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Donnerstag, 17. Oktober 2019

Die Euphorie liess mich nicht mehr los. Das breite Lächeln wollte nicht aus meinem Gesicht weichen. Mein Herz hüpfte noch immer auf und ab.

Larah und ich hatten uns für später noch verabredet. Sie wollte mir die beste Tapasbar von ganz Spanien zeigen. Ich konnte es gar nicht mehr abwarten und zählte schon die Minuten.

Doch nun freute ich mich erstmals darauf, Charlie von all dem Geschehenen zu erzählen. Ich schloss die Tür zu unserer Hütte auf und begab mich auf direktem Weg zu Charlies Zimmer. Ich klopfte laut an die Tür. "Charlie?", rief ich, doch bekam keine Antwort. Ich klopfte erneut, diesmal noch etwas lauter. "Charlie? Bist du wach?"

Es war erst kurz nach zehn Uhr. Vermutlich schlief er noch tief und fest seinen Kater aus. Nach kurzem Überlegen entschied ich mich doch dazu einzutreten. Schwungvoll öffnete ich die Holztür und hielt mir dabei die Augen zu. Als ich jedoch nichts hörte, öffnete ich sie langsam. Das Bett war leer. Unbenutzt.

Instinktiv schaute ich hinter die Tür, obwohl er sich da natürlich niemals verstecken würde. Zu diesem Zeitpunkt dachte ich mir noch nichts dabei und als ich auch das Bad und mein Zimmer leer vorgefunden hatte, nahm ich automatisch an, dass er vielleicht bei den anderen Vier geschlafen hatte.

Vielleicht war er so betrunken gewesen, dass Sam und Timo ihm angeboten hatten, bei ihnen auf dem Sofa zu schlafen.

Ich machte mich also auf den Weg und lief den Trampelpfad zwischen den Sträuchern und Gebüschen entlang.

Hanna öffnete mir fröhlich die Tür. "Guten Morgen", sagte sie und bat ich mit einem Kopfnicken herein.

Ihre Hütte war bei weitem unordentlicher als unsere. Badesachen und Klamotten häuften sich auf der Couch und auf dem Fussboden hatten sich einige zerstreute Schuhe und Handtücher verirrt.

"Kaffee?", bot mir Hanna an, doch ich lehnte ab. "Nein, danke. Ich bin nur auf der Suche nach Charlie. Ist er hier?"

Sie zog die Augenbraue hoch. "Charlie? Nein. Soweit ich weiss nicht." Sie nickte in Richtung Küchentisch und jetzt erst bemerkte ich Ester, welche mechanisch ihr Müsli löffelte und verschlafen ins Leere blickte. "Frag sie. Kann auch gut sein, dass ich was nicht mitbekommen habe." Sie zog die Schultern hoch und rauschte in die offene Küche ab.

Als ich ihren Namen aussprach, drehte Ester ihren Kopf ganz langsam in meine Richtung. "Bei mir hat er nicht gepennt. Ich bin nach Hause gekommen und direkt ins Bett. Da seid ihr alle noch am Strand gewesen."

"Ja. Bis ich mit Larah gegangen bin. Ich dachte, Sam und Timo haben ihn vielleicht mitgenommen."

Sie verengte die Augen. "Dann solltest du die Zwei mal fragen. Letzte Tür links."

Als ich mich von ihr abgewandt habe, schüttelte ich mit gerunzelter Stirn ratlos den Kopf.

Leider versicherten mir Sam und Timo, dass Charlie bestimmt nicht bei ihnen geschlafen hatte. Allerdings erwähnte Timo einen sehr interessanten Namen. Bella.

"Bella ist aber noch vor Larah und mir gegangen", wandte ich ein.

"Ich weiss", Timo nickte, "aber Charlie hat immer wieder von ihr gesprochen."

"Ihr seid also noch vor Charlie gegangen. Wann habt ihr ihn zuletzt gesehen?"

Kurze Stille ehe Sam antwortete: "Wir sind nicht vor ihm gegangen. Er war plötzlich nicht mehr da. Und da er ja von Bella gesprochen hatte, dachten wir er sei zu ihr gegangen."

"Ohne sich zu verabschieden?", hakte ich skeptisch nach. Irgendwie konnte ich diese Geschichte nicht ganz glauben. Aber weswegen sollten sie mich anlügen?

Aus ihnen war nichts Weiteres herauszukriegen. Aber dem Ratschlag, ich sollte bei Bella nachsehen, folgte ich trotzdem. Ich rief also Larah an um zu fragen, wo Bella wohnt, damit ich vorbeischauen konnte. Sie entgegnete, dass Charlie mit Sicherheit nicht bei Bella geschlafen hat, da Bella ihn nicht mit nach Hause nehmen würde und sie ja sowieso vor uns gegangen war.

Ich schilderte ihr die ganze Situation.

"Falls Charlie aus irgendeinem unerklärlichen Grund doch bei ihr geschlafen haben sollte, wird er sowieso nicht mehr da sein. Bella ist schon weg. Sie musste heute früh raus, da sie ihre Oma besucht."

"Kannst du sie vielleicht trotzdem anrufen und nachfragen?", fragte ich.

Larah seufzte. "Also gut, wenn dich das beruhigt." Nach einer kurzen Pause fügte sie hinzu: "Hast du Charlie denn nicht erreicht?"

Erst jetzt fiel mir ein, dass ich ja noch gar nicht versucht hatte ihn anzurufen. "Ich habe ihn noch gar nicht angerufen", gab ich zu, "daran habe ich überhaupt nicht gedacht."

"Na also", sie schnalzte mit der Zunge. "Dann rufe ich jetzt Bella an und du versuchst Charlie zu erreichen."

Gesagt getan. Bei Charlie landete ich allerdings direkt bei der Mailbox. Der Teilnehmer mit der Nummer blablabla ist momentan nicht verfügbar.

Genervt legte ich auf. Einige Minuten später kam die Nachricht von Larah.

Larah: Hat nicht bei Bella geschlafen.

Erst jetzt fing ich an mir Sorgen zu machen. Wenn ich sagen würde, dass passt nicht zu Charlie, dann wäre das gelogen, denn zutrauen würde ich ihm das schon. Einfach zu verschwinden, ohne ein Wort zu sagen. Aber ohne seinen Geldbeutel? Der lag nämlich noch immer auf dem Küchentisch.

Ich konnte mir nur schwer vorstellen, dass er abgehauen war. Wohin auch? Trotz all dem, verschwendete ich keinen Gedanken daran, dass ihm etwas passiert sein könnte. Das passiert allen, aber nicht ihm, dachte ich. Und obwohl dieser Gedanke irgendwie egoistisch klang und absolut keinen Sinn ergab, schlich er sich trotzdem in meinen Kopf.

Ich konnte nichts unternehmen, sondern musste abwarten.

***

Charlie ist also verschwunden und (Spoiler) wird nicht wiederkommen.

Was denkt ihr, was wohl mit ihm passiert ist?

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