Kapitel 15

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Die Drillinge halfen Mamá gerade im Vorgarten mit den Pflanzen, denn sie mussten gegossen und der Unkraut gezupft werden, als ein Bauer mit einem Lastwagen hochgefahren kam. Einmal in der Woche brachte er Julieta besondere Zutaten, irgendwelche Kräuter, über die Bruno schon längst den Überblick verloren hatte.

Sein Esel lief unermüdlich den Berg hoch und der Bauer winkte schon von weitem der Familie freudig entgegen. „Schön ruhig ist es hier", sagte er als Begrüßung und sprang vom Kutschbock. „Unten ist gerade eine sehr angespannte Stimmung."

„Wieso denn?", fragte Mamá und klopfte ihre Hände an ihrer Schürze ab. „Bei den Pérez' ist die Hölle los", erzählte er und Bruno horchte auf. „Den ganzen Tag schon brüllen sich die da drinnen an. Es ist unerträglich."

„Was meinst du mit ‚anbrüllen'?", fragte Bruno und vergaß den Pflanzentopf, um den er sich gekümmert hatte, komplett.

„Na ja, Adella brüllt herum – du kennst ja ihre laute Stimme", erklärte der Bauer. „und die andere Frau, Lucia, brüllt noch lauter zurück. Als wäre es ein Schreiwettbewerb.", er zuckte mit den Schultern. „Aber ich glaube, es wird bald aufhören, denn entweder sind die beiden heiser geworden oder sie haben sich langsam geeinigt.", er wandte sich von Bruno ab und ging mit Julieta die Ladungen durch.

„Siehst du", Pepa stieß Bruno mit ihrem Ellenbogen an. „Es dauert nicht lange, und der Streit zwischen den beiden ist vergessen."

„Ich weiß aber nicht, ob ich es vergessen kann", murmelte Bruno. Er würde Adella niemals dafür vergeben, dass sie ihre Hand Lucia gegenüber erhoben hatte.

„Ich weiß, aber wie Mamá es bereits gesagt hatte: Es geht uns nicht wirklich was an.", Pepa ging zurück zu ihrer Arbeit. „Außer, du hast vor Lucia zu heiraten, sodass du ein Teil ihrer Familie wirst und Adella dann so deswegen fertig machen kannst", fügte sie hinzu.

Doch als sie Brunos überlegende Miene sah, verdrehte sie die Augen. „Das war ein Witz, hermano"

Es dauerte nicht lange und der Bauer fuhr wieder zurück ins Dorf. Julieta brachte die Gläser mit ihren Zutaten in die Küche, während Pepa ihr half. Es schien wie eine freundliche Geste, aber Bruno wusste, dass sie sich nur vor der Arbeit drücken wollte.

Also waren es nur noch er und Mamá, die sich um die Pflanzen kümmerten, aber auch sie wurden ziemlich schnell unterbrochen, als sich eine rennende Gestalt immer näher zu ihnen kam. Während Mamá sich noch fragte, wer das wohl sein könnte, hatte Bruno sie bereits erkannt; er ließ die Gießkanne fallen und das Wasser floss heraus. „Lucia!", schrie er und rannte auf sie zu.

Lucia sah nicht sehr gut aus; ihre Augen waren verheult und sie hatte überall Kratzer an den Armen. „Bruno!", rief sie und kaum war er bei ihr, da ließ sie sich auch in seine Arme fallen. Sie weinte noch immer und Bruno hielt sie fest.

Er wollte sie so vieles fragen, aber das war nicht der richtige Moment dafür.

„Sie haben mich verstoßen, Bruno!", schniefte sie in seine Arme. Bruno sank zu Boden, hielt sie aber noch immer fest. Es war wie im Zimmer hinter der Wand, als Bruno geweint hatte, nur hatten sie ihre Plätze getauscht. „Ich bin kein Teil der Familie mehr! Ich habe keine Familie mehr!"

Bruno strich ihr über den Rücken. „Du bist noch immer ein Teil meiner Familie, Lucia.", sagte er sanft. „Du gehörst zu uns und wir gehören zu dir."

Und plötzlich verstand er.

Seine Vision – die, die er hatte, als er Andres über seine Ernte erzählt hatte. Die Frau, die zusammengebrochen auf dem Boden geweint hatte, war Lucia! Ohne es zu wollen, hatte er ihre Zukunft gesehen. Es lag wohl daran, dass sie sich mit im Raum befunden hatte. Ihr Schicksal hatte sich in das von Andres' eingeschlichen und sich für Bruno offenbart.
Das war unglaublich! Er wusste nicht, dass sowas möglich war! Nun, genaugenommen wusste er nur sehr wenig über seine Kräfte, aber das war was vollkommen Neues!

Ich sehe dich, BrunoWo Geschichten leben. Entdecke jetzt