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Es war Mittwochabend, seit meiner Geburtstagsnacht hatte ich Elijah nicht mehr gesehen. Ich wusste nicht, wo er war und nach seinem Geständnis machte ich mir umso mehr Sorgen. Er war depressiv und ich seine Freundin, was so viel hieß, dass ich ihm helfen musste und wollte. Elijah durfte nicht an sein Ende denken, sondern an seine Zukunft. Aber das tat er nicht.

Aufzugeben ist kein Ausweg. Das ganze Leben hinzuschmeißen ist keine Option. Es geht einfach nicht. Ich glaubte, egal, was mir passieren würde, Selbstmordgedanken würde ich niemals haben. Mein Leben ist mir zu wertvoll, ich hatte es bis hier her geschafft und würde es noch weiter bringen.

Aber leider war nicht jeder derselben Meinung wie ich, sowie Elijah. Ich konnte ihn nicht ganz verstehen und vielleicht war das der Grund, wieso er sich distanziert hatte. Das Leben ist so verdammt wertvoll, man hat nur eines. Dieses sollte man schätzen.

Ich hörte, wie jemand die Klingel betätigte. Hastig lief ich nach unten und öffnete die Tür.

„Elijah!", rief ich erleichtert und fiel ihm um den Hals. „Du tust so, als hättest du mich wochenlang nicht gesehen", meinte Elijah. Er klang nicht wie sonst, sondern sorgevoll. „Ist alles in Ordnung?", wollte ich wissen. „Ja, natürlich ist alles in Ordnung", erwiderte Elijah und lächelte. Ich bemerkte, dass das kein echtes Lächeln war.

„Möchtest du jetzt meinen Vater kennenlernen? Er ist gerade Zuhause und kocht etwas", sagte Elijah. „Gerne, soll ich mir etwas Anderes anziehen?", fragte ich. Elijah sah kurz an mir herab. „Nein, das passt gut so", stellte er schließlich fest.

Wir gingen rüber in sein Haus und ich war schon ein wenig aufgeregt. Elijahs Mutter hatte ich schon kennengelernt, aber da waren Elijah und ich noch nicht zusammen, weshalb es noch keine ein wenig unangenehme Fragen gab.

„Oh, Lilith, wie schön, dich endlich mal kennenzulernen! Elijah hat schon so viel von dir erzählt", begrüßte mich Elijahs Vater freudig. „Ich bin Martin." „Hallo", lächelte ich und reichte ihm die Hand. „Mich freut es auch."

„Ihr könnt noch nach oben gehen, das Essen wird noch ein wenig dauern. Du bist keine Vegetarierin, oder?", fragte Martin mich. „Nein, bin ich nicht", antwortete ich freundlich und folgte Elijah nach oben in sein Zimmer.

„Er ist sehr aufgeregt", meinte Elijah. „Dein Vater?", erwiderte ich verdutzt. „Ja. Es ist schließlich das erste Mal, dass mich jemand in meinem Alter mag", entgegnete Elijah. „Verdammt, das weißt du doch gar nicht", meinte ich und setzte mich zu ihm aufs Bett.

„Lilith, die Zwillinge kommen auf unsere Schule."

Entsetzt starrte ich Elijah an. „Du machst Scherze oder?" „Wieso sollte ich Scherze machen?" Elijah lachte bitter auf. „Du musst sie ignorieren, okay? Dann können sie dir gar nichts tun", meinte ich besorgt. Das war gar nicht gut!

„Ich habe mit dem Gedanken gespielt, die Schule abzubrechen", gestand Elijah. „Ich halte das für keine gute Idee", entgegnete ich skeptisch. „Meine Eltern auch nicht, also werde ich das wahrscheinlich auch nicht tun", meinte Elijah. „Es ist besser so, glaub' mir. Biete ihnen die Stirn, ich weiß dass du das schaffst", ermutigte ich meinen Freund. Vergebens.

Martins Kochkünste waren ziemlich faszinierend, das Essen schmeckte unglaublich. Mich störte die Stimmung. Elijah hatte dermaßen schlechte Laune, dass er jeden damit ansteckte. Ich war ziemlich überzeugt, dass Martin versuchte, es sich nicht ansehen zu lassen, wie sehr ihn diese depressive Stimmung nervte, genau so wie ich.

Ich versuchte, Elijah zu verstehen. Aber es klappte einfach nicht und ich konnte mich in diesem Moment deswegen echt hassen. Was war ich denn schon für eine Freundin, wenn ich meinen Freund nicht verstehen konnte?

Martin erwies sich als unglaublich sympathischer Mensch, sein Charakter glich dem von Elijah. Ich nahm an, dass er auch gemerkt hat, dass mit seinem Sohn etwas nicht stimmte. Jeder würde das merken, Elijah war verdammt still und hatte einen emotionslosen Blick. Es quälte mich zuwissen, dass ich ihm nicht helfen konnte, ihm nicht reichte.

„Vielen Dank für das Essen, es hat wirklich fabelhaft geschmeckt!", bedankte ich mich bei Elijahs Vater. „Das freut mich sehr, gern geschehen", lächelte Martin freudig. „Warst du Mum schon besuchen?", fragte Elijah plötzlich. Martins Lächeln verschwand. „Die Ärzte geben ihr nur noch wenige Wochen", sagte er bemüht ruhig.

Es musste wahnsinnig für ihn sein, seine Frau nach und nach zu verlieren. Diesen Schmerz konnte und wollte ich mir gar nicht vorstellen. Wenn Elijah etwas passieren würde... Schnell vertrieb ich den Gedanken. Elijah passte auf sich auf, er würde sich niemals etwas antun.

„Verdammt, wieso gibt es noch keine Heilmethoden für Krebs? Sie erfinden so ach so tolle, selbstfahrende Autos, womit sie richtig viel Geld machen können, aber eine Methode, wie man Krebs heilen kann? Nein, da verdienen sie ja gar nichts mehr", fauchte Elijah wütend. „Deine Mutter würde nicht wollen, dass du dich so aufregst. Beruhig' dich, Elijah. Für jeden kommt einmal die Zeit", meinte Martin. „Ich hasse dieses verdammte Leben", zischte Elijah und rauschte aus dem Raum.

wild words ✓Onde histórias criam vida. Descubra agora