9. Kapitel

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"Nein!" Mein eigener Schrei hallte in meinen Ohren wider.

Gleichzeitig gab Tilo ein seltsames keuchendes Geräusch von sich, da er sich von meinem Schrei erschrocken hatte.

Meine Knie gaben unter meinem Gewicht nach. Sie knickten einfach ein, als ich mir verzweifelt die Hände vor das Gesicht schlug. Garantiert wäre ich auf dem Boden gelandet, wenn mich nicht zwei starke Hände festgehalten hätten. Aber das realisierte ich gar nicht so wirklich. In meinem Kopf hatte sich das Bild von einem toten, kleinen Mädchen eingebrannt. Und von ihrem Blut an unserer Haustür. Wie konnte jemand nur so grausam sein?

Ich zitterte am ganzen Körper. Nur ganz am Rande meines Bewusstseins nahm ich wahr, dass mich jemand noch fester in den Arm nahm. Aber diese Arme waren steif und ich kam mir eher so vor, als ob ich in einen Schraubstock eingespannt wäre. Dennoch vergrub ich mein Gesicht an der Schulter, die sich sehr wie die von Tilo anfühlte. Er hatte seine Arme um mich geschlungen und drückte mich so fest wie er konnte an sich. Ich spürte seinen warmen Atem in meinen Haaren.

Es war meine Schuld. Es war unsere Schuld, dass dieses Kind tot war. Wenn wir nicht zur Polizei gegangen wären, würde sie noch leben. Würden ihre Eltern sie in den Arm nehmen können und sie zuhause ins Bett bringen. Jetzt würden sie ihre Tochter bald auf dem Friedhof besuchen.

Dieser Gedanke zerriss mir das Herz.
Egal was noch passieren würde, ich würde nicht mehr zur Polizei gehen. Ich wusste nicht, was dieser Kerl plante. Warum er sich Tilo und mich für seine schrecklichen Taten ausgesuchte. Wieso er es auf uns abgesehen hatte. Wir hatten nichts getan, niemanden verletzt oder ihm weh getan. Gar nichts. Wieso tat er es uns an? Was hatten wir verbrochen, dass er uns so bestrafte?

"Was macht ihr eigentlich den ganzen Tag?", fragte Tilo Mike plötzlich scharf und ich sah auf.

Mit dem Handrücken wischte ich mir die Tränen aus dem Gesicht. Mike riss erschrocken seine Augen auf. Tilos große, warme Hand lag noch immer auf meinem Rücken, ich spürte, wie sich sein Brustkorb schnell hob und wieder senkte. Ich sah wie angespannt er war und wie fest er seinen Kiefer zusammengebissen hatte. Tilo sah mich kurz an und ich konnte den Hass in seinen Augen sehen. Ich erstarrte.

Seine Hand fühlte sich plötzlich drohend auf meinem Rücken an, aber das bildete ich mir bestimmt nur ein. Während Tilo mich ansah, wurde sein Blick wieder weicher. Es musste schrecklich für ihn sein zu wissen, dass dieser Wahnsinnige seine Schwester in seiner Gewalt hatte. Das tote Mädchen hätte genauso gut Mia sein können. Es hätte Mia sein können, mit deren Blut diese Nachricht an unsere Tür geschrieben wurde.

"Wie?" Verdutzt musterte Mike Tilo und riss mich aus meinen Gedanken. Tilos Kiefer zuckte, dann schob er mich sanft aber bestimmt zum nächsten Stuhl und setzte mich darauf. Mein Körper zitterte immer noch, aber mittlerweile liefen mir die Tränen lautlos über die Wangen, die Krämpfe hatten aufgehört. Tilo drehte sich zu Mike um und ich starrte seinen breiten Rücken an.

"Wie könnt ihr es zulassen, dass dieser Wahnsinniger noch immer auf freiem Fuß ist? Wie könnt ihr nur zusehen, wie er weiter unschuldige Kinder ermordet?!", brüllte Tilo jetzt, machte einen Satz auf Mike zu und packte den Polizisten grob an den Schultern. "Wie kann man sich nur so blöd anstellen und immer noch nicht wissen, wer dieser Kerl überhaupt ist?!" Völlig außer sich schüttelte er Mike durch. Dieser starrte Tilo nur aus großen Augen an und ließ sich durchschütteln. Himmel, wusste Tilo überhaupt, was er da gerade tat? Mike war ein Polizist!

Mike schien sich auch langsam zu erinnern, wer er eigentlich war, da er Tilos Hände von seinen Schultern schlug.
"Jetzt hör aber mal auf!", schrie er Tilo aufgebracht an. Dann packte er Tilos Oberarme und drückte ihn mit dem Rücken gegen die Theke. Erst jetzt sah ich Tilos wilden Blick. So aufgewühlt hatte ich ihn noch nie gesehen.

Sacrifice - Don't touch herWo Geschichten leben. Entdecke jetzt