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Das Wochenende war viel zu schnell vergangen. Ich hatte geschlafen, gelernt, gegessen und dann weiter gelernt. Die Aufgaben, die wir bekommen hatten waren sehr viel umfangreicher, als erwartet. Kaum zu fassen, dass es schon wieder Montag war.

Ich stand in der Küche und nippte an meinem heißen Kakao. So hatte ich mir das Studium nicht vorgestellt.

In einer halben Stunde musste ich losfahren. Nachdem ich meine Tasse ausgetrunken hatte, ging ich ins Bad und versuchte mich äußerlich wieder in ein menschliches Wesen zu verwandeln. Die nächtlichen Lernsessions hatten dunkle Ringe unter meinen Augen hinterlassen.

Seufzend schob ich die ganzen Hefte in meinen abgetragenen Rucksack.

„Ich geh los. Bis später Bruderherz!"

„Viel Spaß, Em.", rief mein verschlafener Bruder aus der Küche.

Dann zog ich die Tür hinter mir zu und stieg auf mein Fahrrad. Ob es wohl eigenartig sein würde Alex nach der ganzen Gen- und Brudersache als Lehrer wiederzusehen?

Je länger ich darüber nachdachte, desto komischer fühlte ich mich bei der ganzen Sache.

Sollte ich einfach so tun, als wäre das alles nie passiert? Wie würde er sich verhalten?

Und dann war da auch noch mein dämliches Herz, was schon allein bei einem einzigen Blick von ihm Purzelbäume schlug.

Ich war gerade erst an der Uni angekommen und schon platzte mir fast der Kopf. Ich musste wirklich mal einen Gang herunterschalten, sonst würde ich noch wahnsinnig werden.

„Emma!" Eddi und Mina kamen auf mich zu gelaufen.

„Hey, Leute. Na, wie war euer Wochenende?"

Das zierliche Mädchen sah mich mit einem Blick an, der mehr sagte, als Worte je könnten. „Welches Wochenende? Ich habe die ganze Zeit nur über diesen doofen Aufgaben und Büchern gehockt." 

Eddi nickte wehleidig. „Bei mir war es auch so. Ich dachte die ersten Wochen würden entspannt werden." Sein rotes Haar stand in alle Richtungen zu Berge, so dass ich bei seinem Anblick unweigerlich an einen zerstreuten Professor denken musste.

Das schrille Signal zur Erinnerung an den baldigen Beginn der Vorlesungen hallte über den Hof. „Auf in den Kampf!", rief Eddi und streckte seine Faust in Lüfte.

Aus Minuten wurden Stunden und als ich in der Mittagspause in meinen Apfel biss, stellte ich mit erschrecken fest, dass ich in nicht einmal 10 Minuten Unterricht mit Alex hatte. Ich saß steif wie ein Brett neben Eddi und Mina.

„Was ist denn mit dir los?", meine blonde Freundin warf mir einen verwunderten Blick zu.

„Mir ist nur gerade aufgefallen, dass die Pause schon in 10 Minuten endet.", stammelte ich.

Eddi begann zu lachen. „So sitze ich auch immer da, wenn ich bemerke, dass meine Freizeit begrenzt ist." Ich verdrehte nur die Augen.

„Emma, sag mal, hast du Lust heute Nachmittag mit mir shoppen zu gehen?", fragte Mina plötzlich. „Klar.", erwiderte ich strahlend. Das war jetzt genau das was ich brauchte: Ablenkung.

Als wir frisch umgezogen in der Turnhalle ankamen war Alex bereits da.

Sein Blick streifte uns und blieb einen kurzen Moment an mir hängen bis er sich wieder den anderen Studenten widmete. Meine innerliche Anspannung wurde mit jedem Schritt, jedem Meter den ich ihm näher kam, größer.

Als das alt bekannte Startsignal ertönte reihten wir uns alle vor dem blonden Trainer auf.

„Heute trainieren wir eure Ausdauer. Oft muss man Täter über Kilometer verfolgen. Ihr müsst den längeren Atem haben als sie, wenn ihr sie einholen wollt. Ich renne voran. Wer bis zum Ende der Stunde meine Geschwindigkeit durchhält ist auf einem guten Stand. Die anderen werden beginnen jeden Morgen zu joggen." Der schrille Klang von Alex' Pfeife echote durch die Halle, dann Fußgetrappel.

„Na toll, die Folterstunde schlechthin.", stöhnte Eddi auf, während er neben mir herlief.

„Rede nicht, sonst bekommst du noch Seitenstechen.", keuchte ich.

Wow, Alex hatte echt ein Tempo drauf. Die rothaarige Bohnenstange neben mir verdrehte die Augen.

Von da an liefen wir stumm nebeneinander her. Irgendwann fiel Eddi zurück.

Ich konzentrierte mich nur noch auf meinen Atem und meine Schritte, alles andere verschwamm um mich herum. Mit jedem Meter, den ich zurücklegte, nahm das Zittern meiner Muskeln zu.

Müdigkeit und Schwäche krochen in meine Knochen. Gerade als ich aufgeben wollte ertönte der erlösende Pfiff. Das war die längste Stunde meines Lebens. Völlig außer Atem sah ich auf. Vor mir stand nur Alex und das Grinsen, was er mir zuwarf, machte den Muskelkater, den ich morgen höchstwahrscheinlich haben würde, sofort wieder wett. Ich warf ihm ein müdes Lächeln zu.

Erst jetzt bemerkte ich die staunenden Blicke meiner Kommilitonen. Niemand außer mir hatte es geschafft. Wow. Zu mehr Gedanken war mein erschöpftes Gehirn nicht im Stande.

„Ab jetzt wird wohl fast der gesamte Kurs Laufen gehen müssen. Tut euch gern mit jemandem zusammen, der besser ist, um euch gegenseitig zu steigern. Dann bis Mittwoch." Mit diesen Worten verabschiedete Alex uns in den Feierabend und kam dann auf mich zu. „Emma, hast du einen kurzen Moment?" 

Das akkurat sitzende Sportshirt, was sich perfekt an seinen Körper schmiegte, stand in scharfem Kontrast zu seinen unordentlichen, in alle Himmelsrichtungen abstehenden Haaren. Mein Herz begann so schnell zu schlagen, als würde ich immer noch rennen.

„Klar.", stimmte ich nickend zu.

Aus dem Augenwinkel registrierte ich eine völlig aufgeregte Mina, die begeistert unseren Trainer und mich anstarrte während sie mit Eddi tuschelte. Ich verkniff mir ein Schmunzeln.

Mina war diese eine Freundin, die dich mit jedem gutaussehenden Jungen shippt, der auch nur mal kurz in deine Richtung geblinzelt hat. Aber irgendwie war es ja auch süß. Ich würde lügen, wenn ich behaupten würde, dass es keine schöne Vorstellung wäre. Doch Vorstellung bleibt Vorstellung.

Alex' Räuspern riss mich aus meinen Gedanken.

„Also, ich wurde gebeten heute Abend allein in ein vermeintliches Drogenhaus zu gehen. Dort soll mit Prostitution, Waffen und Rauschmitteln im großen Stil gehandelt werden. Der Kopf des kriminellen Handels soll Cameron Taylor sein. Leider hat es bisher niemand geschafft ihm all das nachzuweisen. Wir müssen Beweise in seiner Wohnung sicherstellen. Er hat überall seine Leute, also wäre es gut, wenn du niemandem davon erzählst. Lust auf deinen ersten richtigen Einsatz?"

Oh. Mein. Gott. Alex und ich. Zu zweit. Auf Verbrecherjagd. Das war der Hammer! Okay, jetzt bloß nicht ausflippen.

„Auf jeden Fall!", erwiderte ich strahlend. „Sehr gut. Dann treffen wir uns heute Abend um 20 Uhr an der 5th Avenue." Alex' entschiedener Tonfall jagte ein aufgeregtes Kribbeln durch meinen ganzen Körper. 

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