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Felicia:
„Fuck!" Flucht Leander und reibt sich mit seinen Händen über das Gesicht.
Was ist da gerade passiert. Wir wussten das es irgendwann raus kommt, aber hatten irgendwie gehofft das wir es den anderen vorsichtig sagen können, uns erklären können. Aber das gerade... Der enttäuschte Ausdruck in Direktorin Buchners Gesicht. Noch viel schlimmer war Leanders gekränkter Blick, als sie ihm sein Amt als Kampfmeister genommen hat. Ich weiß das dieses Amt ihm viel bedeutet. Er liebt es bei allen Einsätzen dabei zu sein, sie zu leiten und den Anforderungen seines Vaters gerecht zu werden.
„Leander..." ersuche ich es, breche aber sofort wieder ab. Was sage ich jetzt? Tut mir leid das dein Leben ruiniert ist? Sorry meine Schuld, dass du dein Ansehen jetzt verlierst?
„Wir schaffen das schon..." sagt er dann plötzlich.
„Was?"
„Wir schaffen das." er lächelt mich schief an.
„Mehr als ausgeschlossen werden, passiert nicht." sagt er ruhig.
„Leander!" stoße ich fassungslos aus. Vor wenigen Minuten hätte er am liebsten sein Zimmer auseinander genommen und jetzt ist er so ruhig.
„Ich gehe morgen zu dieser scheiß Versammlung, wo sie über dich sprechen wollen. Meine Mutter wird sich nicht die Blöße geben und jetzt spontan meine Rede als Kampfmeister absagen, weil ich das nicht mehr bin. Ich werde mich mit den alten verkrampften Säcken unterhalten und dann sehen wir weiter. Ansonsten gehen wir halt." sagt er schulterzuckend.
„Ich war noch nie in Thailand."
Okay... er versucht gerade nur seine Unsicherheit zu überspielen.
„Das meinst du nicht so. Du kannst das hier nicht einfach hinter dir lassen. Und du sollst es auch nicht! Das ist doch dein Zuhause." sage ich entschlossen.
„Wenn ich nicht mehr Kampfmeister bin, hält mich hier nichts. Ich könnte überall glücklich sein... solange du mit mir kommst."
„Ich würde dich gerade echt gerne küssen, spüre dein Element aber bis hier drüben und möchte ungern in einem Sturm durchs Fenster fliegen." stattdessen grinse ich ihn nur an.
Er lächelt mich ebenfalls an.
„Klopf klopf!" ruft Benes Stimme aus dem Flur. Ich öffne die Tür. Er balanciert zwei Tabletts in den Raum.
„Nachdem Leander ja schon kein Frühstück besorgen konnte, dachte ich ein bisschen Milchreis könnte euch gut tun." er stellt die beiden Tabletts auf dem Schreibtisch ab und der süße Geruch des Milchreis verteilt sich im Raum.
„Was zieht ihr für Gesichter? Bitte nicht noch mehr Drama." stöhnt er und guckt zwischen uns hin und her.
„Oh Gott! Was ist es? Hat er sich nochmal geprügelt?"
„Nein!" sagt Leander schnell
„Wir haben nur ein Kleines Problem."
Bene stöhnt laut.
„Bitte... sagt jetzt nicht das irgendwer stirbt, oder bist du schwanger? Ach du..."
„Nein!" unterbreche ich ihn sofort.
„Seine Mutter weiß von uns!"
„Was?" sein Kopf schnellt zu Leander.
„Irgendein Stalker hat vor meinem Fenster gewartet und von uns beiden Bilder gemacht. Und sie dann meiner Mutter gezeigt."
„Was für Bilder?"
„Wir konnten es zumindest nicht mehr als freundschaftliche Geste erklären." sage ich.
„Und jetzt?"
„Keine Ahnung. Nachdem meine Mutter mir den Posten als Kampfmeister genommen hat, hat Felicia mich rausgebracht. Bin da fast an die Decke gegangen. Vor dir steht der ehemalige Kampfmeister der SCE." Leander grinst Bene schief an.
„Oh oh." sagt dieser nur.
„Aber noch nicht verraten. Morgen will ich noch als Kampfmeister bei den Eltern auftreten."
„Oh nein..."
„Oh doch."

Lautes Stimmengewirr, aufgebrachte Unterhaltungen und hitzige Diskussionen, das ist es was mir entgegenkommt, als ich am nächsten morgen die Veranstaltungshallen betrete. Hunderte Stühle stehen in Reihen aufgebaut in der großen Halle, welche bis auf den letzten Platz gefüllt ist. Ich halte mich im Hintergrund, damit meine Mutter mich nicht entdeckt. Ich bin mir sicher, das sie mich irgendwie versuchen wird loszuwerden. Sie betritt gerade die Bühne und schaltet ihr Mikrofon ein.
„Guten Morgen!" sagt sie mit ihrer klaren Direktorinnen Stimme.
„Für alle die bisher nicht mitbekommen haben, wieso sie hier sind, wir möchten heute über eine unserer Schülerinnen sprechen. Felicia Decanter ist eine unserer Schülerinnen seit etwa zwei Monaten. Sie ist eine Wächterin des Feuers, und ihre Eltern sind Ausgeschlossene. Ihre Eltern sind Elodie Costello, Feuerwächterin und David Decanter, Wasserwächter."
Ein unruhiges Murmeln geht durch die Halle.
„Diese Information ist nun an die Schüler und an sie, die Eltern gekommen. Da viele beunruhigt sind und gefordert haben, das Mädchen von der Schule zu schmeißen, werden wir nun über den derzeitigen Zustand reden. Also Fragen, Anregungen..."
„Wird das Mädchen der Schule verwiesen?"
„Ist sie eine Gefahr für unsere Kinder?"
„Wo sind ihre Eltern?"
„Wo ist das Mädchen gerade?" die Fragen prasseln nur so herein und der Blick meiner Mutter wandert unruhig durch den Raum.
„Wir sind hier, um über das weitere Vorgehen zu sprechen. Soweit wir es beurteilen können, hat Felicia nur das Element Feuer, und ist auch keine Gefahr für andere. Sie hat es schnell gelernt, ihr Element zu kontrollieren und ist mittlerweile im normalen Elementunterricht. Soweit wir wissen, sind ihre Eltern tot, sie ist bei Pflegefamilien ohne Kontakt und Informationen zu ihnen aufgewachsen." erklärt meine Mutter ruhig.
„Wir sollten darüber abstimmen."
„Haben sie mit den Schüler darüber gesprochen. Fühlen sie sich noch sicher?"
„Nein das haben wir in der kurzen Zeit nicht geschafft."
„Die Meinung der Schüler wäre aber auch..."
Mein Moment... ich springe auf die Bühne und stelle mich neben meine Mutter an das Mikrofon. Ich weiche ihren erschrockenen Blick aus und schaue in die Runde.
„Ehm Hey. Für alle die nicht wissen sollten wer ich bin. Ich bin Leander, Sohn der Direktorin und bisher noch Kampfmeister der SCE. Wie sie sehen ich bin Schüler und werde mal für uns sprechen, nachdem wir unsere Meinung ja noch nicht äußern durften. Ich kann nicht für alle Schüler sprechen, aber für die meisten, mit denen ich bisher gesprochen habe. Wir leben alle seit zwei Monaten mit Felicia zusammen. Wir essen mit ihr, wir lernen mit ihr und verbringen unsere Abende mit ihr. Und oh Wunder, wir leben alle noch. Ich bin mal so frei und behaupte, das es an dieser Schule deutlich gefährlichere Menschen gibt, als Felicia. Sie hat bisher nie jemanden irgendwie weh getan..."
„Was ist mit dem mal, bei dem sie den Giordano Jungen verletzt hat?" fragt eine Frau.
„Sie meinen das mal, bei drei Wasserwächter sie bedrängt haben, sie auf emotionale Themen angesprochen haben und provoziert haben, während die drei wussten das sie keinen Monat ihr Element besitzt? Ich glaube das merken sie selber oder?Der Großteil von uns hat keine Angst vor ihr, und wenn es doch ein paar gibt, sind die glaube ich ein bisschen zurückgeblieben."
„Leander!" warnt meine Mutter mich leise.
„Nein wirklich. Es gibt keinen Grund Angst vor ihr zuhaben. Ihr wollt ein Mädchen aus ihrem Zuhause werfen, nur weil sie die falschen Eltern hat? Eltern die sie sich nicht ausgesucht hat? Und Eltern die nebenbei auch nie jemandem weh getan haben, außer sich in das falsche Element zu verlieben? Diese Dumme Regel hat schon viel zu viele Wächter aus unseren Kreisen ausgeschlossen, wollt ihr wirklich das deswegen auch die nächste noch leiden muss?"
„Du hast also kein Problem mit ihr? Was wäre wenn sie deine Zimmernachbarin wäre? Du könntest ruhig schlafen, wenn sie nur eine Wand von dir entfernt wäre?" werde ich von einem Mann aus der zweiten Reihe gefragt.
„Ich habe auch kein Problem damit, mein Zimmer mit ihr zuteilen. Ich schlafe gerade bei meinem besten Freund im Bett, nur eine Wand von ihr entfernt, während sie in meinem Zimmer wohnt. Und dass nur, weil ihre beste Freundin von ihren Eltern nicht mit ihr in Kontakt kommen darf. Sie können hier die nächsten Stunden oder Tage gerne weiter diskutieren. Ich möchte aber, das sie im Hinterkopf haben, das sie ein Mädchen aus ihrem Zuhause werfen, weg von ihren Freunden, und das ganze ohne irgendeinen Grund . Stellen sie sich vor sie wären das." mit diesen Worten verabschiede ich mich, springe von der Bühne und verschwinde durch die große Flügeltür.

„Wollen wir zu deinen Eltern?" frage ich, während ich in mein Zimmer komme.
„Was?" fragt Felicia erstaunt.
„Wir können hier die nächsten Stunden oder Tage einfach nur in meinem Zimmer hocken und warten bis die sich entschieden haben, oder wir besuchen deine Eltern in Schottland."
„Ehm... ich kann sie ja mal fragen, ob es ihnen passt." Felicia wirkt einwenig verwirrt, ruft aber trotzdem ihre Mutter an. Ich höre sie leise im Flur sprechen, während ich mich auf mein Bett fallen lasse. Ich weiß wirklich nicht ob ich gerade das richtige gemacht habe. Vielleicht hätte ich andere Worte wählen sollen. Den Eltern alles noch genauer erklären. Werden sie sich nur aufgrund von den paar Sätzen richtig entscheiden. Was soll ich nur machen, wenn sie Felicia wirklich ausschließen? Ich könnte sie nicht gehen lassen. Sie ist mir zu wichtig, als das ich sie einfach gehen lassen würde, ohne dass ich mitkomme. Egal wo sie ist, ich werde sie beschützen, ich werde sie solange sie es nicht will, nicht alleine lassen.
„Sie würden sich freuen. Ich habe die Koordinaten von ihrem Grundstück und wir können kommen wann wir wollen." sie tapst zu mir rüber und setzt sich neben mich.
„Dann lass uns ein paar Klamotten packen. Und ich suche vorher Kester und Bene, um ihnen Bescheid zu sagen." ich setze mich auf und gebe Felicia einen Kuss.
„Willst du die nächsten Tage auch in meinen Klamotten leben, oder sollen wir was aus deinem Zimmer mitnehmen?"
„Vielleicht ein zwei eigene Hosen." sie zupft an ihrer viel zu großen Jogginghose, die sie von mir hat.
„Deine Pullis behalten ich aber."
„Du siehst darin sowie so viel hübscher aus als ich." Ich küsse sie erneut. Diesmal aber deutlich intensiver. Ich drück mich an sie, um ihren glühenden Körper zu spüren. Ihr Hände hinterlassen eine Spur Gänsehaut auf meinem Rücken.
Ein Klopfen lässt uns auseinander fahren.
„War das an unserer Tür?" fragt Felicia atemlos.
„Das war die Tür zum großen Flur." sage ich verwundert. Unsere Freunde klopfen bei uns nie. Die Tür zu unserer kleinen Wohnung steht tagsüber fast immer auf, wenn einer von uns da ist, damit Fynn rein kommt, wenn er mal wieder seinen Schlüsseln vergessen hat, oder Mara schon in sein Zimmer kann, wenn er nicht da ist. Das muss irgendein Erwachsener sein, jemand der sich hier sonst nicht aufhält. Ich stehe auf und laufe aus meinem Zimmer. Als ich die Tür öffne, steht meine Mutter vor mir.
„Mum?" frage ich langsam. Meine Mutter war noch nicht oft hier. Wenn wir uns sehen müssen, komme ich zu ihr nach Hause oder ins Büro.
„Darf ich rein kommen? Ich möchte das nicht hier draußen bereden." bei ihren Worten rutscht mir mein Herz kurz in die Hose. Das hört sich ernst an. Haben sie sich schon entschieden? Will sie mich nur zusammenfalten, weil ich gegen ihre Ansagen gehandelt habe? Ich trete ein Stück zur Seite und schließe einen Moment später die Tür hinter ihr.
„Leander ich..." bevor ich sie aufhalten kann, öffnet sie meine Zimmertür und sieht Felicia auf meinem Bett sitzen.

Wächter der ElementeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt