Kapitel 21

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In den nächsten Wochen nahm ich meine Arbeit bei Eleanor wieder auf, die sich sehr über meine Rückkehr freute. Will fand die Idee, dass ich als Luna in einem Café jobbte, zwar nicht passend, aber sagte nichts. Ich liebte meinen Job dort und auch Dina hatte wieder bessere Laune. Meine Einführung bei der Ratssitzung als Luna verlief zum Glück reibungslos, auch wenn ich mir einige böse Blicke von den anderen Wölfen meines Alters einfing. Ganz besonders Serena, die sich Will an den Hals geworfen hatte, warf mir finstere Blicke zu. Dennoch schwor mir das ganze Rudel Treue und Schutz. Und als ich mit Felix und Fynn meinen letzten Umzugskarton in Will's Haus brachte fühlte ich mich endlich Zuhause angekommen.

„Hey, sei nicht so fies!", rief Dina lachend und schleuderte mir den feuchten Thekenlappen entgegen. Ich wich geschickt aus und trank einen Schluck von meinem Kaffee. Dina schlürfte gerade genüsslich ihren Kürbis-Kaffee und schwärmte von einem Kleid, dass sie im Laden gegenüber gesehen hatte. Ich hatte sie mit ihrem Hipster-Getränk aufgezogen und jetzt rümpfte sie die Nase.
„Immerhin kann ich wieder Kaffee trinken", sagte sie und machte sich daran ihre Schürze umzubinden, um ihre Schicht zu starten.
„Wie meinst du das?", fragte ich. Dina zuckte mit den Schultern.
„Ach, alles gut. Es hat nur leider nicht geklappt. Naja du weißt schon.", antwortete sie. Ich stand auf dem Schlauch und guckte offenbar auch ziemlich planlos.
„Wir haben's doch gleich versucht." Sie senkte ihre Stimme. „Mit der Verpaarung."
Ah, stimmt. Ich nickte und schaltete.
„Beim nächsten Mal klappt es bestimmt.", versicherte ich ihr. Plötzlich kicherte sie.
„Oder es dauert noch eine Weile.", grinste sie. „Jace hat seine Mutter in die Schranken gewiesen. Und ich nehm jetzt die Pille." Ich lächelte. Das war richtig so, Dina war viel zu jung für Welpen.
„Ich freue ich, dass du glücklich bist, Dina.", sagte ich, gab ihr einen kurzen Kuss auf die Wange und machte mich auf den Weg nach Hause.

Mittlerweile stand der Wald in herbstlichen Rot- und Brauntönen und es wehte ein kräftiger Wind. Ich begann den Anstieg zur Siedlung, doch kam schon nach wenigen Kilometern aus der Puste. Was war los? Ich holte tief Luft und stütze mich mit beiden Armen auf den Beinen ab. Ich hatte einfach zu wenig gegessen in den letzten Tagen. Irgendwie musste ich mir etwas eingefangen haben, nichts schmeckte mir richtig. Ich ging weiter und dachte wieder über Dina und Jace nach. Es war vernünftig von ihr, die Pille zu nehmen. Die wirkte zwar nicht für den Wolf, aber sicherte immerhin die menschlichen Freuden. Die Pille. Ich blieb abrupt stehen, als wäre ich gehen eine unsichtbare Wand gelaufen. Ich hatte meine letzte Pille vor meinem überhasteten Aufbruch genommen und seither völlig vergessen mir ein neues Rezept geben zu lassen. Aber in meiner Zeit als Wolf hatte ich die Pille natürlich nicht genommen. Die Nacht auf dem Waldboden kam mir in Erinnerung. Nein, das konnte nicht sein! Meine Gedanken rasten und rechneten. Mein Atem wurde schneller und flacher. Oh, Göttin. Was hatte ich mir nur bei meinem Überfall gedacht? Du hast gar nicht gedacht, sondern geliebt, gab meine innere Wölfin zufrieden zurück. Eine Mischung von Glück und Angst überkam mich. Okay, ganz ruhig, June. Es gab nur einen Weg herauszufinden, ob meine Vermutung stimmte.
Ich machte auf dem Absatz kehrt und ging zurück in Richtung Stadt. Ich komme etwas später. J, x. Ich schickte eine kurze SMS an Will und betrat die kleine Apotheke in der Parallelstraße des Café's. Die alte Dame hinter der Theke lächelte mich an. Sie war zum Glück kein Wolf, sonst wüsste morgen das ganze Rudel über meinen Einkauf Bescheid.
„Wie kann ich Ihnen helfen, Liebes?", fragte die Apothekerin und schob ihre rahmenlose Brille ins weiße Haar.
„Hallo, ich.. ähm. Haben Sie Erkältungstee da?", fragte ich.
„Ja natürlich, einem Moment.", sagte sie und tippelte mit kleinen Schritten in den hinteren Teil des Ladens.
Schnell sah ich mich im Verkaufsraum um. Links im Regal lagen drei verschiedene Marken an Schwangerschaftstests. Wie viele brauchte man wohl? Ich zuckte die Schultern, nahm von jedem einen und legte sie auf den Tresen. Ich hörte die Dame wiederkommen. Als sie den Tee auf den Tresen neben die Schwangerschaftstest legte, sah sie mich kurz an und zog die Augenbrauen hoch. Ich räusperte mich leicht.
„Das wäre dann alles.", sagte ich.
Sie hält mich für zu jung, dachte ich. Doch ein warmer Ausdruck trat in ihr Gesicht und sie nickte.
„Alles Gute!", rief sie mir hinterher, als ich die Tür öffnete und ich warf ihr ein schmales Lächeln zu.

„June? Ist alles ok?", fragte Will und klopfte gegen die Badezimmertür. Ich saß auf dem Boden und starrte auf die Schwangerschaftstests. Ich war dreimal ziemlich eindeutig schwanger.
„June!" Will's Stimme holt mich aus meiner Trance und ich stand auf, um im Badezimmer hin und her zu laufen.
„Äh, ja. Komm nicht rein.", gab ich durch die Tür zurück und konnte spüren, wie sich Will innerlich zur Geduld mahnte. In Menschengestalt konnten wir zwar die Gedanken des anderen nicht hören, aber die Sinne waren trotzdem für die Gefühle des anderen geschärft. Auf's Stichwort sagte Will:
„Ich spüre doch, dass dich etwas beunruhigt. Sprich mit mit."
Ich seufzte. Ich musste es ihm schließlich früher oder später sagen. Wahrscheinlich würde er ohnehin gleich die Tür eintreten. Ich öffnete die Tür und sah ihn unsicher an. Sein Blick war besorgt.
„Was ist los?", fragte er und hob mein Kinn an, damit ich ihm in die Augen sah. Ich versank in seinen warmen goldenen Augen. Ich stellte mich auf die Zehenspitzen und küsste ihn. Er erwiderte meinen Kuss, aber ich konnte spüren, dass er noch auf eine Antwort wartete. Ich löste mich leicht von ihm und holte tief Luft.
„Ich bin schwanger.", platzte ich heraus und schaute ihn unsicher an.
„Was?", fragte er und seine Augen wurden groß.
Ich nickte. Ich wusste immer noch nicht, ob er das gut oder blöd fand. Will schluckte und räusperte sich.
„Wow, ich.. weiß nicht was ich sagen soll.", sagte er atemlos und und setzte sich aufs Bett.
Okay, gleich würde ich losheulen. Dann sprang er auf und war mit zwei großen Schritten bei mir. Er hob mich hoch und wirbelte mich durch die Luft.
„Das sind wirklich mit Abstand die schönsten drei Worte, die ich je gehört habe!", rief er und nahm mein Gesicht in beide Hände. Dann beugte er sich zu mir herunter und gab mir einen liebevollen Kuss.
„Ich liebe dich, Baby.", flüsterte er die schönsten drei Worte, die ich je gehört hatte.

Grey on GoldWhere stories live. Discover now