Kapitel 2

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Mein Herzschlag setzte einen Moment aus, nur um dann in der Ge-schwindigkeit eines Kolibris weiter zu schlagen. Ich hielt den Atem an, doch konnte meinen Blick nicht abwenden. Es war, als würde ich in einen Strudel aus goldbrauner Farbe hineingezogen und könnte nicht entkommen. Der Milchkaffe in der Tasse fing gefährlich an zu schwanken, als ich mit klopfendem Herzen mein Gegenüber musterte. Reiß dich zusammen, June. Das ist schließlich nicht das erste Mal, dass dir ein heißer Mann gegenüber steht.
Zugegeben, der Mann mir gegenüber sah über alle Maßen gut - nein perfekt - aus. Er war hoch gewachsen, hatte breite Schultern und unter dem schwarzen T-Shirt zeichneten sich Muskel ab, die man nur von harter körperlicher Arbeit bekam. Er sah aus als würde er oberkörperfrei und schwitzend in der Sonne Feldarbeit betreiben und nicht in einem Café irgendeinen hippen Kürbiskaffee bestellen wollen. Ich musterte das Gesicht meines Gegenüber genauer. Hohe Wangenknochen eingerahmt von dunkelbrauen Haaren und einem Dreitage-bart bildeten mit den goldenen Augen und den dichten Wimpern ein perfektes Gesicht. Dennoch blickte mir ein missmutiger Ausdruck entgegen. Ich merkte, dass ich gaffte und räusperte mich schnell.
„Hallo, was darf es für Sie sein?" fragte ich. Göttin, meine Stimme war völlig aufgedreht. Fehlt nur noch, dass ich wie eine 16-Jährige anfange zu kichern und mit den Wimpern zu klimpern. Ich spürte, wie mir die Röte ins Gesicht stieg.
„Für mich einen Kaffee, schwarz" sagte der Feldarbeiter-Typ und schaute sich bereits genervt im Laden um. Die Tratsch-Mädels hatten aufgehört zu lästern und warfen ihm schmachtende Blicke zu. Meine Güte.. ich war gerade keinen Deut besser gewesen. Innerlich ärgerte ich mich darüber, dass ein Mann mich so aus dem Konzept brachte.
„Für mich bitte einen Milchkaffee. Jace, was willst du?" fragte der Begleiter des Feldarbeiters und riss mich aus meinen Gedanken. Auch er war hochgewachsen und muskulös, wirkte aber aufgrund der blonden Haare und den blauen Augen nicht ganz so grimmig, sondern freundlicher als der große mit dem harten Gesichtsausdruck. Ohne Frage, auch er war einfach nur gutaussehend.
„Für mich bitte eine Cola", meinte der dritte Feldarbeiter-Typ im Bunde und nickte mir kurz zu. Feldarbeiter 3, der mit Namen offenbar Jace hieß, war etwas kleiner, aber dafür stämmiger als Feldarbeiter 1 und 2 und hatte ebenfalls braunes Haar und braune Augen.
„Alles klar, kommt sofort!" Erleichtert, einen Ausweg aus der Situation zu finden, schnappte ich mir schnell den Milchkaffee und brachte ihn an den Tisch eines älteren Herren, der vertieft in der Tageszeitung las. Während ich die Bestellung der drei gut aussehenden Männer bearbeitete, trat eine junge Frau in den Laden ein.
„Hallöchen!", trällerte sie und warf sich Jace unmittelbar in die Arme. „Kaufst du jetzt etwa bei anderen deine Cola?", neckte sie und zog einen Schmollmund wie ein Kind, dem man das liebste Spielzeug weggenommen hatte. Ich verzog unwillkürlich das Gesicht, bis ich merkte, dass Feldarbeiter 1 mich mit scharfem Blick musterte. Schnell schaute ich weg.
„Tja, wenn du immer zu spät kommst", lachte Jace und gab der jungen Frau einen Kuss.
„Hier bitte", unterbrach ich die beiden „das macht dann 12 Dollar."
„Stimmt so", sagte Feldarbeiter Nr. 2 und legte einen 20 Dollar-Schein auf den Tresen. Ohne weiter auf mich zu achten verließen die drei das Café, Jace nicht ohne der jungen Frau nochmal einen langen Kuss zu geben.
„Bis später, Baby", rief er, wobei Feldarbeiter 1 genervt die Augen verdrehte und die Zähne zusammenbiss.

„Hey, ich bin Dina!" stellte ich die junge Frau vor und kam sofort hinter den Tresen. „Du musst June sein."
„Hallo, ja genau. Freut mich", erwiderte ich und schüttelte ihre Hand.
Dina musste ungefähr 17 Jahre alt sein und hatte ihre braunen Haare zu einem stylischen Bob geschnitten. Sie war fast einen halben Kopf größer als ich und hatte unendlich lange Beine. „Lass dich von denen nicht ärgern, die kommen jeden Tag hierher und haben nur Blödsinn im Kopf", lachte sie.
„Blödsinn?" fragte ich. Die sehen wohl eher so aus, als ob sie zum Lachen in den Keller gehen, dachte ich. Dina zog die Augenbrauen hoch und sah mich prüfend an.
„Naja, was Männer halt so für Blödsinn treiben.. Laufen rum und führen sich unglaublich wichtig auf und sowas halt", meinte sie schulterzuckend, grinste und band sich ihre Schürze um. Also überhebliche Kontrollfreaks, fasste ich die Persönlichkeit der drei für mich zusammen.
„Ich hab gesehen, dass wir beide am Freitagabend zusammen Dienst haben, da ist der Laden hier immer besonders voll. Kennst du dich mit dem Geschäft des Barkeepers aus?", fragte Dina.
„Ja, ich habe in Dalhart schon als Barkeeper gearbeitet", gab ich zurück und hängte meine Schürze an den Haken.
„Super, als hübsches Duo werden wir bestimmt eine Menge Trinkgeld verdienen!" zwinkerte sie mir begeistert zu und kam einen Schritt auf mich zu. Dina hatte schöne grüne Augen, die katzenartig geschwungen waren und ihr etwas Geheimnisvolles verliehen. Ansonsten verströmte sie eher ein Hauch von Chaos und anstrengender Begeisterungsfreude. Ich spürte, wie sie mich abschätzend musterte. Plötzlich griff sie mich an beiden Schultern und stellte fest: „Wir beide werden Freundinnen!"
Mit diesen Worten drehte sie sich um und fing an, irgendeinen Radio-Song vor sich hin zu summen, während sie die Kaffeemaschine reinigte. „Ähm.. ja, danke", stammelte ich etwas überrumpelt hervor und nahm meinen Rücksack aus der Abseite des Tresens. „Bis morgen dann", murmelte ich und war schon halb aus der Tür, als Dina mir munter hinterher rief: „Bis später!"

Grey on GoldWhere stories live. Discover now