, als er vor dem Raum stand, den Merlin seit Tagen nicht mehr verlassen hatte. Überlegte, ob er anklopfen sollte. Entschied sich dagegen, denn Merlin klopfte nie, bevor er einen Raum betrat.

"Merlin."

Merlin blickte kurz auf, Gold blitzte durch seine sonst blauen Augen.

"Merlin", sagte er wieder, weicher, als er den Schmerz und die Müdigkeit darin sah. Die Blässe in seinem Gesicht, die gekrümmte Position in der er saß, die Hände auf der Brust ihres Freundes liegend.

Arthur trat langsam zu ihm, zog sich einen Stuhl heran und setzte sich neben Merlin. Er war nah genug, um die Worte zu hören, die er vor sich hin murmelte, in einer Sprache, die Arthur nicht verstand, und die Magie golden in seinen erschöpften Augen schimmern zu sehen. Sanft legte er seine Hand auf Merlins Unterarm.

"Nicht jetzt. Ich kann nicht zulassen, dass du mich ablenkst." Merlins Blick hing immer noch fest an Gwaine.

Immerhin sprach er. Arthurs Daumen kreiste über den Stoff von Merlins Ärmel. "Wovon?"

"Ich muss - Er-", Merlin atmete tief durch, "Er ist noch hier. Ich kann ihn spüren. Er ist noch da. Ich-"

Arthur umschloss Merlins zitternde Finger mit seinen. Sie waren kalt wie Eis in seiner Hand. "Lass ihn gehen."

"Ich kann nicht. Er kann nicht- Wir brauchen ihn. Ich brauche ihn. Unser - Dein Schicksal - Albions Schicksal-"
"Merlin." Der Ton in Arthurs Stimme ließ ihn verstummen und endlich aufsehen. "Ich habe einen meiner besten Männer verloren. Meinen Freund." Er drückte Merlins Hände ein wenig fester. "Ich kann dich nicht auch noch verlieren. Lass ihn gehen. Für mich."

Endlich konnte er Merlins Hände von Gwaines Brust heben, als er in sich zusammensank. Arthur meinte, er konnte Gwaines Seele durch ihre Finger gleiten fühlen, und es jagte ihm einen Schauer über den Rücken. Er legte seine Arme um Merlin, der gegen seine Brust lehnte, wischte ihm eine der stummen Tränen von der Wange und legte das Kinn auf seinen Scheitel. Wie gerne wollte er ihm sagen, dass alles gut werden würde, alles nicht so schlimm ist, alles einen Sinn hat? Aber gerade fehlte ihm die Kraft für solche Worte. Sonst war es immer Merlin, der sie sprach. Merlin, der immer schon viel stärker war, als Arthur ihm zugestanden hatte.

Also hielt Arthur ihn einfach im Arm und hoffte, dass es genug war.

A Tale of Trust and Treason (BBC MERLIN Fanfiction) [Pausiert]Where stories live. Discover now