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„Bitte lassen Sie mich gehen Ahgassi", rief ich, schrie mir dabei fast schon die Seele aus dem Leib. Ich hörte die Schritte der Frau hinter mir, dann wieder vor mir. Sie hatte etwas um meine Knöchel und meine Handgelenke geschnürt, das sich fest in meine Haut eingeschnitten hatte, denn ich spürte das Brennen, was dadurch ausgelöst wurde und fühlte, wie einige Male bereits Blut aus diesen Wunden lief Ich konnte es nicht sehen, weil sie mir eine Augenbinde vor die Augen und um den Kopf gebunden hatte.

„Haben dir deine Eltern denn nicht beigebracht, dass es gefährlich für Kinder ist, um diese Uhrzeit rauszugehen? Wenn ich dich jetzt rauslasse, wird dir ganz bestimmt etwas schlimmes passieren", hörte ich die weibliche Stimme sagen. Sie wanderte von meinem rechten Ohr zu dem linken. Ihre Stimme war gefolgt von einem Atem, der sich kalt auf meiner Haut anfühlte und so eine Gänsehaut auslöste, die sich unwohl in mir machte. „Wir werden zusammen gehen, an einen weit entfernten Ort, an dem uns niemand jemals finden wird. Wir werden verschwinden und alles hier stehen und liegen lassen."

„Wieso? Wieso nehmen Sie mich mit? Ich kenne sie doch gar nicht!', sagte ich und merkte, wie einige der Tränen, die sich ihren Weg von meinen Augen, durch den Stoff der Augenbinde zu meinem Kinn gemacht haben, dort abtropften und mein Shirt befeuchteten.

„Ich nehme dich mit, weil ich deinen Vater nicht haben konnte. Ich habe diesen mehr als alles andere auf dieser Welt geliebt und ihm mein ganzes Leben in die Hände gegeben. Ich habe alles für ihn getan, alles was er wollte und von mir verlangte, ohne dass ich es jemals hinterfragte, bis deine Mutter kam. Sie kam mit einem Jungen auf dem Arm und nahm mir den Mann weg. Sie hat ihn mir direkt vor meinen Augen genommen, meine damalige beste Freundin. Weil sie mir meinen Mann genommen hat, nehme ich ihr ihren jungen."

Ich hörte die Schuhe der Frau auf dem alten Holzboden aufkommen, immer und immer wieder. Es war das einzige Geräusch, das den Raum hüllte und dazu noch in solch eine unangenehme Atmosphäre, dass ich stärker zitterte als ich es vorher schon aus Angst getan hatte. Der Geruch, den die Frau mit sich brachte, war im ganzen Zimmer wahrzunehmen. Sie roch wie die Parfümerie am Ende der Straße, gegenüber der kleinen Bäckerei meiner Großmutter. Sie ist mal zusammen mit mir dorthin gegangen, weil meine Mutter darin arbeitete.

„Ich habe Ihnen jedoch nichts getan. Ziehen Sie mich nicht in Verantwortung für die Fehler, die meine Mutter, in Ihren Augen, getan hat. Mein Vater ist ein Mann, ein Mensch, der seine Gefühle nicht kontrollieren kann. Wieso geben Sie den Beiden die Schuld dafür, dass sie sich ineinander verliebt haben? Warum geben Sie mir die Schuld dafür? Sie sollten weiterleben, einen besseren Mann finden und glücklich mit ihm werden, aber machen Sie hier keinen Fehler", sagte ich und machte danach eine kurze Pause, weil mir während des Sprechens mehrmals aufgrund meiner starken Nervosität der Atem stockte.

„Die Leute hatten recht, wenn sie sagten, dass du für dein Junges alter reifer bist als andere. Solche Worte aus dem Mund eines zehnjährigen zu hören, ist faszinierend", murmelte die Frau. Ihre Schritte stoppten, sodass uns nur die Ruhe umgab, die das verlassene Haus mit sich brachte. „Dann sollte ich alleine gehen, denn ich will niemand anderen als deinen Vater."

Ich hörte, wie sie in einer Tasche kramte. Weiterhin war es ruhig, man hört nur vereinzelt ein Geräusch, das scheinbar durch ein Seil ausgelöst worden war. Auch dies hörte mit der Zeit auf woraufhin aber die Schuhe wieder Geräusche von sich haben, die sich jedoch von mir entfernten.

Im Nebenzimmer hörte man klappen, das Verschieben eines Stuhles und dann ein letztes Mal die Schuhe. Das Seil, der Stuhl, ihr Wunsch an einen besseren, weit entfernten Ort. Ich hatte dies bereits in einem Krimi gesehen.

„Tun Sie das nicht! Bitte nicht! Sie werden jemanden finden, der Sie glücklich macht! Ich verspreche es Ihnen! Bitter, schrie ich, wobei meine Stimme fast brach.

Ein leises „Es tut mir leid", war zu hören, bevor der Stuhl einen lauten Knall von sich gab. Er war gefallen, wodurch sich die Frau an den Strick hängte. Nur kurze Zeit war zu hören, wie sie zappelte und nach Luft röchelte. Sie krächzte meinen Namen und rief nach Hilfe, weil sie es in der gleichen Sekunde wieder bereute, jedoch war es zu spät.

Die Töne, die sie von sich gab, gingen immer und immer wieder durch meine Ohren. Sie lösten ein starkes Stechen in meiner Brust aus, welches direkt in meinen Magen ging, sodass ich würgen musste.

Es war der Ton des Todes, der den Raum hüllte, auch Stunden nachdem sie sich das Leben nahm. Es war, als würde er über meine Haut gleiten und darauf eine ekelhafte Schleimspur hinterlassen, die stellen meiner Haut sogar verderben lassen. Es fühlte sich grausam an und ich hatte das Gefühl, mein Leib würde brennen.

Nachdem diese Stunden vergangen waren, begann es stark zu riechen. So roch der Tod, der gerade seinen Weg in meine Lungen fand und sie zusammenzog, mir die Luft nahm und mich dann stark zum husten brachte.

Sie war tot, aber sie war an meiner Seite.

„Nein!", schrie ich und riss die Augen auf, schaute an die Decke, wo ich eine Silhouette einer jungen Frau erkennen konnte, sobald ich mich aber aufsetzte und nach draußen schaute, konnte ich die Schatten erkennen, die einige Bäume aufgrund des Mondlichtes warfen. Mein Herz raste schnell und mein Atem war unruhig, wegen meines Traumes.

„Es ist die Vergangenheit", sagte ich leise und legte mich wieder hin. „Sie ist noch immer an meiner Seite."

sextape ᵛᵏᵒᵒᵏ Where stories live. Discover now