8.0. Die Spannung

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In diesem Abschnitt werdet ihr alles finden, was ihr wissen solltet, um Spannung aufzubauen, anzuhalten und aufzulösen. Mit den Autoren ist es ein bisschen so wie mit Schachspielern: Sie sind richtig gut in entweder der Eröffnung oder dem Mittelspiel oder dem Endspiel, aber nur selten in allen dreien. Auch ein Buch hat grob gesehen drei Phasen:

1. Der Anfang, in dem der Leser in die Welt eingeführt wird und die Figuren vorgestellt bekommt. Er erfährt, was sie antreibt, was ihre Ziele sind und welche Probleme ihnen bevorstehen. Es werden erste Geheimnisse angedeutet, die im Verlauf der Handlung gelöst werden sollen, und es gibt den berüchtigten Hook/Aufhänger, der noch in einem anderen Kapitel genauer erklärt wird :)

2. Der Mittelteil, in dem die Figuren versuchen, ihre Probleme zu lösen, aber immer wieder auf unvorhersehbare (oder vorhersehbare) Hindernisse treffen. Ihr könnt ihn euch wie ein Wollknäuel vorstellen. Alle Handlungsstränge fangen allmählich an, Sinn zu ergeben. Geheimnisse werden aufgedeckt. Die Spannung steigt immer weiter.

3. Das Ende, in dem alle Handlungsstränge entknotet werden. Alles wird klar. Das Schicksal aller Figuren wird geordnet (oder auch nicht, wenn ihr ein offenes Ende habt). Jedenfalls entlädt sich hier die ganze Spannung, die ihr zuvor aufgebaut habt, und zwar auf möglichst spektakuläre und für den Leser NICHT enttäuschende Weise.

Zum Anfang findet ihr im Abschnitt 6 schon ganz viele Tipps, also werde ich mich hier mehr auf die Spannung im Mittelteil und Ende konzentrieren. (Zum Ende wird es aber auch noch ein eigenes Kapitel geben.)

Nachdem ihr den Leser mit eurem Anfang also »eingefangen« habt, geht es jetzt darum, ihn weiter am Ball zu halten. Im perfekten Fall sollte jedes Kapitel so enden, dass man unbedingt weiterlesen möchte. Egal, ob es jetzt schon drei Uhr nachts ist und man in drei Stunden eigentlich wieder aufstehen muss oder nicht.

Das bedeutet aber nicht, dass jedes Kapitel mit einem Cliffhanger enden muss! Es reicht vollkommen, wenn an irgendeiner Stelle im Kapitel etwas passiert, was zu 100 % Auswirkungen auf die folgende Handlung hat. Ein paar Beispiele, damit ihr versteht, was ich damit meine:

- Der Protagonist erfährt, dass sein bester Freund heimlich mit dem Feind zusammengearbeitet hat, aber das Kapitel endet NICHT mit »Es war Miro, der dich verraten hat«. Stattdessen überlegt der Protagonist, wie er jetzt am besten vorgeht. (Und der Leser auch.)

- Der Protagonist gesteht jemandem seine Liebe. Das zieht meistens immer, weil sowas in der Handlung ziemlich wichtig ist. Die Antwort der anderen Person wirkt sich in allen Fällen irgendwie auf den Protagonisten und die Handlung aus.

- Der Protagonist besteht irgendeine Prüfung/Probe (oder fällt durch). Im Durchschnitt hat das auch einen großen Einfluss auf die Handlung.

- Der Protagonist trifft einen alten Bekannten wieder und das Kapitel endet NICHT mit »Miro? Du? Hier?«, sondern die beiden haben schon IM KAPITEL ein vernünftiges Gespräch. Der Austausch von Informationen zwischen Figuren ist ziemlich wichtig und wird häufig unterschätzt. Außerdem fragt der Leser sich natürlich, wie die neue Figur die folgende Handlung beeinflussen wird.

Allgemein gesagt: Selbst ruhigere Kapitel können spannend sein. Ihr müsst nicht in jedem verdammten Kapitel einen Kampf beschreiben! Das wird erstens nach ein paar Malen langweilig und zweitens wird euer Buch so ziemlich oberflächlich. In Kämpfen kann normalerweise keine Charakterentwicklung stattfinden, weil die Figur da sehr stark damit beschäftigt ist, zu überleben. Charakterentwicklung findet außerhalb von Kämpfen statt (vor Kämpfen, nach Kämpfen, bei einer Pause im Kampf, aber nie IM Kampf).

SCHREIBT MIT AUFMERKSAMKEIT, NICHT FÜR AUFMERKSAMKEIT!!!!!!!!!!!!!!!!!

Damit meine ich, dass ihr euch genau überlegen solltet, wie ihr jedes Kapitel irgendwie einzigartig spannend machen könnt. Angenommen, euer Protagonist reist gerade irgendwo hin. Es interessiert ehrlich gesagt niemanden, dass er über eine Feldstraße geht, dann über eine gepflasterte Straße, dann über eine breite Allee, dann über eine Handelsstraße oder was auch immer. Alle fiebern darauf hin, dass er endlich an seinem Zielort ankommt, aber warum dauert das so lange? Dann überspringt man gerne ein paar Seiten, um an der interessanten Stelle weiterzulesen.

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