12. Kapitel

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"Ich mach es."

Meine eigene Stimme hörte sich in meinen Ohren fremd an. Genauso fühlte ich mich auch. Aber diese Antwort war das einzig logische, was ich tun konnte. Ich war die Einzige, die drei unschuldige Kinder retten konnte. Auch wenn ich dabei mein eigenes Leben riskierte. Aber ich musste es wenigstens versuchen. 

Anscheinend war ich jedoch die einzige mit dieser Ansicht im Raum. Die Polizisten starrten mich mit kreisrunden Augen an, als ob ein Alien vor ihnen stehen würde. Mike blickte mich grimmig an. Mit diesen Reaktionen hatte ich gerechnet.

Aber am meisten tat es weh, Tilo anzusehen. Dieser saß kraftlos auf einem Stuhl und starrte in die Leere.
Wenn ich ihn so ansah, hätte ich am liebsten sofort gesagt, dass ich es doch nicht tun würde. Das ich doch nicht so wahnsinnig sein und mich Drew ausliefern würde.
Aber dann würde Mia nie freikommen. Und die beiden anderen Kinder auch nicht. Und ich war mir sicher, dass Drew nicht aufhören würde.

Warum auch immer, aber er wollte mich. Schon von Anfang an hatte er Kontakt zu mir gesucht. Die ganzen toten Kinder waren meine Schuld. Oder zumindest fühlte es sich so an.

Vielleicht hätten sie nicht sterben müssen, wenn ich anders gehandelt hätte. Insgeheim wusste ich, dass diese Gedanken Blödsinn waren. Aber sie verschwanden trotzdem nicht aus meinem Kopf.
Dieser Gedanke hatte sich zu tief eingebrannt. Ich konnte nichts dagegen tun, nur dafür sorgen, dass wenigstens die letzten drei Kinder überlebten und zurück nach Hause konnten. Zu ihren Familien und Freunden.

"Bist du dir sicher?", hakte Mike nach. "Wir von der Polizei werden natürlich bei dem Austausch dabei sein. Du wirst verkabelt und bekommst heimlich eine Waffe mit, um dich verteidigen zu können. Aber es besteht ein Restrisiko...er wird uns immer noch erpressen können. Immerhin hat er noch die drei Kinder." Seine Worte hörten sich logisch an, es wäre reiner Selbstmord das Spiel von Drew mitzuspielen. Aber es war die einzige Chance. Also nickte ich wieder. "Ich mache es trotzdem." 

Mike seufzte herzzerreißend und schickte ein paar Polizisten los, um den Austausch vorzubereiten und Drew zu informieren, dass der Austausch stattfinden würde. Ich fühlte mich einfach nur elend. Am liebsten hätte ich mich heulend in eine Ecke gesetzt. 

Aber dazu blieb mir keine Zeit. Noch bevor jemand etwas sagen konnte, betrat ein Polizist den Raum. "Er will den Austausch noch heute. Um 16 Uhr soll Mary an dieser Adresse sein." Er drückte Mike einen Zettel in die Hand. "Ohne Waffen, ohne sonstiges. Keine Tricks sonst sind die Kinder tot." teilte er uns den Rest der Nachricht mit und fühlte sich sichtlich unwohl dabei. Mein Blick huschte zur Uhr. Mir blieben noch genau zwei Stunden. 

"Das ist doch Wahnsinn!", regte Mike sich auf. "Das schaffen wir nicht...aber wir müssen...wir versuchen es wenigstens. Ich schicke dich nicht unbewaffnet zu einem Psychopathen", sagte er an mich gewandt und verschwand dann mit seinem Kollegen aus dem Raum. Zurück blieben Tilo und ich in seinem Büro. Die Stille zwischen uns wirkte erdrückend. Aber ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Es war alles so kompliziert. 

"Tu es nicht. Bitte" flüsterte Tilo irgendwann und sah traurig zu mir hoch. "Ich will dich nicht verlieren", fügte er erklärend hinzu. Ich schluckte und erwiderte seinen Blick.
"Es ist unsere einzige Chance...und Mias..." antwortete ich leise und er stand auf und schlang seine Arme um mich. 

"Ich kann dich aber nicht verlieren Mary..." nuschelte er an meinen Haaren. Ich drückte mich an ihn und fing an zu weinen. Ich wollte ihn auch nicht verlieren. Ich vermisste ihn jetzt schon, obwohl er dicht vor mir stand.

Ich klammerte mich an ihm fest, als ob das die Situation ändern würde. Aber das tat sie nicht. Der Sekundenzeiger tickte immer weiter. Meine Zeit hier mit ihm lief ab. Ich merkte, dass ich an dem Austausch zerbrach, bevor er überhaupt wirklich begonnen hatte. Aber jetzt gab es kein Zurück mehr. Dafür war es zu spät. Drew wusste schon Bescheid. Jetzt musste ich zu ihm. Auch wenn das vermutlich meinen Tod bedeuten würde. 

Sacrifice - Don't touch herWo Geschichten leben. Entdecke jetzt