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Beim Training der Magischen hatte Amanda zu ihrem Bedauern nicht halb so viel Spaß wie gegen Jasper. Offenbar verstand hier niemand, dass die Magie von Hexen anders funktionierte, als die von Feen, so dass die meisten Übungen Amanda überhaupt nichts brachten.

Insgeheim hatte sie gehofft, dass sie Kamilla oder wenigstens ihren Anhängsel hier begegnen würde, damit sie sie noch einmal herausfordern konnte. Gleichzeitig wäre es schon ein Armutszeugnis für die Darkwood gewesen, wenn so jemand in die besten Kampf-Kurse eingeteilt worden wäre. Dafür war das Niveau der Kurse dann doch zu hoch.

Stattdessen sah Amanda Emi am Rand des Feldes stehen. Für ihre Form der Magie funktionierten diese Übungen ebenfalls nicht.

Mesa-Magie.

Wieder schüttelte es Amanda. Jemand, der nie dieser Magie zum Opfer gefallen war, konnte sich nicht vorstellen, wie schrecklich es war. Wenn man Glück hatte, wusste man nicht, dass man verzaubert worden war. Etwas wie 'Du freust dich über dein Geburtstagsgeschenk' war ein harmloser Zauber, den man nicht mitbekam. Aber so subtil war Amandas Mutter nie gewesen. 'Hör auf zu reden' oder 'Geh nach draußen und komm erst wieder rein, wenn ich dich rufe' waren ihre Lieblingsbefehle gewesen.

Emi hatte gesagt, dass sie auf Amandas Seite sei. Wieder sah die Hexe zu der Mesa-Fee herüber. Wenn das stimmte, war es vielleicht ihre beste Chance, den Kampf gegen diese Magie zu üben.

Als Amanda den Platz überquerte, folgten ihr neugierige Blicke.

„Dein Kampf mit Jasper hat sich rum gesprochen", bemerkte Emi und grinste geheimnistuerisch.

„Dabei ist es doch erst ein paar Stunden her."

„Lang genug, um es anderen zu erzählen. Hat er dir auch erzählt, dass er Platz Zwei ist?"

Amanda strich ihre Bluse glatt, ehe sie sich setzte. Das hier war ein riskantes Bündnis. Falls es überhaupt eins werden sollte. „Ist er das nicht?"

„Er war es letztes Jahr. Aber das wechselt regelmäßig zwischen ihm und Joelle."

„Joelle?" Amanda hatte den Namen schon mal gehört.

„Bist wohl echt nicht so eng mit Aisha. Ihre Freundin."

Joelle, Aishas feste Freundin war Platz zwei oder drei und trotzdem traute Kamilla sich, sie herum zu schubsen?

„Weil Aisha nie was sagt." Emis Augen funkelten. Hatte sie gerade Amandas Gedanken gelesen? „Und falls du dich fragst, ob ich deine Gedanken gelesen habe, nein. Ich habe nur angenommen, dass du das gleiche denkst, wie wir alle. Warum tut sie nichts?"

„Kamilla hat gesagt, dass Aisha nicht mal Flügel hat. Stimmt das?"

Emi legte nachdenklich den Kopf schief, während sie darauf wartete, dass eine Gruppe zu neugieriger Feen vorbei ging. „Wenn man den Gerüchten glaubt, kann Aisha momentan ihre Magie überhaupt nicht mehr nutzen."

Amandas Nacken verspannte sich schmerzhaft. Wenn man die eigene Magie verlor, war die Hilflosigkeit fast noch schlimmer, als unter Einfluss von Mesa-Magie. „Ist etwas passiert?"

„Nicht, dass ich wüsste. Aber Aisha und ich stehen uns auch nicht wirklich nahe. Warum? Willst du ihr helfen?"

Dafür hatte Amanda wirklich keine Zeit. Sie musste sich auf ihr Training konzentrieren. Wenn sie nicht all ihre Zeit und Konzentration in sich selbst investierte, würden ihre Fortschritte darunter leiden.

Die verkrampften Muskeln in ihrem Nacken zwangen Amanda dazu, die Schultern zu heben.

„Ah verdammt."

*

Amanda war nicht hier, um Freunde zu finden. Sie war hier um mächtig genug zu werden, um ihre Heimat zu retten.
Also warum zur schwarzen Meerestiefe hatte sie schon am nächsten Morgen ihren Zeitplan geändert? Während Aisha noch schlief schlich Amanda sich hinaus, um ihr morgendliches Training zu absolvieren. Sie sammelte kalte, feuchte Magie aus dem Tau auf den Wiesen und aus dem nebeligen Dunst am Waldrand. Wasser selber war zwar nicht ihre Magie, aber Eis bestand ja schließlich aus Kälte und Wasser.

Im Morgengrauen und ohne den Einfluss der anderen Magischen spürte Amanda die Magie, die Darkwood umgab nur noch deutlicher. Ein bunter Mix aus allem, was magisch war. Allerdings spürte man auch das Verdorbene auf der anderen Seite des Waldes lungern. So viel Macht zog früher oder später auch Monster an.

Aber an diesem Morgen waren nicht die Monster ihr Ziel. Amanda war gerade zurück im Speisesaal, als auch Aisha eintraf. Aus dem Augenwinkel sah sie Kamillas Gruppe lachen und auf die Wasserfee zeigen. Amanda nahm sich ein Tablett und drängelte sich mit finsterem Blick an den anderen Wartenden in der Schlange vorbei. Niemand traute sich zu protestieren, sobald sie die Hexe erkannten.

„Wie heißen die?" Amanda war direkt hinter Aisha angekommen und deutete nun auf eine Schale mit Beeren, die sie nicht kannte.

Wie erwartet zuckte die Wasserfee erschrocken zusammen. „Eh. Das sind Wasi-Beeren", erklärte sie stotternd. „Aus dem Masela-Gebirge."

Amanda nickte. „Schmecken sie?"

Aisha war sichtlich von dem normalen Gespräch verwirrt. „Ein bisschen bitter. Aber ganz gut in Honigquark."

Amanda nickte und nahm sich beides. Sie frühstückte zwar lieber herzhaft, aber dass würde ihre Absicht doch zu eindeutig machen.

Aisha verstand erst, was Amanda tat, als sie ihr zu dem Tisch etwas abseits folgte. „Was tust du?", fragte sie in pipsigem Flüsterton. Könnte Amanda nicht ein wenig Lippenlesen, hätte sie sie nicht verstanden.

„Frühstücken. Und du?" Amanda drehte ihren Stuhl so, dass sie Kamilla direkt ins Gesicht sehen konnte. Der Erdfee gefror das Lachen.

„Ich meine das hier", zischte Aisha weiter. „Du bist doch normalerweise um diese Zeit schon fertig."

„Du kennst meinen Tagesablauf?" Amanda versuchte ein freundliches Grinsen, aber Aishas Reaktion nach, sah es nicht sehr freundlich aus. Mit einem Seufzen ließ sie das Spiel sein. „Hör zu. Ich mache das hier nicht, um freundlich zu sein oder so. Ich kann es nur nicht leiden, dass es Bereiche gibt, in denen meine zugige Hinterwäldler-Schule der ach-so-tollen Darkwood überlegen ist."

Aisha hätte fast ihr Müsli ausgespuckt. „Wir sind unterlegen?"

Amanda nickte, ohne den Blick von Kamilla zu lassen. „Wir treten nicht nach unten. Wenn jemand schwächer ist, dann ist das nicht dein Problem. Aber wenn jemand ins Stolpern gerät, dann packst du gefälligst zu. Wir kämpfen vielleicht nicht auf dem gleichen Schlachtfeld. Aber wir alle kämpfen für die Balance der Mächte."

Aisha folgte Amandas Blick zum Tisch der anderen Feen, zuckte aber sofort wieder zurück, als sie sie entdeckte. „Das klingt so ziemlich nach genau dem Gegenteil von dem, was du sonst erzählst."

Endlich konnte Amanda ihre Augen von den Feen lösen. „So? Die Tatsache, dass ich Nummer Eins werden will und dafür mich nicht lieb Kind mit allen machen muss, schließt nicht aus, dass ich euren Kampf trotzdem anerkenne. Ich mag es nur nicht, wenn man mir oder anderen im Weg steht."

Aisha versank beinahe in ihrem Müsli. „Aber tue ich nicht genau das? Dem Kampf im Weg stehen?"

Amanda ließ ihren Löffel so laut in die Schale fallen, dass ringsrum alle zusammenzuckten. „So sehr wie du versuchst, allen aus dem Weg zu gehen, wie kannst du da irgendwem außer dir im Weg stehen? Stimmt es, dass du deine Magie überhaupt nicht mehr nutzen kannst?"

Aisha sank noch tiefer in ihrem Stuhl. Das leise „Ja" erahnte Amanda auch mehr an ihren Lippen und dem Verhalten.

„Das hatte ich auch schon", gab Amanda geradeheraus zu. „Du kannst mir bei meinem Training helfen. Vielleicht bringt dich das wieder auf die richtige Bahn."

Mit Augen so groß wie Untertassen sah die Wasserfee jetzt wieder auf. „Du willst mir helfen?"

Amanda verzog das Gesicht. „Hast du schlechte Ohren? Du sollst mir helfen." Aber dieses Mal erschreckte ihr Grinsen Aisha nicht mehr.

(Making of) Fate - New MagicWhere stories live. Discover now