11. Kapitel

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Am nächsten Morgen sprang mich der Titel der Tageszeitung quasi an. 

"Identität bekannt" prangte in großen Lettern auf der Titelseite. In dem Artikel wurde den Lesern dann mitgeteilt, dass der Entführer und Mörder der Mädchen nun endlich von der Polizei ausfindig gemacht wurde. Sein Name war Drew Anderson, 47 Jahre. Die Polizei würde nun Kontakt zu ihm aufnehmen, um die drei verbliebenen entführten Kinder freizubekommen. 

Eins dieser Kinder war Mia. Noch immer tat dieser Gedanke weh, auch wenn ihre Entführung nun schon einige Tage zurücklag. Aber noch immer machte ich mir Sorgen, noch immer wünschte ich mir, dass es nicht sie getroffen hätte. Ich wünschte mir, dass es am besten niemanden getroffen hätte, dass dieser Drew nie geboren worden wäre. Das hätte viele Probleme und viel Leid verhindert. Aber leider waren seine Eltern zu blöd zum Verhüten gewesen, leider hatte er einen so kranken Charakter, dass er kleine Kinder missbrauchte und sie anschließend umbrachte. Ich hoffte wirklich, dass die Polizei ihn stoppen konnte. Dem Albtraum endlich ein Ende setzte.

Das dieser Zeitungsartikel, der vor mir auf dem Esstisch lag, erst der Anfang des eigentlichen Plans dieses Wahnsinnigen war, konnte ich in diesem Augenblick noch nicht ahnen. 

Aber ich ahnte etwas anderes. Drew würde es nicht gefallen, dass seine Identität nun bekannt war. Das jeder seinen Namen kannte, ihn wegen dem ebenfalls abgedruckten Bild überall erkennen würde. Gehörte das auch zu seinem Plan? Wollte er dieses Mal wirklich gefunden werden? Oder war er nur unvorsichtig geworden? 

Ich wusste es nicht und würde es in den nächsten Minuten wohl auch nicht erfahren.

Aber es verwirrte mich, dass er so offensichtliche Fingerabdrücke auf unserer Haustür hinterlassen hatte. Wochenlang war er im Untergrund gewesen, konnte unerkannt alles tun was er wollte und nun lässt er sich finden?

Wenn er wirklich Kontakt mit der Mafia hat, wäre das einfach nur dumm. Er hat dort gelernt, sich unauffällig zu verhalten. Also muss es zu seinem verdammten Spiel gehören, dass nun seine Identität bekannt ist.

Aber er bringt sich dadurch selbst in Gefahr. Sein Name ist in den Akten der Polizei bereits hinterlegt. Drogengeschäfte und auch Menschenhandel werden ihm vorgeworfen, aber für nichts fanden die Behörden brauchbare Beweise.

Doch nun ist er der offizielle Mörder des getöteten Mädchens. Das passt alles nicht zusammen, obwohl dir Polizei denkt, der Lösung des Rätsels ganz nah zu sein.
Dabei sind wir weiter davon entfernt, als wir es jemals waren, da wir das Motiv immer noch nicht kennen.

Mit einer ruckartigen Bewegung schleuderte Tilo die Zeitung auf den Boden. "Ich kann diesen Kerl nicht mehr ansehen", schnaubte er und konzentrierte sich dann wieder auf seinen Kaffee. 
Gestern Nacht wurden wir irgendwann von Mike angerufen, der uns mitteilte, dass wir endlich wieder zurück in unsere Wohnung konnten. Vor der Haustür bekam ich fast eine Panikattacke, als ich daran dachte, dass hier bis vor ein paar Stunden noch Blut an der Haustür klebte. Aber jetzt war es weg, nur die Erinnerung, dass es da gewesen war, würde nie verblassen. 

"Glaubst du...glaubst du sie schaffen es jetzt?", fragte ich irgendwann, als mir die Stille zu unangenehm wurde. Tilo sah mich aus müden Augen an und ich schluckte. Die Traurigkeit in seinem Blick sprang mich an und machte mich wahnsinnig. 
"Ich hoffe es...aber ich bezweifle es", gab er dann leise zu und sah missmutig auf seine Brötchen. Meine eigenen lagen ebenfalls noch unangetastet vor mir auf dem Teller. Ich fragte mich, wann ich jemals wieder Hunger haben würde. Wenn das alles vorbei war? Aber würde es jemals vorbei sein? Könnte man so etwas vergessen? 

Seufzend stand ich auf und lief um den Tisch herum. Dabei trat ich auf die Zeitung und um genau zu sein mittig auf Drews Gesicht. Dabei fühlte ich eine gewisse Genugtuung, genau das hatte dieser Kerl verdient.

Sacrifice - Don't touch herWo Geschichten leben. Entdecke jetzt