K a p i t e l | 13

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Visions of Gideon - Sufjan Stevens

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Die Feier dauerte lange. Loki und ich tanzten noch eine Weile, leisteten Thor und seinen Freunden Gesellschaft und unterhielten und über alles mögliche. Loki erzählte mir von der Entstehung Asgards und von der bevorstehenden Götterdämmerung names Ragnarok.

Doch irgendwann wurde mir langweilig. Meine Füße taten langsam weh. Stundenlang lauschten wir nur den Klängen der Musik und hörten dem Klatsch und Tratsch der Gäste an. Loki schien es ähnlich zu gehen. Gelangweilt starrte er in seinen Becher. Dann stellte er ihn fast etwas zu schwungvoll ab (er wäre beinahe heruntergefallen und der Met ausgekippt). Voller Tatendrang sah er mich an.
"Komm mit!"

Er schnappte nach meiner Hand und zog mich Richtung Ausgang. "Was? Wohin?"
"Weg hier."
Ich blieb stehen. "Aber du bist der Prinz, fällt das nicht auf, wenn du plötzlich weg bist?"
"Pfff!", Loki winkte ab. "Das mach ich andauernd. Komm!"
Wir verließen den Ballsaal und liefen durch die goldenen Flure. Schon nach der ersten Abbiegung wurde das Gemurmel und die Musik leiser. Die Luft wurde klarer und ich atmete tief durch. Ich hatte gar nicht gemerkt, wie stickig es dort drin war.

Draußen war es dunkel. Vereinzelte Fackeln beleuchteten die Wege und ließen ihr goldenes Licht in die Nacht hinaus schimmern. Ich war noch nie im Dunkeln durch Asgard gelaufen. Wir hatten den Palast hinter uns gelassen und liefen nun durch einige Straßen mit edlen Villen.
"Wo gehen wir hin?", fragte ich neugierig.
"Zu den Gärten."

Wir passierten einen steinernen Torbogen und schlagartig wurde es dunkler. Der Garten war nachts nicht beleuchtet und auch Fackeln gab es hier nicht. Ich sah kaum noch die Hand vor Augen. Da flackerte ein grünes Licht auf und plötzlich lag auf Lokis Handfläche eine kleine Flamme. Ich sah ihn überrascht an. "Wow!"
Ich hatte ja schon oft gesehen, wie Loki seine Magie benutzte. Aber meistens hatte er es getan, um sein Aussehen zu verändern. Wenn wir zum Beispiel in die Stadt gingen, und er nicht erkannt werden sollte.
So einfach kleine Dinge, wie Feuer hatte er nie gemacht.

Die kleine Flamme spendete gerade genug Licht, um den Weg erkennen zu können. Hecken und Obstbäume säumten den Weg. Ab und zu sah ich steinerne Treppen oder Torbögen. Loki hielt an einem kleinen Teich. Ein Brunnen plätscherte leise im Dunkeln. Glühwürmchen flatterten über die Wasseroberfläche. Sie waren nicht normal gelblich, wie bei uns auf der Erde. Nein, sie waren rot, grün, blau oder orange. Es war absolut atemberaubend!

Wir fanden eine kleine Holzbank und setzten uns. Ich atmete tief druch. Der Geruch von frisch gemähtem Gras, süßlichem Obst und Wasser stieg mir in die Nase. "Wow, ich wusste gar nicht, dass es sowas hier in Asgard gibt!", staunte ich.
Loki lehnte sich zurück. "Ich komme oft hierher. Meistens, wenn Thor mich nervt und ich meine Ruhe will."
Ich grinste.
"Es ist wunderschön hier!"
"Bei Tag ist es noch viel schöner!", lachte Loki. "Feste sind nicht so mein Ding. Ich amüsiere mich natürlich, aber oft sind sie sehr Kräfte zehrend und ermüdend."
"Habt ihr oft Feste?"
Er grinste. "Sehr oft. Was glaubst du, wie es ist jedes Jahr seinen Geburtstag mit einem Fest, ähnlich wie diesem zu feiern? Und das seit mehr als tausend Jahren."
Wow, ich vergaß immer, wie alt er doch schon war. Also in nem positiven Sinne.

Wir schwiegen eine Weile und genossen die Stille. Irgendwo hörte man ein quarkendes Geräusch, wie von Fröschen. Die millarden Sterne funkelten violett in dem tiefschwarzen Nachthimmel.
Ich musste an all die Geschichten denken, die Thor und Loki mir über ihre Heimatwelt erzählt hatten. Jetzt wo ich wirklich hier war, konnte ich sie viel besser nachvollziehen. Meine Gedanken schweiften durch meine Vergangenheit bis hin zu meinem Auftrag. Lokis Vertrauen gewinnen und sein Schicksal ändern. Sein Vertrauen hatte ich. Aber wie sollte ich sein Schicksal ändern? Vielleicht, indem ich ihm einfach erzählte, was passieren würde? Durfte ich das? Frigga hatte dazu nichts genaues gesagt. Ich beschloss, ganz am Anfang anzufangen. Bei dem, was Loki als nächstes passieren würde.

Ich sah ihn an. Jetzt bloß nichts falsch machen. Ich spürte förmlich die Last des Universums auf meinen Schultern.
"Wann ist eigentlich die Krönungsfeier? Wird nicht einer von euch irgendwann König?"
Loki mochte dieses Thema nicht. Das wusste ich und man sah es ihm an. Er verkrampfte sich. "Schon bald. Vater redet davon, sie in einem Jahr zu veranstalten. Dieses letzte Jahr ist sozusagen unsere Bewährungsprobe. Aber ich weiß vereits, wer den Thron besteigen wird."
Vorsichtich beugte ich mich näher zu ihm. "Wer? Woher?"
"Thor" Loki zuckte mit den Schultern. "Es ist immer Thor. Jeder bevorzugt ihn. Sogar Vater. Außerdem ist er der Erstgeborene."
Ich wusste nicht, was ich darauf antworten sollte.

Schließlich brach Loki die Stille. "Es ist merkwürdig." Er sah mich an und die vielen Glühwürmchen spiegelten sich in seinen Augen. "Es kommt mir schon so vor, als würde ich dich ewig kennen!" Er lächelte. Allgemein lächelte er viel mehr, als zu Beginn unserer gemeinsamen Zeit.
"Hmm.", machte ich. Ich musste es ihm sagen! Ich hatte in den letzten Tagen öfter mit dem Gedanken gespielt, ihm alles zu sagen. Die Wahrheit. Schließlich musste ich irgendwie sein Schicksal ändern. Und wie sollte ich es sonst machen, als es ihm zu erzählen?
"Loki, ich muss dir was sagen."
"Ich dir auch.", unterbrach er mich. Damit hatte ich nicht gerechnet. "Was?", fragte ich verwirrt.
Er sah mich an und ganz kurz fühlte ich mich in die Vergangenheit zurückversetzt. Seine Augen waren voller Zuneigung, aber auch Angst. Wovor hatte er Angst? Wusste er etwas?

Er öffnete leichte den Mund und mein Herz begann schneller zu schlagen. Diese blöden Gefühle! Konnte ich nicht einfach die Mission zuende bringen?
Loki holte tief Luft und sagte: "Ich... Du... Du bist die einzige, die... Ich hab dich gern. Und du bist so etwas, wie die einzige Freundin, die ich je hatte."
Ich lächelte. Er war so süß. Loki leckte sich über die Lippen und nahm meine Hände. Hoffentlich merkte er nicht, wie schwitzig sie waren. "Mit dir macht alles viel mehr Spaß und ich... Ich..."
Er atmete aus und sein Atem vermischte sich mit der kühlen Nachtluft. Ohne es zu wollen, hob ich den Kopf näher zu ihm und Loki beugte sich zu mir hinab. Unsere Lippen waren nur Zentimeter voneinander entfernt. Mein Herz hämmerte. War das was Frigga gemeint hatte? Sollte ich so seine Zukunft ändern?

Doch plötzlich ging ein leichtes Zucken durch Lokis Gesicht. Er blinzelte, als sei er aus einem Traum aufgewacht und er zog sich zurück. Enttäuschung durchflutete mich. Klasse, ich hatte es vermasselt. Wir starrten uns an, unfähig zu verarbeiten was gerade geschehen war. Oder beinahe geschehen.
Loki ließ meine Hände los. "Es tut mir Leid, ich..."
"Nein, schon gut!"
Wir saßen eine Weile reglos nebeneinander. Die Stimmung war bedrückt. Die beruhigende Stille von vorhin war nun ohrenbetäubend laut.
Ich musste gähnen. Auch das noch! "Oh, sorry"!
Loki lächelte nur. "Wir sollten dich ins Bett bringen." Er wollte aufstehen, doch ich packte seinen Arm. "Nein, warte!"
Wir starrten uns an. Jetzt. Ich musste es ihm jetzt sagen!
"Ich komme aus der Zukunft!"


12 Months & A Loki 3Where stories live. Discover now