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Leander:
Ein letzter Blick von der Terrasse aus. Die Finca meiner Großeltern steht keine 50 Meter vom Strand entfernt. Ich war früher fast jeden Sommer hier. Zusammen mit meinem Bruder war ich den ganzen Tag im Meer Baden, habe riesige Sandburgen gebaut und die Zeit mit meinen Großeltern verbracht.
Eine Woche wie die, die jetzt hinter mir liegt, habe ich vorher noch nicht erlebt. Meine Großeltern sind angespannt, reden nicht viel mit mir, gehen mir aus dem Weg und sind abweisend. Ich bin einerseits wirklich froh jetzt abzureisen, andererseits werde ich zurück in die Schule müssen, und ich bin mir ziemlich sicher, dass das unangenehm werden könnte. Mittlerweile hat jeder mitbekommen was für ein Chaos ich mit meinem Element verursacht habe.
„Bis bald." sagt mein Großvater und klopft mir auf die Schulter.
„Mach's gut mein Junge." meine Großmutter gibt mir einen Kuss auf die Wange, bevor beide ein paar Schritte Abstand nehmen.
„Tschau." sage ich, aktiviere mein Kreuz und stehe in der nächsten Sekunde in meinem Zimmer in der SCE.
Bin wieder da. Schreibe ich als Nachricht in Gruppe meiner besten Freunde.
Wir sind beim Sport, kommen in einer halben Stunde zurück. Antwortet mir Kester sofort.

Ich stelle meinen Rucksack ab, stecke mein Handy an das Aufladekabel und schaue aus dem Fenster. Es haben sich einige kleine Gruppe auf der Wiese niedergelassen. Ein paar Schüler, ich denke der Kunstkurs, stehen vor einem der kleinen Teiche und bemalen ihre Leinwände mit bunter Farben. Weiter hinten auf dem Gelände, sehe ich den Volleyball Kurs. Irgendjemand von diesen kleinen gestalten müsste Felicia sein. Das Feld ist leider zweit weg, als das ich die Leute erkennen kann.
Eine Tür wird aufgeschlagen, kurz darauf knallt auch meine Tür auf und Elana stürmt in mein Zimmer.
„Was hast du dir dabei gedacht?" wütend gibt sie mir einen Klaps auf den Hinterkopf.
„Aua!" stoße ich aus und schaue sie nur verwirrt an.
„Was habe ich dir denn jetzt getan?"
„Ich habe gestern morgen mit Felicia gesprochen. Gute Nachrichten. Sie darf trotz der Geschichte mit ihren Eltern auf der Schule bleiben."
Ich atme erleichtert aus.
„Man Leander! Erst bist du mit der Oberzicke Leilani zusammen, mit der es immer nur Streit gab und jetzt... eine Feuerwächterin, dessen Eltern verstoßen worden sind." sagt sie genervt.
„Woher weißt du das?" frage ich verwirrt. Ich bete dafür, dass sie eine Ausnahme ist und es nicht die ganze Schule weiß.
„Sie hat es mir gesagt."
„Freiwillig?" stoße ich aus.
„Nein eher ausversehen. Trotzdem! Warum denn unbedingt sie. Kannst du dich nicht einfach aus sowas raus halten?"
„Was schreit ihr denn hier so? Macht doch wenigstens die Türen zu!" Bene kommt in mein Zimmer und fällt mir mit einer brüderlichen Umarmung um den Hals.
„Habt ihr alles gehört?" frage ich ertappt und begrüße auch Kester, welcher durch meine Tür kommt.
„Nein... nur das Felicias Eltern ausgeschlossen wurden." fragend schauen die beiden mich an.
Shit! Da komm ich nicht mehr raus.
„Könnt ihr eure Klappe halten?"
Beide Nicken eifrig.
„Felicias richtiger Name ist Felicia Decanter." sage ich gerade heraus und beobachte wie es in den Köpfen der Jungs anfängt zu arbeiten.
„Warte... Decanter so wie die Wasserwächter Decanter?" fragt Bene nach.
„Ja. Felicias Vater ist David Decanter, ein Wächter des Wassers." erkläre ich.
„Und ihre Mutter?" Hakt Kester nach.
„Elodie Decanter, geborene Costello. Eine..."
„Wächterin des Feuers." führt Kester meinen Satz zu Ende.
Ich nicke zustimmend.
„Also liegt es in ihren Genen, gegen die Regeln zu verstoßen." witzelt Bene herum und kassiert von mir den Todesblick.
„Wenn ihr beide übrigens weiter gegen die Regel verstoßen wollt, würde ich mal mit ihr reden. Sie war nicht gerade glücklich darüber, das du einfach verschwunden bist und ihr auch nicht geschrieben hast." meldet sich Elana zu Wort.
„Ich hatte mein Handy doch gar nicht mit."
„Das weiß sie aber nicht. Sie denkt, du hast sie ignoriert."
„Ich glaub du solltest los!" sagt Bene grinsend und macht mir Platz, um mein Zimmer schnell zu verlassen. Ich stürme die Treppen herunter, bis ich von einem Arm gestoppt werde.
„Leilani." sage ich stöhnend. Die hat mir noch gefehlt.
„Lele können wir vielleicht reden?" fragt sie mit zuckersüßer Stimme.
„Nenn mich nicht so!" angeekelt von diesem Namen verziehe ich mein Gesicht, schüttelt dann aber ihren Arm ab und laufe einfach weiter. Ich laufe nach draußen, über die grünen Rasenflächen, hinüber zum Volleyballfeld. Dort stelle ich mich an den Rand und beobachte wie Elira gerade den Ball über das Netz spielt. Felicia steht in dieser Mitte des Feldes und bemerkt mich noch nicht. Sie hat ihre langen Haare zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden und trägt figurbetonte enge Sportbekleidung. Ich beobachte eine zeit lang das Spiel, bis sich mein Blick kurz mit Alicas kreuzt und sie anfängt zu grinsen. Sie spielt den Ball in einem perfekten Winkel rüber, sodass die gegnerische Mannschaft keine Chance hat ihn zu erwischen.
Alica deutet Elira mit einem Handzeichen an, in meine Richtung zu schauen und ich Lächeln kurz. Alica ruft Felicias Namen, welche sich dann zu ihr wendet. Nach ein paar Worten die ich nicht verstehe, dreht Felicia sich um und ihre wunderschönen hellbraunen Augen leuchten kurz auf, als sie mich entdeckt. Sie läuft an den Spielfeldrand und sagt ein paar Worte zu Luise, welche kurz darauf an Felicias Position tritt. Felicia kommt auf mich zu und deutet an zu gehen. Wir suchen uns eine ruhige Ecke hinter dem Schulgebäude und bleiben stehen.
Die Stimmung ist angespannt. Ich weiß nicht genau wie ich anfangen soll, wie ich ihr das alles erklären soll, und ob sie all das überhaupt hören möchte. Sie beobachtet mich nur still, macht keinen Anschein irgendetwas sagen zu wollen, weshalb ich einfach los rede.
„Felicia das mit letzter Woche tut mir leid. Dass ich dich verletzt habe tut mir leid, dass ich erst aus dem Arztzimmer gestürmt bin und danach ohne etwas zusagen für mehrere Tage verschwinden bin und auch das ich keine deiner Nachrichten und Anrufe beantwortet habe. Das wurde mir alles zu viel. Ich habe noch nie so stark die Kontrolle verloren wie Letzte Woche Dienstag. Also zumindestens nicht ohne einen Auslöser wie deine Berührungen. Und das hat mich abgeschreckt." erkläre ich ihr.
„Und dann haben meine Eltern mich nach Spanien zu meinen Großeltern geschickt, weil sie nicht wollten, dass ich den Ruf der Familie zerstöre, wenn alle mitkriegen, dass ich mich nicht unter Kontrolle habe. Das ging alles so schnell, das ich nicht mehr mit dir reden konnte."
„Du hättest mir schreiben können." sagt sie trocken.
„Mein Handy lag hier in meinem Zimmer." ich sehe wie angespannt sie immer noch ist.
„Mach das nicht nochmal! Weißt du was für eine scheiß Angst ich hatte. Das du einfach weggehst und mich hier alleine mit dieser scheiße zurück lässt. Diese Ungewissheit ob ich bleiben darf, oder gehen muss. Nicht zu wissen wo ich hätte hin gehen können. Und dann konnte ich nicht mal mit jemanden reden, weil du nicht hier warst." ihr kommen die Tränen.
„Ich hatte jeden Tag Angst meine Sachen packen zu müssen, und dich nie wieder zu sehen."
„Felicia..." sage ich leise. Ohne darüber richtig nachzudenken, nehme ich sie in meinen Arm. Schließe meine Arme fest um sie und hakten sie einfach nur fest. Gebe ihr den Halt den sie braucht und achte nicht darauf, ob uns jemand sehen könnte. Ihre Arme schließen sich um meinen Körper und sie vergräbt ihr Gesicht an meinem Hals. Ich habe nicht darüber nachgedacht wie sehr mein verschwinden Felicia belasten würde. Und es tut mir im Herzen weh, sie so zu sehen. Sie ist immer so stark und raff nach außen hin und ich vergesse oft, wie viel scheiße sie durch machen muss. Ich streichle ihr beruhigend über den Rücken und merke wie sich ihre Atmung langsam beruhigt.
Ich weiß nicht wie lange wir hier so stehen, mit Felicia in meinen Armen verliere ich mein Zeitgefühl. Ihre Atmung ist wieder ruhig und regelmäßig als sie sich von mir löst. Sie sieht mich nicht an, sondern starrt nur auf unsere Fußspitzen die sich berühren. Ich hebe ihr Kinn mit meinen Fingern an und bringe sie dazu, mir in die Augen zu schauen. Vorsichtig wische ich ihr die letzten Tränen von den Wangen.
„Tut mir leid."
„Verschwinde bitte nicht nochmal für eine Woche, ohne mich vorzuwarnen." sagt sei leise und ich schüttelt mit dem Kopf. Ich ziehe sie erneut in eine Umarmung.
„Was zur Hölle..."
Wir springen auseinander und gucken in Alicas große Augen.
„Alica das..." stottert Felicia, doch Alica dreht auf der Stelle um und läuft los.
„Fuck!" fluche ich und laufe ihr hinterher. Ich folge ihr bis in das Wohngebäude, hoch in den Südflügel. Bevor ich hinter ihr die Wohnung betreten kann, knallt sie die Tür zu. Kurz nach mir kommt auch Felicia an und schließt die Tür auf. Ich klopfe an der verschlossenen Zimmer Tür von Alica und bekomme, wie zu erwarten, keine Antwort. Ich kenne Alica schon seit über 15 Jahren und weiß, dass wenn sie mit manchen Situationen nicht umgehen kann, sie sich einsperrt und erstmal alle ignoriert. Das hat sie so gemacht, als sie mich mit einem Feuerball abgeworfen hat, als ihre Tanze verstorben ist, als ihr erster Freund mit ihr Schluss gemacht hat. Bis vor drei Jahren waren wir ziemlich gut befreundet, doch irgendwann, haben wir uns auseinander gelebt. Ich denke gerne an die Zeit zurück und freue mich, das Felicia jetzt in ihr eine so gute Freundin gefunden hat.
„Wir können jetzt nur abwarten, bis sie selber auf uns zu kommt." sage ich zu Felicia.

Wächter der ElementeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt