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Dienstag, 01. Oktober 2019

Die Flutlichter erhellten inzwischen den grossen Fussballplatz, um den wir seit gut zehn Minuten Runden drehten.

"Tempo Männer, Tempo!" Ein lauter Pfiff einer Trillerpfeife folgte. Charlie Herron trabte lässig neben mir her, während ich wie ein Walross schnaufte und mich kaum noch auf den Beinen halten konnte.

Charlie war schon immer der sportlichere von uns gewesen. Schon damals in der fünften Klasse, als wir im Gymnasium in die selbe Klasse eingeteilt wurden.

In der ersten Sportstunde spielten wir Völkerball und Charlie warf mir den Ball mitten ins Gesicht, worauf ich mir die Nase brach. Obwohl er mich nur auslachte und sich, bis heute, nicht bei mir entschuldigt hatte sind wir seither beste Freunde.

"Aals", rief Alexander Lind, unser Fussballtrainer, mit lauter Stimme. "Na los, bloss nicht schlapp machen!"

Ich legte einen Zahn zu. Nur zu gut konnte ich mir mein knallrotes Gesicht vorstellen.

Charlie grinste mich frech an. "Wir haben doch gerade erst angefangen."

Ich verdrehte die Augen. "Halt die Klappe", gab ich zurück und biss die Zähne zusammen, als ich ein Stechen in der Seite spürte. "Pass auf, sonst muss ich dich gleich von Mund zu Mund beatmen."

"Untersteh dich. Nicht jeder kann so sportlich sein wie du und nicht jeder kann fünfmal die Woche ins Fitnessstudio gehen – so wie du."

Charlie war sehr gross und muskulös gebaut, mit breiten Schultern und so. Seine blonden, etwas längeren Haare hatte er hinten im Nacken zusammengeknotet.

"Wie soll das denn in ein paar Tagen auf dem Brett aussehen, wenn du so wenig Ausdauer hast?", redete Charlie weiter. Ich verdrehte die Augen. Sah er denn nicht, dass ich völlig ausser Atem war und gerade nicht sprechen konnte?

"Das ist was vollkommen anderes. Das Eine hat mit dem Anderen nichts zu tun", presste ich trotzdem zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor.

Charlie lachte herzlich auf und lief ganz entspannt neben mir vorbei, überholte auch den Rest der Mannschaft und stellte sich an die Spitze.

Alex pfiff erneut – das Zeichen, dass Schluss war. Erleichtert hielt ich an und schnappte nach Luft. Ich stützte mich keuchend auf den Knien ab und spuckte auf den Rasen. Einen kurzem Moment wurde mir fast schwarz vor Augen. Ich konzentriere mich auf meine Atmung.

Ein und aus. Ein und aus.

Nach und nach wurde das Seitenstechen immer wie weniger und ich gesellte mich schliesslich zum Rest der Truppe.

"Das wars für heute Jungs. Arbeitet unbedingt an eurer Kondition, vor allem du Vincent", Alex warf mir einen Blick zu. „Bis nächste Woche." Er schwang den Arm und gab uns so das Zeichen, dass wir in die Umkleide gehen konnten.

Schon setzte ich mich in Bewegung und wollte meiner Mannschaft folgen, als Alex meinen Namen rief: "Vincent, du noch nicht. Bleib bitte noch kurz hier."

Charlie warf mir einen kurzen, fragenden Blick zu, ehe er den anderen Jungs hinterher schlenderte.

Ich blieb zurück und fragte: „Was ist los?", obwohl ich es mir eigentlich schon denken konnte.

Er seufzte und zog die buschigen Augenbrauen zusammen. Sein Schnurrbart verdeckte seine Oberlippe. "Ich habe dich heute beobachtet, die ganze Woche schon, um ehrlich zu sein. Und Vincent... du musst unbedingt an deiner Ausdauer arbeiten, weil du der Erste im Teams bist, der schlapp macht." Eindringlich sah er mich an.

Ich zuckte mit den Schultern. "Irgendjemand muss es ja sein."

"Aber nicht du, Junge!" Er klopfte mir mit seinem Klemmbrett leicht auf den Kopf. "Du warst mal ganz oben an der Spitze." Alex hob den Arm in die Höhe, um mir zu demonstrieren, wie hoch ich einmal gewesen war.

Gefährliche Wellen | ✔️Where stories live. Discover now