𝟜𝟛. 𝔸𝕡𝕣𝕚𝕝, 𝔸𝕡𝕣𝕚𝕝

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Der erste April war angebrochen. Ich las mir noch einmal die Nachrichten in meinem Klassenchat durch, um mir den Plan in Erinnerung zu rufen. Jedes Jahr am ersten April tauschte mein Jahrgang mit einem anderen Jahrgang den Unterricht. Wir versuchten, es heimlich zu machen. Manche Lehrer bemerkten einen solchen Wechsel tatsächlich nicht, andere jedoch schnauzten uns an. Für den heutigen Tag hatten wir uns die elften Klassen ausgesucht und mit den Schülern alles besprochen. Mein Kurs würde in den ersten beiden Stunden bei Frau Ätzendort Unterricht haben.

Ich verabschiedete mich von Maike und lief dann zu dem Chemieraum. Die meisten aus meinem Kurs standen vor dem Raum und unterhielten sich erheitert. Ich gesellte mich zu ihnen und lehnte mich an die Wand hinter mir. Als Toni den Flur betrat, wurde mir mulmig zumute. Hätte ich mich schon mit ihm ausgesprochen, könnte das ein lustiger Tag werden. Noch hatte ich die Möglichkeit dazu.

Wie jeden Tag entschuldigte sich Toni bei mir, doch ich schaute nicht einmal auf. Ich studierte nur seine Schuhe. Als Frau Ätzendort den Raum aufschloss, strömten die anderen in den Raum. Ich zückte aber mein Handy, um wieder einmal durch Michael_van_Lustigs Beiträge zu scrollen. Warum fand ich die Idee mit dem van so kreativ?

Ich stellte fest, dass Toni einen neuen Beitrag hochgeladen hatte und klickte ihn an. Er hatte ein schlichtes Foto von mir geschossen. Ich saß auf meinem Moped, hielt ein Bein fest und stützte meinen Kopf auf dem Knie ab. Ich fixierte keinen Punkt, sondern schaute in die Ferne. Als ich genauer hinsah, bemerkte ich, dass Toni das Bild selbst gemalt hatte. Es sah unglaublich aus. Er hatte mich genau getroffen. Besonders meine Locken hatte er so definiert und detailreich gemalt, dass sie sehr echt aussahen.

»Wow«, brachte ich heraus. Dann scrollte ich zu dem Text, der darunter stand.

Vielleicht wirst du das lesen, Michael_van_Lustig, vielleicht auch nicht. Allerdings hoffe ich sehr, dass du diesen Post siehst.

Ich habe dir schon einhundertdreiundzwanzigmal das gesagt, was ich dir jetzt auch sagen werde: Es tut mir leid. Und ich meine das wirklich ernst. Das ist nicht nur einfach so dahingesagt.

In den letzten Wochen habe ich tatsächlich angefangen, dich zu mögen, ob du es glaubst oder nicht.

Was kann ich tun, damit du mir verzeihst? Ich wollte unsere Beziehung nie zerstören.

Das Bild mag für euch ganz normal und einfach erscheinen, für mich ist es perfekt, denn du bist da drauf zu sehen und du bist nahezu perfekt, denn du hast Macken und Fehler, aber du bist auch ein so liebenswürdiger Mensch. Ich bin froh und dankbar, dich kennengelernt zu haben.

PS. Für meine Follower: Ich liebe Tee.

Darunter hatte er mich verlinkt. Neugierig klickte ich auf die Kommentare.

Ich folge diesem Account schon von Anfang an und ich wusste sofort, dass mehr zwischen euch entstehen könnte. Nun bin ich mir sicher. Du vermisst diesen Michael_van_Lustig und flehst ihn an, dass er dir verzeiht, obwohl du ihn vorher »gehasst« hasst. Ich finde es süß. Hoffentlich verzeiht er dir ;)

Ich wollte mir gerade den nächsten Kommentar durchlesen, als ich unterbrochen wurde.

»Der Unterricht beginnt gleich. Was hast du hier zu suchen?«, fragte Frau Ätzendort.

»Ich bin ja schon weg«, sagte ich und eilte in den Chemieraum. Neben Toni war noch ein Platz frei, also setzte ich mich, ohne groß darüber nachzudenken, zu ihm.

»Irgendetwas ist hier falsch. Sitzt ihr anders?«, fragte Frau Ätzendort.

Niemand antwortete.

»Na gut, dann beginnen wir.«

𝔻𝔼ℝ 𝕀𝔻𝕀𝕆𝕋 𝕌ℕ𝔻 𝕀ℂℍWhere stories live. Discover now