Kapitel 34: Bittere Pille

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Er hatte sich doch verhört, oder? Nun dachte er aber doch kurz nach. Er hatte angenommen, Marc lebte allein hier, weil nichts in dieser Wohnung auf eine Freundin hindeutete, dazu war die Bude auch einfach zu klein.

Die Haarstylingprodukte im Bad waren ihm allerdings aufgefallen. Die erklärten zumindest, warum er immer so gepflegt aussah und so gut roch. Er war schon ein wenig eitel, ein Putzteufel, recht häuslich. Jetzt machten auch die cremefarbene Wände mehr Sinn.

»Bist du ...«, setzte er an, ohne nachzudenken. Als Marc sich fragend nach ihm umsah, versuchte Rico aber eine andere Formulierung. »Stehst du auf ... Typen?«

Marc schnaufte ein kurzes Lachen. »Haben wir ein Problem damit?«

»Nein«, beeilte er sich zu sagen. »Nein, gar nicht. Ist cool.«

Sein Gastgeber schmunzelte vor sich hin, während er die geschnittenen Zutaten in die heiße Pfanne schüttete. Das Zischen kündigte das frische Aroma bereits an, bevor es zu Rico herüber gewabert kam. Genüsslich schnupperte er an Richtung Herd, vergaß aber längst nicht, was er gerade erfahren hatte.

Den Tee benutzte er als Schild, denn mit der angesetzten Tasse konnte er Marc unauffällig beobachten. Er war der viel zu hübsche Kellner, das war ihm schon damals aufgefallen, wenn er es auch verdrängt hatte.

Nun, er sah gut aus, ja, irgendwie attraktiv. Und nun überlegte Rico, ob er deshalb eine so seltsame Wirkung auf ihn gehabt hatte. Nicht, weil er gut aussah, sondern weil ihm das mittlerweile auffiel.

Und kam er ihm vielleicht deswegen so vertraut vor, weil er eine Gemeinsamkeit gespürt hatte, und nicht, weil sie sich flüchtig aus Mings Restaurant kannten? War das überhaupt möglich? Er hatte nie darüber nachgedacht.

Ebenso wenig konnte er da Vergleiche ziehen. Die wenigen schwulen Charaktere in Film und Fernsehen wurden eigentlich auch immer mit Stereotypen als solche kenntlich gemacht. Die Realität sah natürlich anders aus, das wusste er selbst, aber die schienen immer zu wissen, welcher Star-Quarterback sich noch nicht geoutet hatte.

Hm, Outing. Das wäre auch noch so etwas, das er seiner Mutter beibringen musste.
»Starrst du mich jetzt den ganzen Abend so an?«

Rico zuckte zusammen, als er so schamlos erwischt wurde. Oh, das war peinlich. Er würde sich entschuldigen müssen, aber nun war er neugierig.

»Darf ich dich etwas fragen?«

»Hast du doch schon.« Marc wirkte schon leicht genervt. »Was denn?«

Mit einem tiefen Atemzug wappnete Rico sich für das mögliche Gespräch, das sie nun vielleicht führen könnten. »Wie hast du es gewusst?«

Marcs Blick in seine Richtung drückte Verwunderung aus, offenbar hatte er mit einer anderen Frage gerechnet.

»Dass du schwul bist. Woran hast du es gemerkt?«

»Ziemlich persönliche Frage, findest du nicht?« Als Rico schwieg und mit Sicherheit ganz klein auf seinem Stuhl wurde, hatte Marc dann aber eine Vermutung. »Ach so. Deshalb.«

»Weshalb?«

Marc lachte kurz auf. »Ich rate einfach mal. Es gibt da einen Jungen, der dir gefällt, und du bist jetzt etwas verunsichert. Ist es das?«

»Nein«, gab Rico so resolut wie möglich zurück. »Ich bin nicht verunsichert.«

Na und ob er das war und Marc hätte blind sein können, das hätte er trotzdem gesehen. Er versuchte, nicht all zu breit zu grinsen. Der Kleine war ja irgendwie niedlich. So eine große Klappe, aber dann so schüchtern.

Queens BlvdWhere stories live. Discover now