K a p i t e l | 1

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Atlantis - Seafret

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Fünf Jahre.

Fünf Jahre lang war die Hälfte des Planeten verschwunden. Geliebte Menschen waren fort. Haustiere, Vögel, alles. Fünf Jahre lang holte sich die Natur alles zurück, was unberührt war. Die Welt schien still zu stehen.
Bis die Avengers alles retteten. Sie holten alle zurück, hielten Thanos auf und erlösten die Welt. Und dabei nahmen sie nicht einmal auf eigene Verluste Rücksicht.
Tony Stark starb im finalen Kampf gegen Thanos, Natasha gab ihr Leben für andere.
Und Loki...

Über den wollte ich gar nicht nachdenken. Nie mehr. Ich war eine der 50%, die von Thanos zu Staub verwandelt wurden. Fünf Jahre lang war ich im Blip gewesen. Alle anderen, meine Freunde, die nicht im Blip gewesen waren, waren jetzt alle 5 Jahre älter. Die Welt ging drunter und drüber und als alle, inklusive mir, wieder zurück waren, hatte sich die Welt komplett verändert. Es war schwierig, sich an all das Neue zu gewöhnen, aber es gelang mir langsam. Der Kampf gegen Thanos war ein halbes Jahr her. Seitdem hatte sich die Welt normalisiert.

Doch manchmal holte mich meine Vergangenheit ein und ich besuchte Steve,  ging mit Rhodey, Sam und Bucky in Clubs und fuhr zu Bruce (in seiner komischen Hulk-Form) zu seinem neuen Haus an der Küste von New Jersey. Doch zurück zum Avengers Hauptquartier kam ich nie.

Diesen Teil meiner Vergangenheit wollte ich am liebsten ausradieren. Zu schmerzhaft war die Erinnerung an mein erstes Jahr im Compound, die Erinnerung an Loki. Am Anfang hatte ich versucht darüber hinweg zu kommen. Hatte versucht, einfach weiterzuleben. So als wäre er einfach nur vorübergehend verschwunden. So als würde er jeden Moment wieder kommen. Doch das ging nicht. Clint drohte schon damit, mich zum Psychologen zu schleifen, doch ich konnte ihn zum Glück davon abhalten. Ihn besuchte ich oft. Er selbst kam über Natashas Tod genauso wenig hinweg, wie ich über Lokis.

Thor war nach dem Kampf zu mir gekommen und hatte mir alles erzählt. Ich hatte ihn fast nicht erkannt, so sehr hatte er sich verändert. Er hatte zugelegt und seine Haare waren länger. Außerdem hatte er plötzlich ein braunes Auge. Halb lachend, halb weinend erzählte mir Thor, wie seine Schwester Hela ihm das Auge herausgeschnitten hatte, ehe Asgard zerstört worden war.
Loki sei als Held gestorben in dem Versuch  Thanos aufzuhalten, erzählte Thor mit einem traurigen Lächeln im Gesicht. Und dass Loki  am Ende sogar zugegeben hatte ein Odinsson zu sein. Doch all das hatte ihm nicht helfen können. Am Ende hatte ihn das umgebracht, was er am meisten gefürchtet hatte. Loki war nie über Thanos hinweg gewesen, das wusste ich.

Dank der Avengers war Thanos besiegt. Die Bedrohung war fort und die Erde wieder in Sicherheit. Doch mein Leben war komplett auf den Kopf geworfen worden. So wie das vieler anderer auch. Ich lebte nur noch von Tag zu Tag. Tony hatte mir ein Apartment in New York vermacht. Es enthielt alles, was man sich nur wünschen konnte. Eine riesige Küche, einen Balkon mit Blick auf den Central Park und zwei Schlafzimmer, von denen ich eines als Gästezimmer verwendete. Ich hatte mir einen Job besorgt, um irgendwie Geld zu verdienen. Ich arbeitete in einem kleinen Restaurant als Kellnerin. Mein Verdienst reichte gerade so, um über die Runden zu kommen. Zum Glück hatte Tony mein Apartment vor seinem Tod gekauft. Wenn ich auch noch die Miete dafür zahlen müsste (die sicherlich mehr war, als ich im ganzen Jahr verdiente) säße ich schon längst auf der Straße.

Ich warf einen langen Blick hinüber zum Central Park. Es war bereits dunkel und auf dem See schimmerten vereinzelte goldene Lichter von den Parklaternen. Die Stadt selbst leuchtete fast so hell wie tagsüber. Rote und weiße Lichter huschten über die Straßen und bunte Werbeanzeigen strahlten in die Nacht hinaus. Ich sah hoch zu den Sternen, von denen man hier in der Stadt fast nichts sah. Seufzend zog ich die Gardinen zu und kochte mir einen Tee. Ich schnappte mir eine Wolldecke und warf mich auf das gigantische Sofa. Im Fernsehen lief nichts spannendes, also ging ich zu Amazon Prime und scrollte durch die Serienangebote. Bei Vikings blieb ich hängen. Mein Daumen zuckte. Erinnerungen kamen hoch.

Ich hatte die Serie damals mit Loki gesehen. Es war seine Lieblingsserie gewesen. Gleich nach Game of Thrones. Wir hatten alles durchgesuchtet und gemeinsam auf die nächste Staffel gewartet. Die war jetzt schon lange raus. Doch ich mitte mich nie dazu durchringen können, sie zu sehen. Es war ohne Loki einfach nicht dasselbe. Ich musste unweigerlich lächeln. Floki war sein Lieblingscharakter gewesen und immer wenn da jemand Thor erwähnte, hatte er gespielt genervt aufgestöhnt. Ich gab ein Geräusch von mir, das Lachen und Weinen zugleich war. Und ich merkte erst jetzt, dass ich weinte.

Wütend und verletzt warf ich die Fernbedienung zu Boden. Alles. Wirklich alles erinnerte mich an ihn. Ich konnte nicht einmal in Ruhe eine Serie gucken, ohne an Loki erinnert zu werden. Sogar das T-Shirt, das ich gerade trug, war von ihm. Es war ein Fan Shirt von Thor. Tony hatte es Loki zum Geburtstag geschenkt. Und obwohl Loki sagte, er hasste das Shirt, hatte er es oft und gerne getragen. Und nun trug ich es. Wenn ich die Augen schloss und mich ganz doll anstrengte, konnte ich seinen Geruch noch riechen und mir vorstellen, wir wären immer noch im Hauptquartier. Dass er noch lebte und alles gut war. Am Anfang hatte ich es gar nicht waschen wollen, aber irgendwann war ich doch dazu gezwungen.

Nach dem Kampf gegen Thanos hatten Bruce und Pepper mir alle Dinge vorbeigebracht, die Loki gehört hatten. Seine Shakespeare und Harry Potter Bücher hatten einen Ehrenplatz in meinem Regal bekommen. Seine Kleidung lag in der hintersten Ecke meines Schranks. Manchmal trug ich Pullis von ihm, auch wenn die gefühlte dreißig Nummern zu groß waren.

Ich seufzte und lehnte meinen Kopf gegen die Sofalehne. Ich würde heute nicht mehr zum Fernsehen schauen kommen. Da konnte ich auch gleich zu Bett gehen. Es war noch nicht einmal zehn, doch ich fühlte mich so leer und ausgebrannt, dass ich halb schlafend ins Bett fiel. Sogar lesen, was ich sonst immer vorm Schlafen tat, schaffte ich nicht mehr. Mein letzter Gedanke war, dass ich irgendjemanden brauchte, der mir aus dieser depressiven Lage heraushalf. Sonst würde ich vor Trauer umkommen.

12 Months & A Loki 3Where stories live. Discover now