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Amanda folgte der Lehrerin durch einen schmalen Seiteneingang in einen Flur, der zu einer Seite vollständig aus Fensterbögen bestand. Egal wie oft sie über das Schulgelände ging, es fühlte sich so unwirklich an. Das feste, saftige Gras unter ihren Füßen. Die himmelhohen Laub- und Nadelbäume mit ihren dichten Baumkronen. Alles an diesem Ort war so - so gesund. Es war so anders als Muir.

„Es ist Ihnen also ernst damit, dass Sie kämpfen wollen."

Nur unwillig wand Amanda ihren Blick von der lebendigen Landschaft ab. „Haben Sie daran gezweifelt?"

Ein Lächeln huschte über die Lippen der älteren Frau. „Nicht im geringsten. Ich hatte nur gehofft, dass Sie meinen Rat rechtzeitig befolgen würden."

„Rechtzeitig?" Amanda horchte auf. Herr Filbert hatte auch immer mit den Worten gespielt, als wäre sie zu dumm, zu verstehen, was impliziert wurde. Frau Salomon nahm immer noch an, dass Amanda sich früher oder später ihre Worte zu Herzen nehmen würde. „Wofür ist es denn zu spät?" Wut und Angst durchzuckten Amanda gleichermaßen. Zwei Zitteraale in ihrem Element. Frau Salomon hatte immer noch die Macht, sie zurück auf ihre Insel zu schicken. Aber das würde sie nicht tun, oder? Herr Silver schien die Szene sehr unterhaltsam gefunden zu haben. Und auch sonst hatte Amanda hier und da Auseinandersetzungen gesehen, die weiter gingen als nur ein paar böse Worte.

„Für eine Freundschaft mit Skylar und Louise zum Beispiel."

Verdutzt blieb Amanda stehen. „Wem?"

Aber die Schulleiterin rollte demonstrativ mit den Augen. „Ich mag Sie Amanda. Aber deswegen kann ich Sie nicht anders als die anderen Schüler hier behandeln. Verstehen Sie?" Amanda nickte, obwohl sie nicht sicher war, worum es der Schulleiterin ging. „Ich werde Sie jetzt testen." Die Schulleiterin blieb nun ebenfalls stehen und drehte sich herum. In ihrer Hand hielt sie eine winzige, goldene Nähnadel. „Ihre Spezialität ist Eis. Ich will dass Sie einen Faden aus Eis einfädeln."

„Jetzt und hier?" Es war nicht so, dass Amanda sich die Aufgabe nicht zutraute. Aber auf eine Prüfung war sie nicht vorbereitet.

„Gibt es ein Problem damit?"

„Nein, kein Problem." Amanda wollte nach der Nadel greifen, doch Frau Salomon zog die Hand zurück.

„Auf diese Entfernung."

Amanda kniff die Augen zusammen. Wie sollte sie ihre Magie durch eine Öffnung führen, die sie nicht sehen konnte?

„Sie haben damit gedroht, einem Mitschüler den Herzmuskel zu gefrieren. Für solche Angriffe braucht man viel Feingefühl. Ich habe gesehen, wie viel Schaden Sie mit großen Angriffen anrichten können. Aber ohne Fingerspitzengefühl werden Sie es nicht auf den ersten Platz der Magischen schaffen."

Das hatte gesessen. Mit den Händen vor sich in der Luft sammelte Amanda Luft und Wasser aus ihrer Umgebung. Dann legte sie die Hände ineinander, als würde sie um Almosen betteln. Nur das Amanda niemals um irgendwas betteln würde. Langsam und mit voller Konzentration streckte Amanda beide Zeigefinger, bis sich ihre Spitzen berührten, während sie die restlichen Finger um einander schloss.
Frau Salomon hatte Dinge ausgesprochen, die Amanda nicht hatte hören wollen. Ihre Stärke war es, große Mengen von Magie freizusetzen, nicht so eine Fitzelei. Gegen die Ertrunkenen machte es keinen Unterschied wo man sie traf, nur das man sie traf und dann so hart wie möglich.

Amanda hatte sich so sehr auf die Prüfung konzentriert, dass sie jegliches Zeitgefühl verloren hatte. Erst als sie die Magie nicht mehr durch ihre verkrampften Hände lenken konnte, ohne das die Muskeln nachgaben, gestand die Hexe ihre Niederlage ein. „Sie können mir nicht erzählen, dass das irgendwer wirklich schafft! Ich kann die Nadel ja kaum sehen!", protestierte sie und Scham erhitzte ihre Wangen. So war sie noch nie gescheitert.

(Making of) Fate - New MagicWhere stories live. Discover now