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Felicia:
Lautes Stimmengewirr kommt mir entgegen, als ich zusammen mit Luise den Speisesaal betrete. Wie gewohnt, suche ich an den langen Tischen nach Leanders Gesicht. Und wie ich es von den letzten 8 Tagen gewohnt bin, finde ich es nicht. Seitdem er letzte Woche aus dem Arztzimmer geflüchtet ist, habe weder ich noch meine Freunde Leander gesehen. Er ist zu keinen Kursen gekommen, hat sich nicht im Wohnbereich blicken lassen und als ich vor zwei Tagen den Mut gefunden habe an seiner Tür zu klopfen, hat Bene mich vertröstet und gesagt er sei nicht da. Meine Nachrichten lässt er ungelesen und unbeantwortet.
Dabei würde ich so gerne mit ihm reden. Ihm erzählen wie sehr ich mich vor der Entscheidung der Großmeister fürchte, was sie mit mir machen wollen. Die Direktorin geht mir seit unserem Gespräch aus dem Weg, worüber ich ehrlich gesagt auch nicht traurig bin.
„Ist er immer noch nicht aufgetaucht?" fragt Luise neugierig, als wir uns zu Elira, Nea, Flora, Dave und Noel setzen.
Ich schüttel nur ernüchtert mit dem Kopf.
„Der kommt schon wieder." Sagt Nea entschlossen. Ich erkenne trotzdem einen Funken Sorge in ihrem Blick.
„Wo ist Alica?" wechselt Elira das Thema und Luise und ich verdrehen gleichzeitig die Augen.
„Ihre Großmutter hat angerufen. Das kann noch ein bisschen dauern." sagt Luise.
„Ey kleine Feuerfee!" spricht Noel mit an. Ich hasse diesen Spitznamen. Erstens ist er selber ein Wächter des Feuers und zweitens bin ich gar nicht so klein.
„Du warst gestern wirklich gut!"
Ich grinse nur. Seit dieser Woche nehme ich offiziell am normalen Elementunterricht Teil und es macht unglaublich viel Spaß mit den anderen zu lernen. Natürlich sind sie alle um Welten besser als ich, aber meine Freunde helfen mir wo sie können und die Lehrer loben mich, wie schnell ich lerne.
„Das stimmt! Deine Feuerbälle treffen immer ziemlich genau." lobt mich nun auch Dave.
In diesem Moment laufen Kester, Bene und Elana an mir vor bei, die drei besten Freunde von Leander. Ich habe mich die letzten Tage oft gefragt, ob Leander ihnen etwas verraten hat, oder sie selber etwas herausgefunden haben. Denn genau wie gerade, schauen sie mich irgendwie merkwürdig an. Als würden sie etwas wissen, wovon sie nicht wissen, was sie davon halten sollen. Sie setzten sich einglück ein Stück weiter weg, an einen Tisch mit Kesters Bruder Fynn, seiner Freundin und einigen Feuerwächtern.
„Oh alle gerade sitzen! Direktorin im Anmarsch." warnt Noel uns vor und setzt sich wirklich kerzengerade hin.
Bitte lass sie nicht zu mir kommen, bitte, bitte, bitte.
„Guten Morgen Direktorin Buchner, ich hoffe sie hatten einen angenehmen Start in den Tag." Noel setzt sein nettestes Lächeln auf und die anderen müssen sich ihr Lachen verkneifen. Nur ich nicht. Ich sitze Stock steif auf meinem Platz und hoffe das sie so schnell wie möglich wieder weg ist.
„Guten Morgen Noel, sehr höflich. Felicia kommen sie bitte mit mir mit." sagt sie mit einer höflichen Stimme.
„Ehm Ja. Ich räume..." stottere ich und will gerade mein Tablett vom Tisch nehmen, da stoppt Elira mich.
„Alles gut, das mache ich gleich für dich."
Ich lächle dankend und eile der Direktorin hinter her. Wir verlassen das Gebäude, nehmen zu meinem Erstaunen aber nicht den gepflasterten Weg Richtung Schulgebäude. Stattdessen laufen wir Richtung Park, wo sich die Direktorin auf eine der Bänke setzt. Verunsichert nehme ich neben ihr Platz.
„Felicia ich habe meinen Mann und die anderen drei Großmeister informiert. Es gab noch nicht oft die Situation, das ein Kind mit Eltern verschiedener Elemente aufgetaucht ist. Die meisten werden nicht registriert und verheimlicht. Trotzdem gab es schon ein paar Kinder, von denen die Wächtergemeinschaft erfahren hat. Da es bisher immer gut gegangen ist, als wir genannte Kinder auf den Schulen aufgenommen haben, werden wir auch so in deinem Fall handeln. Du wirst hier auf der Schule bleiben können, da bisher keine größere Gefahr von dir ausgeht. Zudem möchten wir dich nicht für einen Fehler, den du nicht begangen hast, bestrafen. Wir möchten dich aber bitten, uns sofort zu informieren, wenn ein anderes Element als Feuer bei dir an die Oberfläche tritt. Das ist bisher noch nie passiert, trotzdem müssen wir damit rechnen. Zudem bitte ich dich, wenn deine Eltern noch leben sollten, und den Kontakt zu dir suchen, sage mir bitte Bescheid."
„Dankeschön!" sage ich und kann endlich wieder halbwegs durch atmen.
„Wie geht es ihrem Handgelenk?" fragt sie freundlich nach und deutet auf den blauen Fleck.
„Alles wieder gut! Es tut nichts mehr weh." kurz andere ich mit mir, fahre dann aber fort.
„Darf ich sie etwas fragen?"
„Aber natürlich." antwortet sie sofort.
„Wo ist Leander? Ich wollte ihm eigentlich nur informieren, das es meinem Handgelenk gut geht, da ich mitbekommen habe, was für ein schlechtes Gewissen er deshalb hatte. Ich erreiche ihn aber leider nicht, und hier auf dem Schulgelände ist er auch nicht aufgetaucht."
„Leander ist am Tag des Vorfalls nach Spanien in die Finca seiner Großeltern gereist. Wir haben es als sinnvoll empfunden ihm etwas Zeit für sich zugeben. Er wird aber im laufe der nächsten Tage zurück sein." sagt sie und steht so plötzlich auf, das ich zusammen zucke.
„Schonen sie ihr Handgelenk noch ein wenig und genießen sie den schönen Tag heute."
Ohne auf eine Verabschiedung von mir zu warten, geht sie und lässt mich auf der Bank zurück. Ich darf hier bleiben. Erstmal... Ich habe bis gerade eben garnicht richtig gespürt, wie sehr mich das belastet hat, nicht zu wissen ob ich bleiben darf oder weg geschickt werde. Ich habe hier in der kurzen Zeit Freunde gefunden und mittlerweile auch ein Zuhause. Ich wüsste nicht, was ich gemacht hätte, hätten sie mich jetzt raus geschmissen. Zurück zu meinen Pflegeeltern? Niemals! Da würde ich lieber unter einer Brücke wohnen, als zurück in dieses Haus zu ziehen.
„Darf ich mich setzen?" fragt eine Stimme neben mir. Elana deutet auf den Platz, auf dem die Direktorin bis vor ein paar Minuten noch saß.
„Klar." sage ich und mache ihr Platz.
Eine Weile lang sitzen wir einfach nur schweigend nebeneinander und gucken in die Ferne. Irgendwann bricht Elana die Stille.
„Ich weiß Bescheid." sagt sie einfach nur und auch wenn ich gerade keinen Spiegel zur Hand habe, kann ich schwören das ich kreidebleich werde.
„Woher?" frage ich ohne sie anzusehen.
„Hab's irgendwie erraten und Leander hat es dann bestätigt."
„Und jetzt? Wirst du es weiter erzählen?" frage ich und versuche den enttäuschten Ton in meiner Stimme zu verstecken. Leander hat es ihr gesagt. Er hat es mir doch versprochen, es für sich zu behalten.
„Nein! Natürlich nicht. So ein Arsch bin ich doch nicht." sagt sie sofort.
„Und was sagst du dazu?" frage ich sie und schaffe es endlich ihren Blick zu erwidern.
„Naja, begeistert bin ich nicht. Aber solang ihr so weiter macht, wie bisher kriegt es ja niemand mit. Außer natürlich man ist aufmerksam wie die anderen beiden, dann können es auch..."
„Andere?" schreie ich plötzlich.
„Welche anderen denn?"
„Naja Bene und Kester. Die vermuten das schon länger." sagt sie irritiert.
„Die Großmeister wissen Bescheid. Ich habe die Erlaubnis hier zu bleiben."sage ich. Und Elanas Mund klappt auf.
„Die wissen Bescheid? Und finden es okay?" ich glaube ich habe noch nie einen Menschen so schockiert gucken gesehen wie Elana es gerade tut.
„Sie meinten das es ja nicht mein Fehler war. Meine Eltern haben zwar gegen die Regeln verstoßen und wurden ausgeschlossen, trotzdem sagen die Großmeister, das sie mir den Schutz und die Unterstützung bieten wie ihr anderen ihn auch bekommt." erkläre ich ihr. Elana starrt mich einfach nur mit offenen Mund an.
„Bitte was? Ich komme nicht mehr mit?"
„Ich besitze zum derzeitigen Wissensstand nur das Element Feuer und bin keine Gefahr oder sonst was." füge ich noch hinzu.
„Was sollst du denn auch sonst für ein Element haben?" fragt sie verwirrt.
„Das von meinem Vater. Also Wasser." sage ich.
„Warte was? Dein Vater ist Wächter des Wassers und deine Mutter Wächterin des Feuers?"
„Ich dachte du weißt Bescheid?" frage ich jetzt völlig durch einander.
„Ich weiß Bescheid über dich und Leander. Das ihr... das da irgendetwas zwischen euch läuft. Aber doch nicht das deine Eltern..." stottert sie.
Oh shit! Wir haben die ganze Zeit aneinander vorbei geredet. Sie hat von mir und Leander geredet. Und jetzt habe ich ihr von meinen Eltern erzählt. Und ihr Blick zeigt mir, was sie davon hält.
„Elana bitte." flehe ich sie an.
„Das soll bisher keiner wissen. Ich weiß das selber erst seit ein paar Wochen. Und wie gesagt ist es von der Direktorin und den Großmeistern abgesegnet, dass ich hier bleibe. Ich möchte nur nicht das es alle wissen, weil ich nicht weiß wie die anderen reagieren." sage ich schnell. Ich beobachte wie Elana tief Luft holt.
„Deine Eltern sind Wächter verschiedener Elemente richtig? Die beiden wurden ausgeschlossen und sind von der Bildfläche verschwunden. Du hast aber keinen Kontakt zu ihnen oder?"
„Nein habe ich nicht. Ich weiß nicht einmal ob sie noch leben."
„Gott Felicia! Was ist das denn für ein Chaos. Wer weiß davon noch alles, außer die Direktorin und die Großmeister?" fragt sie nach.
„Nur noch Leander! Und das soll auch bitte erstmal so bleiben." wiederhole ich mich.
„Ich behalte es für mich." sagt sie.
„Danke." sage ich erleichtert.
„Wenn..." fügt sie noch hinzu.
„...du und Leander aufpasst und euch nicht in Gefahr begebt, ausgeschlossen zu werden."
„Ich weiß sowieso nicht, ob zwischen uns nochmal etwas passieren wird. Er ist bis Spanien geflohen, und das glaube ich wegen mir. Er hatte ein so schlechtes Gewissen, weil er mir weh getan hat, dass er einfach verschwunden ist." sage ich ernüchtert.
„Das war doch nicht seine Entscheidung!" widerspricht Elana mir. Ich schau sie nur mit gerunzelter Stirn an.
„Seine Eltern haben ihm gesagt, dass er dort hin soll. Ich zitiere: Krieg dich erstmal wieder in den Griff, bevor du unseren Ruf weiter zerstörst."
„Oh." mehr kann ich dazu nicht sagen.

Wächter der ElementeWhere stories live. Discover now