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Dienstag, 13. Oktober 2020

"Willst du mir wirklich nicht verraten wo wir hinfahren?", frage ich bestimmt schon zum vierten Mal, doch Larah will mir keine Antwort geben. Sie zuckt nur mit den Schultern. Ein freches Grinsen im Gesicht.

Ich kurble also das Fenster runter und schaue hinaus. Wir fahren auf der Autobahn Richtung Osten. Auf Larahs Seite glitzert das Meer, ich sehe nur Bäume rechts von mir.

Als ich heute Morgen aufwachte stand Larah schon in meinem Zimmer. Ich hatte mich fürchterlich erschrocken. Sie meinte, dass sie etwas für mich vorbereitet hat und ich mich jetzt beeilen müsste. Ich habe nicht einmal meine Zähne geputzt.

Bevor wir aber wirklich losfuhren, machten wir noch schnell beim Bäcker halt und kauften uns zwei Schokoladenbrötchen, ich mir noch ein Energy-Drink, welches ich wirklich brauchte, da es mit Mary am Vorabend ziemlich spät geworden war.

Ich habe mich dazu entschieden Mary Sherling zu mögen, auch wenn sie ziemlich seltsam ist. Sie hat mir von ihren spirituellen Fähigkeiten erzählt, Karten legen zu können und Visionen der Zukunft zu haben. Ich habe nur gelangweilt zugehört, denn eigentlich glaube ich nicht an so was. Ich glaube ja nicht mal an Aliens oder Parallelwelten.

Als sie mir angeboten hat meine Handlinien zu lesen, habe ich dankend abgelehnt. Auch ohne solchen Quatsch weiss ich, dass die Zukunft nicht besonders rosig für mich aussieht.

Ich hoffe einfach, dass das nächste Jahr ohne Charlie nicht mehr so qual- und schmerzvoll sein wird, wie das erste. Ich kann mir zwar nicht vorstellen, jemals wieder so richtig glücklich zu sein, aber ich will es versuchen.

Ich bin noch nicht mal eine Woche hier und merke schon wie gut es mir tut, nicht mehr in Deutschland zu sein. Obwohl ich mich hier in Noja Charlie nicht wirklich nahe fühle. Irgendwie funktioniert das nicht so, wie ich es mir vorgestellt habe. Ich würde mich ihm wahrscheinlich erst nahe fühlen, wenn ich selbst tot bin.

Verstohlen werfe ich Larah einen Blick zu. Jedes Mal wenn ich sie ansehe, haut mich ihre Schönheit immer wieder aufs Neue um. Wie kann ein Mensch so viel Schönheit besitzen? Sie muss Gottes Liebling sein, da bin ich mir sicher.

Sie bemerkt, dass ich sie beobachte und wirft auch mir einen Blick zu. Allerdings nur einen kurzen, da sie ihre Aufmerksamkeit wieder auf die Strasse richten muss. "Was ist los?", fragt sie mich lächelnd. "Wieso starrst du mich an?"

"Weil du wunderschön bist", antworte ich mit sanfter Stimme.

Sie lacht verlegen und prompt röten sich ihre Wangen. "Ach komm", sagt sie strahlend, "hör schon auf." Dabei weiss ich ganz genau, wie sehr sie sich über meine Worte gefreut hat.

Kurz darauf verlässt sie die Autobahn, biegt nach 2 Kilometer links ab und fährt einen schlecht geteerten Weg nach unten. Durch die hohen Bäume und Büsche kann ich das Meer sehen und ich ahne wohin uns dieser Ausflug führt.

Als wir kurz darauf am Wegrand anhalten löst meine Vermutung ein ungutes Gefühl in mir aus und als Larah dann schliesslich die Abdeckung der Ladefläche zur Seite schlägt, bestätigt sich meine Vorahnung.

Mein Blick wandert von den Surfbrettern zu Larah, zurück zu den Surfbrettern, auf die hohen Wellen im Meer und wieder zurück zu Larah, welche mich hoffnungsvoll anschaut.

"Nein, vergiss es", sage ich trocken. Larah zwinkert mir aufmunternd zu. "Komm schon."

"Ich sagte nein Larah. Du weisst, dass ich nicht mehr surfe. Warum bringst du mich hier her?" Es ist nicht so, dass ich Angst davor habe ohne Charlie zu surfen. Es ist nur etwas, was ich immer mit ihm geteilt habe und es plötzlich ohne ihn zu tun fühlt sich wie ein Verrat an.

Gefährliche Wellen | ✔️Where stories live. Discover now