4.2. Die doppelte Identität

203 20 27
                                    

Die doppelte Identität ist (wie ich finde) eine der interessantesten und spannendsten Sachen, die man in ein Buch einbauen kann O.o Besonders wenn der Leser zwar vermutet oder weiß, dass es irgendwo einen Verräter oder Spion gibt, jedoch keine Ahnung hat, wer es ist. Das kann einen wirklich verrückt machen und man hat fast durchgängig Angst, dass es eine der Figuren ist, die einem ans Herz gewachsen ist. Wie in »Die Kunst des Krieges« steht:

»Jede  militärische  Operation  beinhaltet  Täuschung.  Selbst  wenn  du  fähig  bist, erscheine unfähig. Selbst wenn du tätig bist, erscheine untätig. Wenn  du  in  der  Nähe  angreifen  willst,  so  täusche  vor,  dass  du  dich  auf  einen  weiten  Weg machst;  wenn  du  in  der  Ferne  angreifen  willst,  mach  die  anderen  glauben,  dass  du  nur  eine kurze Strecke zurücklegen willst.«

Aber genug von Kriegsweisheiten. Kommen wir zu den Tipps und Tricks, wie ihr eine Figur mit einer doppelten Identität in eure Geschichte einbaut, ohne dass sie direkt auffliegt :) (Natürlich könnt ihr den Leser auch absichtlich wissen lassen, wer es ist, damit er sich die ganze Zeit Sorgen um den Protagonisten macht, aber dazu später.)

Figuren mit einer doppelten Identität sind Meister der Täuschung. Sie sind praktisch Schauspieler, nur dass das Stück nie endet und die Bühne die ganze Stadt oder sogar das ganze Land ist. Natürlich sind sie darauf bedacht, sich nicht zu verraten, und sind allgemein sehr vorsichtig. Es ist also sehr unwahrscheinlich, dass sie sich durch irgendeinen dummen Fehler verraten. (Zum Beispiel, dass sie gegenteilige Aussagen über ihre Familie oder so treffen. Bestimmt hat die Figur ihre ausgedachte Hintergrundgeschichte schon tausend Mal durchgekaut, sodass sie diesen Fehler nie im Leben machen würde.)

Die Figur ist also ziemlich schlau und hinterlistig und zudem auch noch gut im Lügen, was schonmal eine sehr gefährliche Kombination ist. Je nach Aufgabe wird die Figur einen anderen Charakter annehmen, um ihr Ziel zu erreichen.

Angenommen, die Figur ist einfach nur ein Spion und soll geheime Informationen herausfinden, die dann an ihren Auftraggeber weitergegeben werden (sie kann aber auch nur für sich selbst arbeiten). Dann wird sie wahrscheinlich versuchen, das Vertrauen desjenigen zu erlangen, der diese Informationen besitzt. Der Spion wird sich dieser Person also irgendwie unauffällig nähern müssen, ohne dass es zu plötzlich oder zu überstürzt wirkt. Es muss alles so natürlich wie möglich geschehen (und bitte ohne das Klischee »Ich bin aus dem Nichts gekommen und habe dir das Leben gerettet, also vertraust du mir jetzt einfach!«). Hier wäre zum Beispiel ein guter Ansatz, sich als jemand Hilflosen auszugeben. Das hat vor allem folgenden Vorteil:

Wenn die Person Mitleid mit dem Spion hat, ihn wirklich bei sich aufnimmt und versucht, sich mit ihm anzufreunden, wird sie nicht vermuten, dass er eigentlich etwas Schlechtes plant. Schließlich hat die Person denjenigen freiwillig zu sich genommen. Der Spion hat sich nicht aufgedrängt. Sowas fühlt sich sehr natürlich an, aber natürlich kannte der Spion den Charakter der Person und wusste, dass sie ihn bei sich aufnehmen würde. Es war alles vorher genau geplant.

Angenommen, der Spion ist nicht nur hinter geheimen Informationen her, sondern muss auch zusätzlich Sachen manipulieren. Dann kann er nicht nur im Hintergrund bleiben, sondern braucht auch etwas mehr Macht, um in Aktion treten zu können. Er könnte zum Beispiel Zugang zu bestimmten Gebäuden, Zimmern oder Personen brauchen. Das bekommt er nur hin, wenn es andere Leute gibt, die auf ihn hören und ihn respektieren. Hier passt das mit dem hilflosen Jemand also nicht mehr und es muss eine andere »Annäherung« her. Eventuell beweist der Spion sich in einem Wettkampf oder zieht auf eine andere Art Aufmerksamkeit auf sich, sodass er von den anderen für seine Verdienste schonmal gut angesehen wird. Dann arbeitet er sich allmählich die »Machtleiter« hoch, bis er in Aktion treten kann. Auch hier gilt: Es muss möglichst natürlich wirken.

Schreibtipps & -tricksWo Geschichten leben. Entdecke jetzt