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Felicia:
„Mum nicht... da rein..." die beiden letzten Worte kommen erst aus Leanders Mund, als die Tür schon offen war.
Oh shit! Das ist Direktorin Buchner, die hier in das Zimmer läuft. Als ihr Blick auf mich fällt, springe ich sofort aus dem Bett und stehe wie angewurzelt daneben. Nicht gut... die Direktorin, welche uns gestern erst gesagt hat, wir dürfen nicht zusammen sein, welche als Strafe dafür Leander den Posten als Kampfmeister entzogen hat, findet mich gerade in dem Zimmer ihres Sohnes, auf seinem Bett, mit seinen Klamotten an... viel ungünstiger hätte es garnicht kommen können.
„Was habe ich euch gestern gesagt?" wütend funkelt sie ihren Sohn an, der sich gerade an ihr vorbei drängelt um die Tür hinter sich schließen zu können.
„Ich glaube dein Wortlaut war, ihr beendet das sofort! Ich verbiete es euch!" mit einem spöttischen Lächeln guckt er sie an. Scheiße... gar nicht gut. Er provoziert sie doch nur.
„Wieso besteht diese Situation denn hier noch?"
„Ich habe mal nicht deinen Befehl befolgt. Nicht deinen, nicht Dads, ich treffe endlich eigene Entscheidungen." sagt er mit ruhiger Stimme.
„Felicia gehst du bitte raus!" sagt Direktorin Buchner mit der selben ruhigen Stimme.
„Das tut sie nicht!" steuert Leander dagegen.
„Felicia raus!" Die Direktorin beobachtet nur ihren Sohn.
„Sie bleibt."
„Leander schon gut..." sage ich leise und will an ihm vorbei, doch er lässt mich nicht. Er greift nach meiner Hand und hält mich zurück.
„Leander du..." seine Mutter zögert.
„Nein! Nicht ich, Du! Du wirst gehen." sagt er mit entschlossener Stimme. Seine Mutter beobachtet unsere verschlossenen Hände. Irgendwann reist sie den Blick wieder los, und blickt wieder Leander an. In ihrem Gesicht hat einen komischen Ausdruck angenommen. Ist es Unsicherheit? Zweifel? Angst? Ich kann es nicht deuten.
„Leander ich möchte..."
Er unterbricht sie erneut:
„Ich möchte das du gehst! Felicia bleibt hier." er schaut nur kurz zu mir, aber da verstehe ich es. Ich verstehe warum seine Mutter unsicher ist. Seine Augen leuchten in einem hellen blau. Sie strahlen fast Silber. Und er scheint es nicht zu merken. Er spürt nicht die Kraft, die ich an ihm spüre.
„Geh jetzt!" knurrt er und in dem Moment löst er eine Druckwelle aus. Keine große, dennoch so stark, das wir sie deutlich gespürt haben.
„Hey!" sage ich mit vorsichtiger, aber deutlicher Stimme und lenke seinen Blick auf mich.
„Alles ist gut." versichere ich ihm und schaue in seine wunderschönen, vor Kraft strahlenden Augen. Einen Moment verliere ich mich in ihnen.
„Ich..." Direktorin Buchner räuspert sich unsicher.
„Wir sprechen die Tage!" so schnell sie kann verlässt sie das Zimmer, ohne das Leander sie noch einmal angesehen hat. Seine Augen sind auf mich fixiert.
„Hast du das gewollt? Die Druckwelle?" frage ich ihn leise. Und er schüttelt minimal seinen Kopf.
„Nein." flüstert er, ohne einmal den Blick von mir zunehmen.
„Ich verliere mich selbst, wenn ich bei dir bin. Egal bei wem, wenn sie dich angreifen wollen oder dir anderweitig versuchen zu schaden... ich kann es nicht zurück halten."
Ich ziehe seinen Kopf einwenig zu mir runter und küsse ihn. Es ist wie eine Versicherung. Ich bin hier. Ich bin bei ihm, und es geht mir bei ihm gut.
„Lass uns hier verschwinden." sage ich leise und er nickt.
„Soll ich rüber zu dir gehen?" fragt er und ich nicke. Ich möchte weder Luise in eine Situation bringen, in der sie nicht sein soll, noch möchte ich irgendjemanden auf den Fluren sehen.
„Ich brauch zwei Hosen, zwei Hoodies und zwei Shirts. Pack für dich alles ein was du willst." mit den Worten verlässt er mein Zimmer und ich öffne den leeren Rucksack auf dem Stuhl. Irgendwie ein komisches Gefühl so in seinen privaten Sachen rum zu kramen. Seinen Schrank zu durchstöbern, auf der Suche nach Klamotten, die wir brauchen. In einem Fach ist seine Uniform für die Einsätze sauber und ordentlich zusammengefaltet. In allen anderen Fächern herrscht pures Chaos. Hoodies, Shirts, Jacken, alles zusammen. Ich finde trotzdem alles was wir brauchen und packe es einigermaßen ordentlich in den Rucksack.
Nachdem Leander wieder zurückgekommen ist, und ich die restlichen Klamotten, welche er mitgebracht hat, auch eingepackt habe, schultert er den Rucksack und kramt nach seinem kleinen Kreuz in der Hosentasche. Er greift nach meiner Hand und aktiviert das Kreuz. Einen Moment später stehen wir in einem hellen, lichtdurchflutetem Raum. Um uns herum bunte Pflanzen eine gemütliche Sofalandschaft und große Fenster. Es ist eine Art Wintergarten, wenn ich mich nicht irre.
„Huch!" meine Mutter kommt um die Ecke und fasst sich erschrocken an die Brust.
„Ihr seid schon da." sie kommt auf uns zu und nimmt mich fest in den Arm. Leander lächelt sie warm an, was er prompt erwidert.
„David, unsere Gäste sind hier!" ruft meine Mutter laut durch das Haus und von irgendwo sind Schritte zuhören.
„Es ist so schön dich wiederzusehen. Euch beide!"
„Hallo ihr beiden." mein Vater begrüßt mich mit einer Umarmung und nickt Leander zu.
„Wie kam es zu dem spontanen Besuch?" er deutet auf die Sofas.
„Wir mussten mal raus." sage ich und setze mich neben Leander auf eines der Sofas.
„Es wurde alles ein bisschen viel."
„Warum? Ist es nicht gut dort?" fragt meine Mutter direkt besorgt.
„Eigentlich schon! Nur gerade eben nicht. Die Giordanos haben der ganzen Schule gesagt wer ich bin, also das ich eure Tochter bin."
Die beiden fangen gleichzeitig an genervt zu stöhnen.
„Heute Morgen gab es eine Versammlung für die besorgten Eltern und jetzt wird entschieden, obschon bleiben darf oder nicht. Und da ich nur auf dem Zimmer sitze, weil ich die Blicke einfach nicht aushalte, dachten wir, wir kommen euch besuchen."
„Das tut uns so leid! Das du den ganzen Kram durch machen musst und..." ich unterbrechen meine Mutter sofort.
„Nein! Entschuldigt euch nicht meine Eltern zu sein!"
„Es wollen nicht alle Felicia raushaben wollen. Nur leider viele der Großen." erklärt Leander.
„Mhm... und wie lange dauert die Entscheidung?" mein Vater schaut zwischen uns zwei hin und her.
„Das wissen wir noch nicht. Wir rechnen mit zwei bis drei Tagen." antwortet Leander.
„Wollt ihr die Tage dann hier bleiben oder nachher wieder zurück?"
„Wenn es okay ist, würden wir auch gerne bleiben." sage ich unsicher. Die Augen meiner Mutter fangen an zu strahlen.
„Natürlich dürftige bleiben! David zeigt euch gleich unser Zuhause und ich mache unser Gästezimmer bereit." ihre Freude wird durch einen kurzen Blick von mir zu Leander unterbrochen.
„Und unser Sofa ist auch ganz gemütlich."
Leander versteht schon und nickt lächelnd. Ich weiß das wir es ihnen sagen könnten, dass wir zusammen sind. Dass wir die letzten Nächte immer in einem Bett geschlafen haben, aber es fühlt sich gerade nicht richtig an, es ihnen zusagen. Nicht weil ich Angst vor ihrer Reaktion habe oder so, nein. Es ist nur gerade soviel und wäre nicht richtig, es nur in einem Nebensatz zu erwähnen.
„Na los, ich zeig euch alles."mein Vater springt auf.
„Hier seht ihr schonmal unseren Wintergarten. Wenn ihr rausguckt, ist dass unser kleiner Garten und hinter den Bäumen befindet sich ein hübscher See."
Ich betrachte den kleinen Garten mit den vielen bunten Blumen, dem großem Apfelbaum und der Schaukel die daran hängt.
„Es sieht aus wie der typische Traumgarten in Filmen." sage ich verträumt. Genauso habe ich mir immer meinen Garten vorgestellt. Vor ein paar Jahren wäre wahrscheinlich noch ein weißes Pony irgendwo rumgelaufen, aber sonst wäre es genauso gewesen.
„Den Flur runter ist ein kleines Bad und hier unsere Küche." er deutet auf die Arbeitsplatte aus massivem Stein. Er öffnet die nächste Tür und wir betreten ein kleines Schlafzimmer.
„Unser Gästezimmer."
Leander legt den Rucksack neben dem großem Bett ab und ich schaue mich um. Man schaut aus diesem Zimmer ebenfalls in den Garten. Die Einrichtung ist in weiß und beige tönen gehalten, mit einem weich aussehendem Bett, einem kleinem Schreibtisch und einem Einbauschrank.
Wir gehen den Flur wieder zurück in den offenen Küchenbereich, welcher direkt an den Wintergarten grenzt.
„Wenn man hier hochgeht, ist links unser Schlafzimmer und rechts das Bad. Im offenem Galeriebereich sind sonst nur Elodies Malsachen. Und das ist eigentlich auch alles aus unserem kleinen Zuhause." erklärt er.
„Es ist wunderschön." sage ich. Sie haben sich ein richtiges Zuhause aufgebaut. Eine von außen betrachtete kleine heile Welt. Ich stelle es mir vor, wie ich hier aufwachsen hätte können. Mit meiner Mutter Bilder malen und meinem Vater draußen fangen zu spielen. Ich hätte meine Eltern überredet, uns eine kleine Katze zuhören und wäre hier auf eine kleine Schule mit meinen Freunden gegangen. In der Vorstellung hätte es ein wundervolles Leben werden können. In der Realität bin ich in Pflegefamilien aufgewachsen, habe mich nirgendwo richtig zuhause gefühlt, und die beiden haben dieses Leben allein angefangen. Es ist aber auch für sie kein Traum, sich immer zu verstecken und ihre Tochter nicht bei sich zu haben.
„Alles gut?" Leander holt mich aus meinen Gedanken.
„Hm?"
„Ist alles gut?" wiederholt er sich leise. Ich nicke mit dem Kopf und lächel ihn kurz an.
„Habt ihr Hunger?" fragt mein Vater, welcher bereits wieder auf dem Sofa sitzt.
„Ich hatte vor Pasta zu machen."
„Gerne!" antwortet Leander für uns beide und wir setzen uns zu ihm.
Den ganzen Abend verbringen wir alle gemeinsam. Meine Eltern erzählen uns Geschichten aus den letzten Jahren, zum Beispiel das die Nachbarschaft denkt, meine Mutter wäre Künstlerin und mein Vater Autor, obwohl sie so etwas nie behauptet haben. Oder das sie einen Segelschein gemacht haben und dann ein paar Monate mit einem Boot gereist sind. Es ist total komisch, zu wissen, dass sie meine Eltern sind, aber eigentlich nichts über sie zu wissen. Irgendwann beschließen wir alle ins Bett zugehen. Und jetzt liege ich hier. Allein, in einem fremden Bett und kann nicht schlafen. Nach fast einer Stunde in der ich versucht habe einzuschlafen, beschließe ich in den Wintergarten zu Leander zu gehen. Nur in Schlafanzug und Socken tapse ich über den knarrenden Holzboden. Leander liegt auf einem der Sofas, die Wolldecke nur sporadisch über die Beine geworfen.

Wächter der ElementeWhere stories live. Discover now