7.2: Ein wahres, erwachsenes Wunder ...

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Ein Chor von Klickgeräuschen war zu hören, wie sie entstanden, wenn man ein Foto mit einer sehr alten Kamera schoss. Mit jedem Klicken wurde ein weiterer Tank durchsichtig. Präsentierte einen weiteren Körper, schwerelos in einer gelblichen Flüssigkeit. Anatol Nye. In verschiedenen Altersstadien, vom Baby bis zu seinem jetzigen Alter. Sie sahen fast alle ungesund aus, ausgemergelt, mit verkümmerten Gliedmaßen oder Verwachsungen.

Anatol torkelte die wenigen Treppen vom erhöhten Weg am Rand des Raums hinunter, dann weiter, zwischen den Reihen hindurch wie ein Zombie, während es Chander an seinen Platz am Rand gefroren hatte.

Und der Doktor hörte nicht auf zu reden. „Klone, das war die Lösung, auf die man damals kam."

„Klone", echote Chander und starrte auf die Tanks.

„Hmhm. Es muss eine glorreiche Zeit gewesen sein, solch mächtige Magie, solch brillante Wissenschaftler. Ich habe den Verdacht, die Menschheit wird mit den Jahren immer dümmer. Ich meine: Vier ehemalige Großmächte haben bis jetzt versagt. Eine hat ihr Wissen verloren, eine andere hat es mit dem Gottspielen übertrieben und alles Erbmaterial verseucht, der dritten fiel keine Lösung gegen den natürlichen Verfall ein und das Erbmaterial der letzten wurde zerstört." Schadenfrohes Gelächter echote von den Wänden.

„Und Genrivien macht", begann Chander und fuchtelte mit der rechten Hand in Richtung Tanks, „das?" Das Gefühl war in seinen Körper zurückgekehrt. Ein Gefühl von Übelkeit und Kälte und Hitze.

Derweil schwoll die Brust des Doktors vor Stolz an. „Alle noch existierenden Großmächte machen das. Oder zumindest etwas Ähnliches. In Genrivien hat eine Forschungseinrichtung achtzehn Jahre Zeit, einen Reinen auf dem neuesten Stand und mit leicht angepasstem Aussehen zu entwickeln. Nach den achtzehn Jahren werden stets hundert Klone angefertigt. Irgendetwas geht ja immer schief, da ist es besser, Auswahl zu haben."

Das war Wahnsinn. Purer Wahnsinn, der unmöglich wahr sein konnte. „Aber es gibt nicht alle achtzehn Jahre einen neuen Reinen", flüsterte Chander und verstand sich fast selbst nicht.

Serrano hob die Schultern. „Sie werden noch ein paar Jahrzehnte auf Eis gelegt, bis der jetzige Reine stirbt. Bei seinem Tod saugt und sammelt eine Maschine seine Magie aus dem Dazwischen, damit sie auf den neuen Reinen übertragen werden kann. Von den hundert werden dann die besten zehn ausgewählt und dann wird ausgelost. Ein anderer der Leitenden, Doktor Brandt, der Glückspilz, setzte auf Anatol und bekam das Recht, ihm seinen Namen zu geben und ihn zu begleiten. Ihr Vorname beginnt immer mit dem ersten Buchstaben ihres Ursprungs und ihr Nachname gibt die Generation an. N steht also für die vierzehnte. Nett, nicht wahr? Zumindest das machen alle Großmächte exakt genauso."

Chanders Blick zuckte immer schneller von Tank zu Tank. „Und was ist mit dem Rest?"

„Hm? Die Hälfte der restlichen Mitarbeiter zieht mit in die neue Einrichtung, wo sie die neuen Mitarbeiter einweisen, die andere Hälfte wird entlassen. Die restlichen Klone bleiben auf Standby, damit man einen Ersatz hat, sollte sich die erste Wahl als unbrauchbar herausstellen oder sterben. Sie altern parallel zur ersten Wahl, um einen Austausch so glatt wie möglich gestalten zu können. Interessanterweise erleben sie in ihrer Standby-Zeit die Erinnerungen des ursprünglichen Reinen Anurú. Es hat etwas mit der ursprünglichen Magie zu tun, mit der das System immer noch arbeitet, aber wir verstehen auch heute nicht ganz, wie es funktioniert. Nun, irgendein armer Tropf muss immer zurückbleiben und versuchen so viele Klone wie möglich so lange wie möglich am Leben zu erhalten. Ihr seht ja, was passiert, wenn sie zu lange in den Tanks bleiben und dort altern. Die erste Grenze liegt bei zehn Jahren. Wenn die Klone in den Tanks ihr achtzehntes Lebensjahr erreichen, sind sie kaum noch zu gebrauchen."

„Wieso sind sie dann immer noch hier?", fragte Chander leise und meinte eigentlich ‚Wieso haben Sie diese Seelen nicht erlöst?'.

Der Doktor sah von seiner Handgelenksuhr auf. „Sie sind mir ans Herz gewachsen und ich bin mir sicher, dass es ein paar zähe Kerlchen gibt, die bis heute durchgehalten haben. Man weiß ja nie. Jetzt muss ich mich aber empfehlen, entschuldigt."

Der Tanz von Sonne und MondNơi câu chuyện tồn tại. Hãy khám phá bây giờ