Kapitel 42

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>>Noch 10 Minuten, dann hab ich alle Klausuren bei mir auf dem Tisch und keine Sekunde später<< kündigte mein Geschichtsleher an und auf meiner Stirn gesellte sich eine Schweißperle zur nächsten, während ich mit zittrig verkrampfter Hand die Füllerfeder in das Papier vor mir drückte.

Auch Lily neben mir schien es nicht anders zu ergehen, sie wippte bereits seit drei Stunden mit ihrem Bein auf und ab, was mich wiederum nur nervöser machte als ich ohnehin schon war. Die Kolonien des britischen Königreiches samt verwirrender Karikatur im Anhang, gaben mir bei dieser letzten meiner Prüfungen des absoluten Rest. Bald hatte ichs geschafft, die Zeit war viel zu kurz und kroch doch elendig langsam.

>>Noch fünf!<<

Gott dieser Lehrer brachte mich um den Verstand. Wenn er jetzt gleich noch anfangen würde die Sekunden herunterzuzählen sah ich meinen Stift noch an ganz anderen Orten als friedlich ruhend und doch hektisch dahinflitzend in meiner Hand. Während ich die letzten Stunden gerade Mal 7 Seiten geschrieben hatte, brachte ich in diesen letzten Minuten noch die ganze 8. Seite zu Papier. So war das immer und auch wenn das Fazit nie ein Glanzstück gewesen war, so hatte es doch immer gereicht und mehr wollte ich hier gar nicht bewirken.

>>Und Schluss. Stifte hinlegen und ab nach vorne mit euren Meisterwerken.<< ordnete Mr Hoskins an und wir leisteten Folge. Gut die meisten jedenfalls. Manche schrieben noch weiter während sich ihre Beine schon nach vorne bewegten, um wortwörtlichen Fortschritt zu symbolisieren. >>So und bevor ihr jetzt alle abhaut und in ein paar Wochen in euer erwachsenes Leben startet, möchte ich noch ein paar Worte loswerden. Mir hat der Unterricht mit euch immer, okay fast immer, sagen wir in den meisten Fällen, gelegentlich, Spaß gemacht. Ich hoffe euch geht es genau so und ihr behaltet euer geschichtliches Interesse. Naja und auch wenn ich es nur ungern zugebe, ich denke ich werde euch vermissen.<< er schluckte kurz. >>So und jetzt macht das ihr rauskommt, genießt eure Freiheit, husch husch<< fügte er hinzu und untermalte dies mit hinaustreibenden Handbewegungen.

Ich mags kaum zugeben, aber ich hatte das Bedürfnis ihn zu umarmen für seine lieben Worte. Mein Kopf konnte nur "Nawww" denken. Ich wurde allerdings von meinen enthusiastischen Mitschülern, die scheinbar keinen Gedanken an unseren Lehrer verschwendeten, mitgerissem und von Lily nach draußen gezogen.

>>Ey wir habens geschafft! Egal jetzt wies gelaufen ist, wir sind fertig hiermit, fertig mit der Schule, wir kommen nie wieder!<< quietschte Lily neben mir.

Ich freute mich mit ihr und wir umarmten uns grinsend. Doch es dauerte nur ein paar Sekunden, da kamen auch schon die Gedanken, was ich wohl alles hier mir lassen werden würde. Mit dem Internat, in dem ich mich immer wohl gefühlt hatte, ließ ich ein Zuhause hinter mir, Charles würde weiterhin hier arbeiten und... scheiße ja und Jenny ebenfalls. Während es mich zurück nach London zog, war Jenny erst vor ein paar Monaten hier angekommen.

Ich ärgerte mich, dass diese Gedanken meine Unbeschwertheit, die ich eigentlich gerade empfinden sollte, so überschatteten. Auch Lily bemerkte meinen Gefühlsumschwung.

Mit fragender Sorgenfalte sah sie mich an. >>Hey, was ist los Zoe Süße, ich mach mir Sorgen um dich. Früher warst du sorgenloser. Was geht dir durch den Kopf?<<

>>Naja meinst du das mit Jenny und mir sird halten, wenn ich jetzt weggehe? Halten wir das aus?<< sagte ich leise und bekam einen Kloß im Hals.

>>Ich meine das nicht nur, ich bin überzeugt. Ihr habt den Part der schwersten Bedingunge ja schon so gut wie bewältigt. Jetzt müsst ihr es zwar nur noch Charles und euren Familien beibringen, aber immerhin dürft ihr das nach der Zeugnisvergabe auch offiziell. Theoretisch ja schon beim Ball selbst, was zwar komisch wäre und vielleicht zwischenmenschliche Konsequenzen haben würde, aber keine rechtlichen, weil niemand kann was beweisen. Vielleicht habt ihr euch ja mein Ball verliebt, wer weiß das schon. Egal, ich schweife ab. Natürlich könnt ihr das schaffen. Ihr seht euch doch an den Wochenenden wenn ihr das wollt, außerdem könnt ihr jederzeit telefonieren und vielleicht findet Jenny ja eine Stelle in London. Also falls sie weg möchte, das weiß ich natürlich nicht, aber auch diese Phase werdet ihr überstehen. Behalte das große Ziel, was wäre das?<< schloss Lily fragend ab und brachte mich hoffnungsvoll ins Grübeln.

>>Hm. Mmm. Gute Frage. Vielleicht antsorte ich das jetzt nur, weil ich ich noch immer liebestrunken bin und naiv, dass wir ein Leben lang zusammen bleiben, aber das wäre mein größter Wunsch. Ich möchte sie für immer bei mir haben, mit ihr in ein Haus ziehen, auf der Gartenbank sitzend alt werden, ich möchte sie heiraten, ich möchte für immer ihre Gedanken mitgeteilt bekommen, ich möchte sie küssen können wann ich will, für sie da sein... ich möchte, dass wir unser Leben lang ein Team sind.<< ich seufzte träumerisch lächelnd und mir rann eine Träne über die Wange während sich mein Herz schwer, leicht und warm zugleich anfühlte.

>>Das wirst du alles bekommen, da glaube ich fest dran.<< sagte Lily sanft, nahm mein Gesicht in ihre Hände und küsste freundschaftlich meine Stirn und meine Wange, um mich aufzumuntern.

Als hätte sie es gerochen erschien plötzlich einige Meter von uns Jenny mit einem Stapel Ordner auf dem Arm in meinem Sichtfeld. Erst schaute sie kritisch beobachtend herüber, dann erkannte sie wohl dass es Lily war die mich so liebevoll behandelte und schaute mich erleichtert an, bis sie dann meine Tränen entdeckte und sofort die gleiche sorgenvolle Mine annahm, wie Lily zuvor. Sichtlich hin und hergerissen überlegte sie, ob sie zu mir kommen oder doch lieber stehen bleiben sollte.

>>Alles gut?<< formte Jenny mit den Lippen und ich nickte daraufhin schwach.

Eigentlich war ja auch alles gut, ich musste nur mit meinen der Angst entspringenden Gedanken alles verkomplizieren.
Jenny nickte langsam und bedeutete mir mit einer unauffälligen Kopfbewegung gleich zu ihr ins Apartement zu kommen. Ich lächelte daraufhin, sie drehte um und ging.

Lily und ich beschlossen aufs Zimmer zu gehen und dann dort zu überlegen, was wir die nächsten Tage bis zur Zeugnisvergabe und dem Ball mit unser Freizeit anstellen könnten. Nach einiger Zeit stieß auch Melissa dazu und wir redeten und lachten endlich malwieder ausgelassen, ohne Schulstress oder sonstigen Ärger.

>>Ich bin ja so froh diese Schwachköpfe rund um George nach dem Ball nicht mehr wiedersehen zu müssen, die hatten wahrscheinlich schon Schwierigkeiten ihren Namen richtig auf den Klausurbogen zu schreiben. Ave Maria<< schnaufte Melissa und faltete die Hände zum Gebet.

>>Pass auf!<< lachte Lily. >>Beschwör es nicht, nachher wird der noch dein Vorgesetzter in irgendeiner Firma.<<

>>Das wäre ja mal so ein Karma Schlag<< stimmte ich mit ein. >>Aber ich glaube dafür ist der Herr ein wenig zu heftig vom Geburtstisch gepurzelt.<<

Beide lachten. >>Naja, auch ein blindes Huhn...<< setzte Lily an und blickte zu Melissa.
>>... findet mal ein Korn<< vervollständigte sie Lilys Satz.

>>Er würde sich selbst daran verschlucken.<< rollte Lily mit den Augen.

Das war zu viel für uns und wir bekamen uns vor Lachen nicht mehr ein.

>>Übrigens ich hab tolle Nachrichten. Ted kommt mit mir nach Hause und wir wollen zusammen wohnen, er macht seine Ausbildung weiter, aber in einem anderen Betrieb und ich werde studieren. In ein paar Jahren kommen wir dann zurück und übernehmen das Grundstück seiner Eltern. Ist das nicht toll! So süß, dass er mitkommt, ich hatte schon Sorge jetzt eine Fernbeziehung führen zu müssen. Gott wäre das ätzend. Bei dir geht das ja noch mit der Entfernung Lily und du Zoe musst dir da ja eh keine Gedanken drüber machen. Stimmts Leute?<<

Nach einem vorsichtigen Blick in meine Rochtung, setzte Lily dann zu einer Antwort an. >>Ach das freut mich so sehr für dich! Ihr seid auch so ein süßes Paar, wie könnte man euch nur trennen. Aber ich bin mir sicher, dass auch eine Fernbeziehung über einen gewissen Zeitraum gut möglich ist.<<

>>Ja das stimmt! Aber so ists schon schön.<< meinte Melissa. >>Und ihr müsst mir versprechen, dass wir in Kontakt bleiben. Alle paar Wochen will ich euch, sehen, fühlen, hören, vielleicht auch riechen, aber nur vielleicht.<< wieder lachten wir und nickten als Zeichen unseres Einverständnisses.

Plötzlich klopfte es an der Türe und ohne eine Antwort abzuwarten steckte Charles seinen Kopf zur Tür rein. Eine weitere sorgenvolle Mine blickte uns entgegen.

>>Ey, Mr Thompson, ich hätte anckt sein können.<< beschwerte Melissa sich.

>>Bist du aber nicht. Zoe, kann ich dich kurz sprechen?<< fragte er monoton.

>>Klar<< antwortete ich.

>>Nicht hier.<<

Thoughts - Wenn die Liebe anders denkt (gxt) (GirlxTeacher)Where stories live. Discover now