Kapitel 21

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Die Fahrt war sehr lang, aber schließlich haben wir eine wunderschöne Landschaft erreicht. Grüne Mischwälder, klare Seen, Berge mit Wasserfällen. Schließlich sind wir in die Berge gefahren.

Ein prächtiges Gebäude von der Farbe der Steine um uns herum thront zwischen den zerklüfteten Felsen. Bergziegen hüpfen auf den kleinen Vorsprüngen herum und zeigen eine überraschende Trittsicherheit. Pumas springen meterweit von Fels zu Fels oder liegen schnurrend beieinander. Falken und Steinadler fliegen umher, Echsen krabbeln herum oder sonnen sich auf den warmen Felsen. Bären und Luchse liegen herum, Murmeltiere quieken aus Erdlöchern. Als wir aussteigen, kommen viele dieser Tiere zu uns und als sie alle bei uns sind, verwandelt sich ein Tier nach dem anderen in einen Menschen. Es gibt noch mehr! Ich dachte immer, dass ich allein wäre.

,,Hallo!“
,,Wie heißt du?“
,,Was ist dein Grundtier?“
,,In welches Fabelwesen hast du dich verwandelt?“
,,Ist sie der Drache aus San Francisco?“
,,Wie war die Fahrt?“
,,Wer ist das Mädchen neben ihr?“
,,Sie sieht gruselig aus!“
,,Schh! Sie guckt!“

Das Stimmengewirr stirbt ab, als die Schulleitung laut um Ruhe bittet. ,,Y/n und Wednesday werden auf ein Zimmer gebracht und dürfen eine Weile ihre Ruhe haben. Später wird noch genug Zeit sein, um Fragen zu stellen. Naomi, wirst du sie bitte begleiten?“ Ein Mädchen in unserem Alter tritt vor. Sie hat Sommersprossen, eine kleine Nase und wirre Haare. Ihre Naselnussbraunen Augen werden von einer kreisrunden Brille umrahmt. Sie hat etwas von einem Wissenschaftsnerd an sich, wirkt aber sofort sympathisch. ,,Natürlich, folgt mir.“ Mit diesen Worten geht sie voran ins Gebäude. ,,A.S.B. steht für Animal Soul Bourding school, aber inzwischen sind hier auch Magier, Gorgonen, Mumien, Zombies, Sirenen, Werwölfe und viele mehr zu Hause. Es ist echt lustig. Schaut, dort drüben stehen Zombies und Vampire zusammen. Ich rate euch, nicht zu starren. Lenora und ihre Gang sind echt gemein. Ich führe euch zu eurem Zimmer.“ Naomi ist aufgeweckt und fröhlich, irgendwie erinnert sie an Enid. Ein Blick mit Wednesday genügt um zu wissen, dass sie das gleiche denkt. Sie schmunzelt leicht und ich unterdrücke kurz ein Kichern.

Naomi erzählt noch einiges mehr und als wir an einer Zimmertür sind, fragt sie: ,,Sonst noch irgendwelche Fragen?“ ,,Ähm, ja. Vorhin wurde etwas von Grundtier und Fabelwesen gesagt. Könntest du das noch erklären?“ ,,Ach so, das. Ich denke, Ryder kann dir das besser erklären. Er ist in der Bibliothek. Zweiter Stock, ganz am Ende vom Gang. Du wirst dlsie erkennen. Und vertrau mir“, sagt sie augenrollend und grinsend, ,,er ist immer in der Bibliothek.“ ,,Danke.“ ,,Keine Ursache. Ich bin draußen, wenn du mich brauchst.“ Ich nicke, dann geht sie uns wir betreten das Zimmer. Es hat zwei Betten an jeweils gegenüberliegenden Wänden und die Wand gegenüber der Tür hat eine große verglaste Tür, die auf einen Balkon führt. Das Glas gibt den Blick auf eine wunderschöne, unberührte Landschaft frei. Das Zimmer ist an den Kanten und Ecken dunkel, mittig ist es sehr hell. Schränke und Kommoden stehen in extra eingelassenen Nischen an den Wänden und in der Mitte des Raumes liegt ein großer grauer, weicher Teppich. Über den Schreibtischen sind Pinnwände und Laptops stehen auf den Tischen. Ich liebe dieses Zimmer. ,,Wow.“ sagt Wednesday. ,,Nevermore hat nie eine solche Ausstattung zur Verfügung gestellt.“ ,,Dafür hatten die Zimmer ihr eigenes Bad.“ ,,Ich fand das immer unnötig. Hier ist es besser. Den Gang runter sind die Toiletten, ich hab's gesehen.“ meint Wednesday. Ich nicke.

,,Wieso musstest du eigentlich mitkommen?“ Sie zuckt die Achseln. ,,Vielleicht weil ich bei deiner Verwandlung dabei war und das irgendeine Wichtigkeit hat. Was weiß ich.“

Eine halbe Stunde lang richten wir uns ein, dann besuchen wir Ryder in der Bibliothek. Unterwegs sehen wir fremde Gestalten, gesichtslose Mumien mit grün leuchtenden Augen, Zombies mit grünlicher Haut und grotesk verdrehten Körperteilen die sich über etwas schlapplachen, Werwölfe mit strubbeligen Haaren und Fangzähnen, ganz in Schwarz gekleidete Vampire und zahlreiche Tiere. Von Oppossums über Singvögel, Schlangen, Gazellen, Löwen und Okapis zu Fabelwesen wie Greifen oder Phönixen. Eine Gruppe Jugendlicher, gekleidet in Roben, murmelt im Chor irgendwelche Verse. Zauberer.

Die Bibliothek ist wirklich nicht zu verfehlen, die große dunkle Doppeltür hebt sich von den normalen Klassenraumtüren ab. Diese Bibliothek sieht anders aus als in der Nevermore. Heller, sauberer, mehr Schüler - die auch wirklich lernen und nicht knutschen.
Ein Junge kommt auf uns zu. ,,Seid ihr die Neuen? Ich bin Ryder. Naomi meinte, ihr würdet mich besuchen um ein paar Fragen zu stellen.“ ,,Ja genau. Ich bin y/n.“ Er gibt mir die Hand. Sie ist heiß wie Feuer. Er will auch Wednesday die Hand geben, aber sie verschränkt die Arme vor der Brust und tut so, als würde er nicht existieren. Er zuckt die Achseln. ,,Was wolltet ihr denn wissen?“
Wednesday stupst mich an und nickt auf eines der Bücherregale. Sie will wohl lesen. Ich sehe ihr kurz nach, während sie weggeht, dann widme ich mich Ryder. ,,Ich wollte etwas über Grundtier und Fabelwesen wissen. Also, was damit gemeint ist.“ ,,Ryder grinst. ,,Klar, komm mit.“ Er führt mich zu einem Regal mit Büchern über Gestaltwandler. ,,Hier. Grundtiere und was man darüber wissen sollte.“ Er schlägt eine Seite in der Mitte auf.

,,Jeder Gestaltwandler hat ein Grundtier. Es sind bisher fünf verschiedene aufgezeichnet.
Der Wolf
Der Tiger
Die Antilope
Der Steinadler
Die Schlange“

,,Vermutungen sagen, dass es noch unregistrierte Grundtiere gibt. Aber das sind bisher die einzigen“, erklärt Ryder. ,,Und woran erkennt man, welches das eigene Grundtier ist?“ ,,Das Grundtier ist das Tier, in das du dich als erstes verwandelt hast.“ ,,Ich verstehe. Bei mir ist es dann der Wolf.“ ,,Toll. Ich habe auch den Wolf“, meint er grinsend. Dann fährt er fort.
,,Du wolltest noch wissen, was es mit dem Fabelwesen auf sich hat. Nun ... Diese Verwandlung tritt häufig in unserem Alter auf. In Kombination mit starken körperlichen Schmerzen verwandelt man sich in ein Fabelwesen. Aufgelistet sind Basiliken, Drachen, Einhörner, Greife - so einer bin ich - und Mantikore. Warst du der Drache aus San Francisco?“ fragt er schließlich. ,,Ähm ... Ja.“ Wieder diese Schuldgefühle. Ich habe die Stadt zerstört ...
,,Das war echt cool. Es gibt selten solch große Verwandlungen, das war beeindruckend.“ ,,Echt?“ Eine Sekunde lang fühle ich Stolz. ,,Ja. Und Drachen sind ohnehin selten. Es macht mich stolz, dich kennenlernen zu dürfen“, sagt er feierlich. Ich lache. ,,Ich ... Bin nicht besonders oder so, okay?“ Ryder schüttelt lächelnd den Kopf, sagt aber nichts mehr dazu. ,,War das alles, was du wissen wolltest?“ ,,Ich denke ja. Danke.“ ,,Keine Ursache. Einen schönen Tag noch - Ach, und ihr zwei seid in meinem Kurs. Morgen kommst du direkt nach draußen und deine Freundin in Raum 206.“ ,,Danke. Tschau.“ Ich schnappe mir Wednesday und wir gehen ins Zimmer.

"I see black" - Wednesday × fem. ReaderWo Geschichten leben. Entdecke jetzt