Kapitel 39: Provost und Freeman

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An der Ecke Provost und Freeman sah er im Gehen über seine Schulter, als würde er verfolgt, ehe er mit einem heftigen Ruck ausgebremst wurde

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An der Ecke Provost und Freeman sah er im Gehen über seine Schulter, als würde er verfolgt, ehe er mit einem heftigen Ruck ausgebremst wurde. Rico stieß den Atem aus, als die Panik ihn erneut überrennen wollte. Doch vor ihm stand bloß Joe.

Rico brauchte einen Augenblick, um Luft zu holen und seine Fassung wiederzufinden, als ihn plötzlich all die schneidenden Gefühle überschwemmten, die er neuerdings mit ihm in Verbindung brachte. Joe hingegen schien wirklich erleichtert zu sein, ihn zu sehen.

»Hey, du lebst ja noch«, begrüßte er ihn mit einem verlegenen Grinsen, das Rico viel zu gut kannte. »Ich war vorhin bei dir zu Hause. Wollte nach dir sehen.«

Jetzt musste er sich ernsthaft zusammenreißen. Die Vorstellung, ihn noch einmal in seinem derzeitigen Zuhause zu treffen, das er nicht ausstehen konnte und dennoch zu beschützen versuchte, schürte die Wut nur noch.

Außerdem war er nicht sicher, warum Joe sich nun so freundlich gab, denn ihre letzte Begegnung sollte ihr Verhältnis eigentlich klar gemacht haben. Sein Schweigen rührte aber vielmehr daher, dass man sicher kein Wort von seinem hasserfüllten Brüllen verstanden hätte.

»Ach, ich habe deine Sachen dabei. Bis auf die Jacke. Na ja, die ist voller Blut, ich wusste nicht, ob du die zurück haben willst. Aber alles andere habe ich hier.«

Er sah dabei zu, wie Joe die Taschen seiner Lederjacke durchwühlte und nacheinander seine Schlüssel, das Portmonee und schließlich auch sein Handy herausfischte. Ruhig bleiben, sagte er sich. Marc hatte ihm am vergangenen Abend geraten, sich zu zügeln, auch wenn es ihm schwer fiele. Ausflippen konnte er später. Jetzt musste er erst einmal diese Konfrontation hinter sich bringen.

»Ich habe versucht, dich anzurufen, habe dann aber gemerkt, dass das noch unter dem Tisch lag.«

An seinem nervösen Geplapper konnte Joe ruhig ersticken, wenn es nach ihm ginge. Er nahm ihm kommentarlos alles ab, was er mitgebracht hatte, und kam nicht umhin, an das dicke Paket Bargeld zu denken, das noch in seiner Jacke stecken müsste.

Das hatte er natürlich nicht dabei.

Aber jetzt hatte er seine Schlüssel zurück, und damit auch den Ersatzschlüssel zur Wohnung der Miles', den Joe ihm vor einer Ewigkeit gegeben und den er aus reiner Gewohnheit nie benutzt hatte.

Wenn Geld und Jacke noch ein Kombipaket waren, würde er es sich selbst holen. Das hatte den Vorteil, dass er ihm nicht noch einmal begegnen musste.

»Rico, hör mal«, begann Joe nun eine ziemlich dürftige Entschuldigung. »Ich weiß, das alles ist komplett beschissen gelaufen, und das tut mir leid. Ich weiß auch, dass du nichts von mir willst, ja, das ist schon klar. Ich werde auch nie wieder davon anfangen.«

Während Joe fragwürdig beteuerte, wie leid ihm alles tat, checkte Rico sein Handy. Seine Mutter hatte wie erwartet mehrmals angerufen, aber sie wussten ja mittlerweile beide, was los war. Und dann waren da die SMS von Marvin.

Er konnte nicht anders, als die erste zu öffnen, und die zweite. Und die dritte, in der er ihn fragte, ob er Zeit für ein kurzes Telefonat hätte. Sie alle waren von diesem grauenvollen Abend.

»Ja, also du und Marvin. Na ja, ich ... hoffe, das klappt alles. So wie du es dir vorstellst. Du sollst wissen, dass ich das respektiere.«

»Wie großzügig von dir.«

Erst jetzt sah Rico ihn wieder an. War es denn zu fassen? Erst gestern hatte er ihn naiv und minderwertig genannt, nicht gut genug für den Jungen, für den sein Herz schlug. Hatte ihm aber in Aussicht gestellt, dafür an seiner Seite zu Grunde zu gehen.

Scheiße, nein. So würde es sicher nicht laufen.

»Hey, komm schon. Ich habe mich entschuldigt«, warf Joe etwas angesäuert ein. Dann aber ruderte er nicht gerade unauffällig zurück. »Ich will, dass wir weiterhin Freunde sind. Und deshalb will ich auch, dass du glücklich bist.«

»Glücklich? Denkst du, es hat mich glücklich gemacht, mein erstes Mal ausgerechnet an dich zu verschwenden?«

Joe zuckte zurück, als sein Ego diesen Hieb abfangen musste. Dass Rico sich nicht durch seine fadenscheinige Abbitte beschwichtigen ließ, wie es sonst der Fall war, war der eine Schwinger, aber den Haken hatte er anders ausgeteilt.

Seine Wortwahl zeigte ihm ganz deutlich, dass er eines solchen Geschenks nicht würdig war.

»Wir kennen uns seit elf Jahren und nicht einmal hast du auch nur angedeutet, dass da mehr für dich sein könnte. Aber kaum treffe ich mich mit Marvin, geht bei dir irgendwas durch.«

Da schnaufte Joe trotzig auf. »Da geht gar nichts durch, Mann.«

»Warum hast du das dann getan? Warum, Joe? Gott, sei doch einmal ehrlich zu mir und sag, was dich geritten hat, dass du mir das antun wolltest.«

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