Kapitel 2

589 35 8
                                    

Das Sonnenlicht weckt mich. Ich recke mich entspannt und überlege kurz, ob ich jetzt schon aufstehen soll. Gestern war Freitag, es ist also keine Schule. Wieso sollte ich so früh aufstehen? Andererseits könnte ich einen guten Eindruck machen, wenn ich früh aufstehen und in der Cafeteria auftauche. Miss Weems wird das sicher gutheißen. Jedoch ist es so, dass dieses Bett ungeheuer bequem ist und ich sowieso keinen Hunger verspüre. Wieso sollte ich dann aufstehen, um in die Cafeteria zu gehen? Das macht keinen Sinn. Aber ich kann jetzt auch nicht liegenbleiben, oder? Das wäre echt ein mieser erster Eindruck für meine Mitbewohnerin. Peinlich! Nein, ich stehe auf!

Ich schwinge mich aus dem überaus gemütlichen Bett und stakse in das Bad, mache mich frisch und irgendeinen Wirren Zopf. Was soll's? Ich schaue im Zimmer nach Wednesday, aber sie ist nicht da. Ist vielleicht auch besser so, fürs erste. Dann habe ich noch kurz meine Ruhe, bis sie mir die Schule zeigen muss. Ich setze mich wieder an den Schreibtisch, höre Musik und zeichne. Das ist zur Zeit ein großes Hobby von mir. Die Zeichnungen sehen nie perfekt aus, aber es beruhigt mich und ich muss an nichts denken. Und Morgens früh kann ich sowieso noch nicht denken.

Ein altes Sprichwort meines Vaters war immer: Wenn du dich so richtig vor etwas fürchtest, dich zu Tode erschreckst, dann schreist du nicht. Du spürst es bloß mit jeder Faser deines Körpers. Genau das ist gerade mir passiert. Ich habe mich nur umgedreht und schon wieder sind da diese dunklen smokey eyes gewesen, die einem direkt in die Seele zu schauen scheinen.
Mein Herz stolpert vor Schreck und eine Hitzewelle, ausgelöst durch Angst, durchströmt meinen Körper wie eine Flutwelle. ,,Wie lange stehst du schon hinter mir?“ frage ich sie, als ich meine Stimme wiedergefunden habe. ,,Lange genug. Ich zeige dir nicht die Schule, dafür deine Vorgängerin-“ ,,Hallo, ich bin Enid Sinclair.“ Ein Blondes Mädchen mit pink und blau gefärbten Strähnen tritt hinter ihr hervor. Sie hat meerblaue Augen und sieht sehr freundlich aus. Anders als Wednesday, die gruselig und übermüdet wirkt. Ihre Uniform ist auch nicht blau, so wie die der anderen, sie ist schwarz. So wie alles von Wednesday.
Ich reiche Enid die Hand und stelle auch mich vor. ,,Y/y n/n.“ ,,Komm mit, ich zeige dir die Schule.“ Ich folge Enid nach draußen und während wir durch die Gänge wandern, erzählt sie mir so einiges über die Geschichte der Schule.
Irgendwann nach der Tour sitzen wir in der Cafeteria. Inzwischen habe ich Hunger bekommen und wir essen gemütlich Mittag. ,,Hast du einen Insta-, Snapchat- oder TikTok -Account?“ ,,Klar, aber wieso brauchst du den?“ ,,Ich bin so die gefühlte Nummer eins im Nevermore Klatsch. Ich folge der halben Schule.“ ,,Interessant, aber was willst du denn über mich verbreiten?“ ,,Ach, vorerst gar nichts, ist so ne Art Instinkt, dass ich allen folgen will, weißt du?“ Etwas widerwillig gebe ich Enid meine Accountnamen, aber ich werde aufpassen, was sie posten wird.
Später geht Enid wieder, auch ich verschwinde zurück in Ophelia Hall. Wednesday schreibt wieder an der Maschine und das Hämmern dröhnt laut in den Ohren. ,,Wie war die Führung?“ fragt sie. Ihre Stimme ist kühl und emotionslos. Sie wirkt eher desinteressiert. ,,Gut,“ sage ich deshalb. ,,Enid weiß so einiges über diese Schule. Sie hat mir auch von letztem Jahr erzählt. Beeindruckend, was du alles geschafft hast.“ Meine Stimme klingt tatsächlich unbeeindruckter, als ich bin, aber das ist normal schon seit Wochen. Ich bin etwas emotionsloser geworden, nicht mehr ganz das glückliche Töchterchen der liebenden Eltern. Ich habe mich in mich selbst zurückgezogen.
Wednesday antwortet nicht. Habe ich vielleicht wirklich die falsche Betonung gehabt? Ist es ihr unangenehm? Sollte ich mich entschuldigen? Nein. Ich belasse es dabei und werde im Wald spazieren gehen. Genau. Da ist es ruhig und ich muss mich nicht mit unheimlichen Mitbewohnerinnen herumschlagen.

Der Wald neben der Schule ist wirklich schön, es ist warm und schattig wegen den vielen Blättern, die das Sonnenlicht abblocken.
Allgemein betrachtet mag ich Helligkeit nicht so sehr, aber das ändert nichts an der Friedlichkeit des Waldes. Ein paar Vögel zwitschern, gut verborgen in dem dicht belaubten Blätterdach. Der weiche Boden federt angenehm und ich kann in Ruhe über die Dinge nachdenken. Meine neue Mitbewohnerin beunruhigt mich sehr. Dieses hübsche Mädchen ist sehr gruselig und ich wäre nicht überrascht, wenn sie mich im Schlaf irgendwann mal erdolchen würde. Was für eine kreative Art, zu sterben...

Etwa 1½ Stunden bleibe ich noch im Wald, dann gehe ich zurück und vertreibe mir im Zimmer die Zeit mit Zeichnen.


FunFact: Gestern war wirklich Freitag:D Das habe ich absichtlich geschrieben, um den Tag des Starts der Geschichte in Erinnerung zu behalten :P

"I see black" - Wednesday × fem. ReaderWhere stories live. Discover now