»20«

1K 96 5
                                    

„Ich schätze es, dass du diese Erfahrung mit mir teilen möchtest, jedoch bezweifle ich, dass ich dir dabei eine große Hilfe sein kann", sagte ich leise und senkte seufzend den Kopf, während ich immer wieder nervös mir der Spitze meines Fingernagels über einen kleinen Hautfetzen kratzte, der sich an meinem Daumen gelöst hatte. Der Schmerz der davon ausging ließ mich fast die Umstände vergessen, in denen ich mich gerade befand, jedoch saß der blinde, junge Mann noch immer vor mir.

Er hatte seinen Kopf gehoben, seine Augen waren jedoch geschlossen. Er sagte kein Wort und kaute nur ein wenig auf seiner Lippe herum, wodurch ich wahrnehmen konnte, dass auch er unter Nervosität und starkem Unwohlsein leidet. Ich wünschte helfen zu können, jedoch tat ich nichts, blieb stets auf dem weichen Polster meines Stuhles sitzen, während ich meinen Blick zu Jungkook gerichtet hatte.
Seine roten Haare hingen ihm, wie es sonst schon durch seine Frisur passierte, leicht vor den Augen, weshalb er sie genervt wegpustete. Diese eine Strähne fiel jedoch wieder zurück vor seine Augen, sodass er letztendlich aufgab und sie dort ließ. Seine Sicht konnte sie nicht behindern, denn diese besaß er gar nicht erst.

Ein für mich unvorstellbares Gefühl, mein ganzes Leben in völliger Dunkelheit gelebt haben zu müssen. All die Gesichter der Menschen, die um ihn herum lebten, waren nur verschiedene Stimmen, die er durch seine weitaus besser ausgeprägteren Ohren wahr-nahm. Jede Sache die er berührte, war nur ein Gefühl, welches ihm auf den Fingern lag, wozu er kein Bild hatte. Die Leere, die er in seinem Kopf hatte, konnte ich mir nie für mich selbst vorstellen. Gedanken zu haben, die man selbst nicht deuten konnte, weil diese nur Bilder im Kopf waren, zu denen man keinen Bezug fand. Oder gar nicht erst diese Bilder zu haben, sondern vollständige Leere. Nicht ein Bild, nicht ein Gedanke, sondern nur die eigene, innere Stimme, die mit einem sprach, ohne dass man es kontrollieren konnte.

So zu leben musste die Hölle sein für einen jungen Mann. Die wenigen Erfahrungen, die er bisher machte, waren nur Töne, Gefühle auf seiner Haut, Gerüche und Geschmäcker. So eine richtige Zuordnung zu finden für die einzelnen Dinge, die einem im alltäglichen Leben begegneten, schien mir in meinen Augen unmöglich.

„Bitte, lass es uns tun! Ich möchte es, mit dir!", flehte Jungkook mich an.

sextape ᵛᵏᵒᵒᵏ Where stories live. Discover now