13 - Das ist das Hässlichste, was ich je gesehen habe

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Daphne und ich schlendern die folgende Stunde durch das riesige Einkaufszentrum, wobei wir natürlich als Erstes einen Abstecher zu besagtem Diner machen.

Die Tische davor sind alle voll besetzt, aber nirgends sind Footballspieler unserer Schule zu sehen. Da Shawn mir bereits geschrieben hat, dass er nicht in der Stadt ist, habe ich auch nicht damit gerechnet, Simon – oder vielmehr seinen Körper – irgendwo zu entdecken.

Daphne jedoch sieht ein wenig enttäuscht neben mir aus, weshalb ich sie in den nächstbesten Klamottenladen zerre. „Was wird das, Eric?", kichert sie, als ich beginne, an einem Kleiderständer, der Sonderangebote auspreist, zu wühlen.

„Wir lenken uns jetzt ab." Ich ziehe ein Oberteil, das mit glänzenden, grünen Pailetten bestickt ist, hervor und halte es prüfend vor ihren Körper.

Angewidert verzieht sie ihr Gesicht. „Spinnst du? Das ist das Hässlichste, was ich je gesehen habe."

Begeistert strahle ich sie an. „Echt? Dann gewinne ich ja!"

„Eric, nein", lacht sie und schüttelt den Kopf.

„Eric, doch", erwidere ich und suche bereits nach einer Hose oder einem Rock, der auf gar keinen Fall zu diesem Oberteil passt.

Schon seit der Mittelstufe machen Daphne und ich uns manchmal einen Spaß daraus, in Klamottenläden eine Art Contest abzuhalten. Wir suchen für den anderen ganz schreckliche, nicht zusammenpassende Dinge heraus und wer das hässlichste Outfit zusammenstellen kann, hat gewonnen.

Daphnes Augen formen sich zu Schlitzen. „Na warte!", droht sie und dreht ab.

„In fünf!", rufe ich ihr nach, damit sie weiß, wann wir uns vor den Umkleiden treffen.

„Gib mir wenigstens zehn, du hast einen Vorsprung!", schreit sie lachend zurück und dreht in die Herrenabteilung ab.

Zu ihrem Oberteil finde ich noch einen braunen Blazer aus Polyester mit goldenen Nadelstreifen und einen Rock aus altrosafarbener Spitze, der ihr wahrscheinlich bis zu den Schienbeinen geht.

Vor mich hin glucksend spaziere ich durch den Laden und schaue, ob ich noch irgendwelche Accessoires entdecken kann, die den Look meiner besten Freundin abrunden könnten.

An einem Ständer mit Hüten bleibe ich stehen, als mein Handy in meiner Hosentasche vibriert. Schnell ziehe ich es heraus, mein Herz pocht schon wieder im dreifachen Tempo in meiner Brust.

Als ich auf das Display schaue, beruhigt es sich wieder ein wenig, denn es ist nur Daphne, die mir schreibt.

Daphne

Hilfe!

Was ist los? Findest du
nichts, was meinen
schönen Körper
entstellen könnte?

Nein! Hilfe!

Daph, was ist los?

ER ist hier! Bzw. SIE!

Wer jetzt? Ein er oder
eine sie?

Nein, du Trottel!
Tom und Till!

Erschrocken reiße ich den Kopf hoch und versuche, den gesamten Laden zu überblicken, auf der Suche nach den blonden Haaren der Zwillinge. Entdecken kann ich jedoch keinen.

Daphne

Wo bist du?

In der Herrenabteilung.

Dann komm doch zurück.

Spinnst du? Dann sehen
die mich!

Ich hab das Gefühl, das
fänden die gar nicht so
schlimm ;)

Eric! Komm jetzt her!

Augenrollend stecke ich das Telefon ein und mache mich auf den Weg in den hinteren Teil des Geschäfts.

Schließlich kann ich die Köpfe der Zwillinge vor einem Regal mit Boxershorts ausmachen und als ich etwas genauer schaue, erspähe ich Daphnes Sneakers unter einem Kleiderständer direkt hinter den beiden Footballspielern.

Ich straffe meine Schultern und gehe direkt auf die beiden Jungs zu. Kurz bevor ich sie erreiche, räuspere ich mich einmal laut, damit sie meine Anwesenheit bemerken und ich nicht wie ein gruseliger Stalker hinter ihnen auftauche.

Einer der beiden, ich bin nicht nah genug dran, um zu erkennen, ob er einen Leberfleck neben der Nase hat, dreht sich zu mir und sein Gesicht erhellt sich, als er mich erkennt. Mit dem Ellbogen stupst er seinen Bruder in die Seite, der sich ebenfalls zu mir dreht.

„Oh hey!", tue ich so, als wäre ich eigentlich auf der Suche nach Boxershorts und hätte die beiden gar nicht wahrgenommen. „Wurdet ihr auch zum Shoppen verdonnert?"

Der, der sich als Zweiter umgedreht hat, lacht und nickt. „Ja, voll ätzend, wenn man noch pennen will und einen die Eltern aus dem Bett scheuchen."

Ich rolle mit den Augen und nicke mitleidig, während ich versuche, nicht zu dem Kleiderständer hinter ihnen zu schauen.

„Und was kaufst du so?", will der Erste mit einem Blick auf meinen Arm, der noch immer die Auswahl für Daphne hält, wissen. „Halloween ist doch schon vorbei."

Ertappt reiße ich die Augen auf. „Ja, äh ... das ist für Daphne."

Der Zweite mustert die Pailetten skeptisch und hebt eine Augenbraue. „Sicher, dass das ihr Stil ist?"

Okay, der muss Tom sein, auch ohne Leberfleck.

Ich lächle beschämt und zucke mit den Schultern. „Wahrscheinlich nicht, du hast recht."

Tom, zumindest der Zwilling, den ich jetzt als Tom in meinem Kopf abgestempelt habe, blickt sich suchend um. „Ist ... ist sie denn hier?"

Auch der andere schaut sich um und schon bin ich wieder verwirrt, wer jetzt der Richtige ist.

„Ähm ... ja", erwidere ich langgezogen und stelle mich sogar auf die Zehenspitzen, um so zu tun, als würde ich ebenfalls den Laden nach ihr absuchen. „Aber keine Ahnung, wo sie ist. Die ist so klein, die verliert man total leicht. Wie lange habt ihr denn gestern noch gemacht?"

Der erste Zwilling winkt ab. „Nicht so lange. Simon wollte irgendwie gleich nach Hause, dabei ist er sonst immer derjenige, den man gar nicht los wird."

Der Zweite nickt zustimmend. „Der war richtig komisch drauf gestern, oder?"

Ich stehe unschlüssig herum und weiß nicht recht, was ich darauf sagen soll. „Ja ... äh ... wenn ihr Daphne seht, könnt ihr sie ja zu mir schicken, okay?"

Die Jungs tauschen einen kurzen Blick aus, den ich nicht ganz zu deuten weiß, ehe sie synchron nicken.
„Und ... äh ... du kannst sie ja von uns grüßen, wenn wir sie nicht sehen sollten", sagt der von mir vermutete Tom.

Obwohl keiner von ihnen jetzt irgendwelche Boxershorts aus dem Regal genommen hat, entfernen sie sich von mir und gehen zügig durch den Laden.

Ich blicke ihnen nach, bis ich sie nicht mehr sehen kann, und lehne mich an den Kleiderständer. „Kannst rauskommen, Sherlock. Die Luft ist rein."

„Meinst du, sie haben mich gesehen?", zischt der Kleiderständer und ich muss unwillkürlich lachen.

„So gut können die nicht schauspielern, ich denke eher, sie suchen dich jetzt."

Daphnes Wuschelkopf taucht neben mir auf, ihr Blick folgt meinem, doch weil sie knappe zwei Köpfe kleiner ist als ich, kann sie natürlich noch weniger sehen. „Wieso?"

Ich drehe mich zu ihr und grinse breit. „Ich würde wetten, sie stehen beide auf dich, Kleines."

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