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Felicia:
„Es tut mir so leid, aber bei diesem Typen kann ich nicht anders. Wie kann man denn so unfreundlich sein. Fremde Menschen beleidigen, dich beleidigen... das nächste mal nimmst du vielleicht eher Alica oder so mit. Jemanden, mit dem die beiden eher klar kommen als mit mir."
„Das warst nicht du. Ich musste mir das alles Jahre lang anhören. Andauernd sind Gespräche zwischen uns im Streit geendet." sage ich und lasse mich auf mein Bett sinken.
„Haben sie dich immer so schlecht behandelt?"
Ich nicke.
„Ich war keine Tochter für die beiden. Ich war eher ihre Angestellte. Ich habe geputzt, mich um die kleinen gekümmert, essen gemacht."
„Vier Jahre lang? Und was ist mit Schule? Freunde? Freund?" fragt er entsetzt nach und kniet sich vor mich.
„Die Schule habe ich irgendwie noch ganz gut geschafft. Ansonsten hatte ich nur Clara. Ich hatte keine wirklichen Freunde. Ich durfte niemanden einladen, und mich mit jemanden treffen auch nur an den Tagen, wenn sie gute Laune hatten. Und Jungs waren sowieso verboten. Führe mal eine Beziehung in der weder er dich, noch Du ihn besuchen darfst."
„Dann warst du ganz allein."
Ich zucke mit den Schultern.
„Irgendwann gewöhnt man sich daran." sage ich leise.
„Dieses Gefühl wirst du hoffentlich nie wieder haben. Ich bin ab jetzt immer für dich da." verspricht er mir und umfasst meine Hände.
„Versprochen." flüstert er, bevor ich meine Lippen sanft auf seine lege.
„Ich liebe dich." es kam einfach aus meinem Mund. Leanders Augen werden groß und er weicht ein paar Zentimeter zurück. Einen viel zu langen Moment passiert gar nichts, bis Leander plötzlich lächelt. Und dieses Lächeln habe ich vorher noch nie bei ihm gesehen. Ein Lächeln, was mit meinen Worten gerade erst entstanden ist.
„Ich liebe dich auch Felicia Decanter!" flüstert er. Einen Wimpernschlag später prallen unsere Lippen aufeinander. Ich ziehe Leander sein Shirt über den Kopf und genieße den Anblick seines wunderschönen perfektem Körpers. Langsam greift Leander nach meinem Oberteil und zieht am unteren Rand. Ich setzte mich auf, sodass er es mir ebenfalls ausziehen kann.
Und plötzlich ohne jegliche Worte von uns, ist diese Grenze, die wir die letzten Wochen gezogen haben, verschwunden. Ich lasse mich fallen und vergesse all die schlimmen Momente aus meiner Vergangenheit, all die Regeln und Vorbote die wir hier mit brechen und alles was hier rauf folgen kann.

„Hey." flüstert Leander leise, während er sich gerade seine Schuhe anzieht.
„Bene hat geschrieben, dass die Hausmütter- und Väter gerade ihre Runden drehen, da sollte ich lieber nicht mehr hier sein."
„Wie spät ist es denn?" frage ich verschlafen und suche nach meinem Handy.
„Kurz nach 23 Uhr." raunt er.
„Wir sehen uns morgen im Kochkurs." ein flüchtiger Kuss auf die Wange und das Geräusch meiner sich schließenden Tür. Stille. Mir fehlt seine Wärme jetzt schon. Ich fühle mich plötzlich so seltsam schwach. Ich habe das Gefühl meinen Körper nicht mehr richtig bewegen zu können. Ich liege in meinem Bett und finde nicht die Kraft mich aufzusetzen. Mein Körper zittert, meine Hände und Füße werden eiskalt, als würde in sie kein Blut mehr fließen.
Was passiert hier gerade? Sind das die Folgen von diesen Intensiven Berührungen mit Leander? Fühlt er es ebenfalls oder ist es etwas anderes? Meine Augen fallen mir zu. Wenn ich mich dem jetzt hingebe, wird mein Kreislauf Versagen. Mir wird kurz schwarz vor Augen. Leander... ich brauche seine Hilfe. Was auch immer hier gerade passiert, es macht mir Angst. Mit letzter Kraft greife ich auf den Nachttisch neben mir und ziehe das Handy an mich. Ich wähle Leanders Kontakt und rufe ihn an. Keine 3 Sekunden später höre ich seine ruhige Stimme auf der anderen Seite des Handys.
„Hey, solange bin ich doch gar nicht weg."
„Leander..." flüstere ich mit zittriger Stimme.
„...irgendetwas stimmt nicht mit mir."
„Was ist los?" fragt er alarmiert.
„Ich fühle mich nicht gut." mir wird wieder schwarz vor Augen.
„Ich bin gleich da! Bleib wach Okay? Felicia?" ich höre seine beunruhigte Stimme noch, kann ihm aber nicht mehr antworten. Ich höre lautes Hämmern an irgendeiner Tür. Eine Stimme die irgendwas ruft, und leise Schritte. Das hämmern hört auf und kurz darauf schwingt meine Tür auf.
„Hey. Felicia?" es ist Leander der jetzt bei mir ist. Eine warme Hand legt sich an meinen Kopf.
„Was ist mit dir?"
„Ich... habe keine Kraft..."
„Soll ich Johanna holen?" ich höre Luises stimme irgendwo in meiner Nähe.
„Ich bringe sie auf die Krankenstation!" jemand greift um meinen Körper, hebt mich hoch. Und wieder werde ich bewusstlos.

Als ich langsam wieder zu mir komme, liege ich in einem weichen Bett. Neben mir ertönt ein regelmäßiges Piepen und es riecht nach Desinfektionsmittel. Langsam kann ich meine Umgebung wieder erkennen und sehe weiße kahle Wände. Das piepen kommt von einem Gerät, auf dem mein Herzschlag abgezeichnet wird. Zwei Kabel verschwinden unter meinem Oberteil. An meiner Hand steckt ein Zugang für eine Infusion. Und neben meiner Hand liegt ein Kopf. Besser gesagt Leanders Kopf. Er sitzt auf einem Hocker direkt neben mir und hat seine Arme und seinen Kopf auf dem Bett abgelegt und schläft. Ich bringe es nicht übers Herz ihn zu wecken, auch wenn ich das seinem Körper zur Liebe eigentlich tun sollte, denn diese Position ist glaube ich nicht gut für seinen Rücken.
„Ihr Kreislauf ist wieder stabil und sie müsste..." die Tür des Raumes geht auf und eine Ärztin und die Direktorin betreten das Zimmer. Als sie meinen wachen Zustand bemerken unterbrechen sie ihr Gespräch. Der Blick der Direktorin fällt auf ihren Sohn, der immer noch an meinem Bett schläft.
„War er die ganze Nacht hier?" richtet sie sich an die Ärztin.
„Ja. Wir haben ihm versichert das es ihr hier an nichts fehlt, er wollte aber trotzdem nicht gehen." erklärt die Ärztin. Direktorin Buchner geht um mein Bett herum und hockt sich zu ihrem Sohn, welcher in der Sekunde hoch schreckt.
„Guten Morgen Großer."
„Mum?" ein bisschen verschlafen schaut er seine Mutter an und lässt dann seinen Blick durch den Raum schweifen. Als sein Blick auf meinen trifft, lächelt er.
„Felicia ich bin Frau Doktor Mellring. Du befindest dich hier auf der Krankenstation. Wie geht es dir?"
„Ich bin müde und erschöpft." erkläre ich und sie nickt verständnisvoll.
„Das kann ich mir vorstellen. Ist es für dich okay wenn die beiden hier im Raum sind oder möchten sie lieber mit mir alleine reden?" sie deutet auf die Direktorin und Leander.
„Nein das ist okay." antworte ich und die Direktorin stellt sich an das Fußende meines Bettes. Leander bleibt auf seinem Hocker sitzen.
„Super. Sie hatten gestern Abend einen Schwächeanfall. Ihr Kreislauf hat nicht mehr so funktioniert wie er sollte. Sie waren unterkühlt und haben mehrmals das bewusst sein verloren. Leander hat sie hier her gebracht und wir haben ihren Zustand relativ schnell im Griff gehabt."
„Wodurch kann so ein Schwächeanfall ausgelöst werden? Das kommt ja nicht einfach so oder?" fragt die Direktorin nach.
„Nein das kommt selten vor ohne Auslöser. Es kann durch Stress, Überanstrengung, niedrigen Blutdruck, irgendeinen Mangel oder Medikamente entstehen. Oder natürlich wenn man viel seines Elementes genutzt hat oder zu viel Berührung mit Wächtern eines anderen Elements gehabt hat." erklärt die Ärztin.
„Warst du allein als das passiert ist Felicia?" die Direktorin begutachtet mich misstrauisch.
„Ja." antworte ich.
„Entschuldigung für die Frage, aber wie konnte Leander dann deinen Zustand so schnell mitbekommen, wenn ihr nicht zusammen wart?"
„Sie hat mich angerufen." mischt sich Leander schnell ein. Seine Mutter scheint mit der Antwort nicht zufrieden zusein, lässt uns damit aber in Ruhe.
„Felicia gab es gestern eine Situation die sie stark erschöpft hat? Haben sie gestern beispielsweise mit ihrem Element geübt oder sich verausgabt?" fragt nun die Ärztin.
„Nein nicht das ich wüsste." Lüge ich sie an, weil ich ihr natürlich nichts von mir und Leander erzählen kann.
„Sie war gestern mit mir bei ihrer Pflegefamilie zu Besuch. Vielleicht war das etwas zu viel für sie?" wirft Leander ein und die Ärztin nickt.
„Ja das könnte sein. Für jemanden, der noch nicht oft mit dem Kreuz gesprungen ist, kann so eine Reise anstrengend sein. Und dann die ganzen Emotionen die natürlich aufkommen, wenn man Seine Familie wieder sieht..."
„Wann kann ich wieder gehen?"
„Dein Zustand ist wieder stabil, du machst einen guten Eindruck und deine Werte sind auch in Ordnung. Du kannst jetzt wieder gehen. Ich bitte dich aber, es langsam angehen zulassen. Keinen Sport, kein Elementunterricht heute und morgen und sobald dir wieder komisch wird, meldest du dich bei jemanden und du wirst wieder hier her gebracht Okay?"
Ich nicke kurz und schwinge dann meine Beine aus dem Bett. Als meine nackten Füße den kalten Boden berühren bekomme ich eine Gänsehaut. Gott ist das kalt hier. Ich trage auch nur ein Oversize Shirt und eine kurze Hose, die ich mir einglück wieder angezogen habe, als Leander und ich im Bett lagen.
„Warte kurz." die Ärztin kramt in dem Schrank neben meinem Bett und zieht ein paar weiße Hausschuhe heraus und stellt sie vor mir auf den Boden.
„Dankeschön." ich schlüpfe in die Schuhe und stelle mich auf meine wackligen Beine.
„Ihr Kreislauf muss jetzt erstmal wieder in Gang kommen. Ein bisschen wacklige Beine und das frieren geht in ein paar Minuten weg." erklärt die Ärztin mir und ich reibe mir über die kalten Oberarme.
Ein Pullover schiebt sich in mein Blickfeld.
„Hier zieh den an. Der ist warm." Leanders Blick ruht auf mir und ignoriert den prüfenden Blick seiner Mutter. Dankend lächel ich ihn an und ziehe mir den Hoodie über den Kopf. Er ist mindestens Zwei Nummern zu groß, und gerade mal meine Fingerspitzen gucken aus den Ärmeln heraus. Er ist aber wie versprochen angenehm warm und riecht nach Leander. In Begleitung von ihm und der Direktorin verlasse ich die Kranken Station.

Wächter der ElementeWhere stories live. Discover now