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Der Sportlehrer begleitete uns wieder zurück in die Sporthalle. Die Stunde würde in zehn Minuten zuende sein, diese Zeit bis dahin durften wir nutzen, um uns zu duschen und uns umzuziehen. Normalerweise duschte ich mich nicht, aber heute war mir danach.

Ich legte meine frischen Sachen auf die Bank vor der Duschkabine und duschte erst einmal mit heißem Wasser. Meine Beine hatten nach dem einige verbrannte Stellen, doch das war mir herzlich egal. Von mir aus sah ich aus wie Krebs, das war es mir wert.

Ich legte mir das Handtuch um den Körper und zog mir Flipflops an. Mit einem knarzenden Geräusch öffnete ich die Kabinentür und wollte mir meine Sachen nehmen. Aber diese lagen nicht mehr auf der Bank.

„Welcher verfickter Hurensohn ist auf diese Idee gekommen?!", schrie ich wütend. Aber eigentlich wusste ich ja schon, wer. Und derjenige würde es so zurückkriegen, das schwor ich mir in diesem Moment.

„Was schreist du denn so?" Wütend sah ich in die Richtung, woher Killians Stimme kam. Dort, am Ende des Flurs, lehnte er an die Wand, hielt meine Sachen in der Hand und sah mir amüsiert zu, wie ich mich total blamierte. „Gib sie mir zurück!", stieß ich hervor.

„Was? Das hier?", fragte er gespielt dumm und wedelte mit meinen Klamotten. Dabei fiel mein pinker BH zu Boden. Wie peinlich war das bitte?

„Uppsala, was ist mir denn da runter gefallen?", sagte Killian und tat so, als wäre er überrascht. Er bückte sich und hob ihn auf. Kritisch wurde mein BH gemustert. „Du bist so ein Wixxer, Killian!", fauchte ich. „Ich weiß", lachte er unbekümmert.

Ich dachte angestrengt nach. Ihm die Sachen aus der Hand zu reißen, war keine gute Idee. Mein Handtuch könnte mir runter- oder hochrutschen, und das wäre nicht so... toll.

„Man Killian, ich flehe dich an, gib mir meine Sachen! Es ist echt nicht mehr lustig!", jammerte ich verzweifelt. „So? Ich finde es sehr amüsant, wie verzweifelt du vor mir stehst, und dann auch noch nackt", neckte Killian mich. Ich sah ihn mit meinem Todesblick an.

„Hol sie dir doch", flüsterte Killian und trat zwei, drei Schritte näher. Kopfschüttelnd sah ich ihn an. „Bitte tu mir das nicht an!", keuchte ich. Ein wenig mitleidig musterte er mich. „Komm näher, Püppchen."

Vorsichtig ging ich auf ihn zu. „Wieso nennst du mich so? Ich bin keine Puppe", sagte ich verwirrt. „Ach echt? Du siehst einfach aus wie ein reizendes Püppchen. Das soll keine Beleidigung sein", sagte Killian schulterzuckend. „Was dann?" Statt eine Antwort zu geben, lächelte Killian nur geheimnisvoll.

Ich stand nur noch einen halben Meter von ihm entfernt. „Noch näher?", wisperte ich. Gleich darauf räusperte ich mich. Ich klang viel zu eingeschüchtert.

Killian trat noch einen Schritt nach vorne. „Jetzt passt es", meinte er. Ich wollte mir meine Sachen nehmen, aber Killian hob seine Hand nach oben, sodass ich nicht mehr ran kam.

„Das ist unfair", zischte ich. „Das Leben ist nicht fair, Püppchen. Wieso sollte ich dann fair sein?", erwiderte Killian. Grübchen erschienen, als er lächelte. Doch es war kein nettes Lächeln. Es war ein böses und galt ganz allein der Person, die hinter mir stand.

Erschrocken drehte ich mich um. Nicht einen Meter entfernt von mir stand eine schwarz eingekleidete Gestalt. Ihr Gesicht wurde von der Kapuze verdeckt.
„Geh", sagte Killian zu mir und drückte mir die Sachen in die Hand. Verblüfft sah ich ihn an. Doch er hatte nur noch Augen für die unbekannte Person, welche mich seelenruhig beobachtete. „Geh, verfickt nochmal!", schrie Killian. Ich zuckte zusammen und verschwand in der Umkleidekabine. Den restlichen Schultag blieb Killian verschwunden.

Es war drei Uhr nachmittags, als mir siedend heiß einfiel, dass ich noch heute ein Referat mit Killian machen musste. Ich sprang auf und schnappte mir mein Handy, welches ich vor zehn Minuten auf den Boden fallen gelassen hatte, aber natürlich ausversehen. Nur war ich zu faul, um es wieder zu holen, weshalb ich Löcher in die Luft gestarrt hatte.

Ich öffnete Instagram und schrieb Killian.

„Kommst du zu mir oder ich zu dir?"

Im Grunde war es ja egal, da er gleich nebenan wohnte. Aber ich wusste nicht, ob ich seine Familie sehen oder kennenlernen wollte.

„Komm zu mir. Ich erwarte dich bei der Eingangstür. Du bist leise."

„Ja. Bis gleich."

Ich zog meinen Eyeliner nach, legte noch etwas Parfum auf und warf einen letzten Blick in den Spiegel. Ich sah aus, als wäre ich gerade aufgestanden, aber das war eigentlich auch der Fall. Nicht einmal gegessen hatte ich etwas.

Rasch ging ich hinüber zum Nachbarshaus, wo Killian tatsächlich schon am Türrahmen lehnte und auf mich wartete. „Komm rein und sei leise. Mein Vater sitzt mit meinem Bruder im Wohnzimmer und sie sollten dich nicht hören", sagte Killian knapp und schloss die Haustür hinter mir. Fragend sah ich ihn an, doch er ignorierte mich.

Ich folgte Killian durch das Haus. Fast alles war schwarz hier. Der Boden, die Wände, die Möbel, einfach alles. Es war alles sehr düster eingerichtet, es roch ganz gut nach Rosen. Sogleich erblickte ich schwarze Rosen in einer schwarzen Vase auf dem Tisch neben der riesigen Treppe.

Das Treppengeländer, wo man sich festhielt, war silber. Oben angekommen befanden wir uns auf einem langen Flur, dessen Ende man schwer erkennen konnte. Links und rechts an den Wänden hingen viele schwarz-weiße Bilder, welche einen silbernen Rahmen besaßen. An jeder Tür hing ein Schild, wo der Name des Raums oder der Name der Person, der der Raum gehört, stand.

Killian merkte, dass ich mich intensiv umsah und ging zu dem Bild, welches ich mir gerade ansah. Auf dem Bild erkannte man eine kleine, arme, aber glückliche Familie. Zwei kleine Jungs und ihre Eltern.
Im Hintergrund war eine schwarze Wand, auf der Rosen gemalt waren, in silbernen Farben.

„Bist das du?", fragte ich zaghaft und deutete auf den kleinen Jungen rechts im Bild.
„Ja", sagte Killian leise.

Seine Augen strahlten in den schönsten Farben, obwohl das Bild schwarz-weiß war.

bittersweet like heroine ✓ Where stories live. Discover now