Kapitel 9: Zero Sugar

84 13 8
                                    

Am anderen Ende von Queens wurde gerade eine besondere Form von Glück in einem übervollen Aschenbecher ausgedrückt. Nach jedem letzten Zug war ihm der Mund so trocken und diesmal reichte der Schluck aus der Colaflasche nicht, um den Durst zu stillen.

Genervt trottete Joaquin aus seinem Zimmer heraus in die Küche, um einen Blick in den Kühlschrank zu werfen. Doch seit seinem letzten Kontrollgang war der natürlich auch nicht auf wundersame Weise gefüllt worden.

Scheiße. Das letzte Geld von seinem Vater war für einen Burrito, Snacks und diese Cola drauf gegangen. Seine erneute Pleite könnte aber auch damit zusammenhängen, dass er sich eine ordentliche Menge Gras besorgt hatte, mit der er übers Wochenende kommen wollte.

Nachdem Rico ihn gestern so rücksichtslos im kalten Herbstwind stehen gelassen hatte, hatte er kurzerhand etwas bestellt, das seine miese Laune für eine Weile dämpfen würde.

Eine blöde Wahl. Das Gras war von minderer Qualität, wahrscheinlich war es irgendwo im beschissenen Brooklyn angebaut worden. Es betäubte zwar den Ärger, den er spürte, war aber längst nicht so gut wie der Stoff von Eddie.

Da er damit gerade mal so die Nacht überstanden hatte, war er sich heute sicher gewesen, den Mist nicht noch einmal zu drehen. Aber diese Zuversicht währte nur kurz, denn nach vielen unnützen Telefonaten war sein Gute-Laune-Barometer wieder in den Keller gesunken.

Es konnte doch nicht so schwer sein, an die Telefonnummer eines stadtbekannten Dealers zu kommen. Mit dieser Annahme im Gepäck hatte er rauchend weiter seine Kontakte und deren Kontakte terrorisiert, bis endlich einer von ihnen eine heiße Spur für ihn hatte.

Ein paar Stunden hatte diese Schnitzeljagd gedauert, aber dann hatte er endlich mit Benito sprechen können. Scheiß drauf. Er war drin.

Er hatte es irgendwie geschafft, Benito zu überzeugen, ihm ebenfalls einen Job zu geben. Kurier, Dealer, Packer, das war ihm ganz egal. Die Hauptsache war doch die Bezahlung. Und mit Rico als Bürgen würde er sich schon durchschlagen.

Wie der wohl darauf reagieren würde?

Darüber würde er sich frühestens dann Gedanken machen, wenn der vor ihm stehen und ihm Vorwürfe machen würde. Tja, was auch immer. Rico wäre sowieso nicht mehr lange dort. Nein, der turtelte ja lieber mit dieser Tierheimputze herum, der er in der nächsten Woche gehörig in den Arsch kriechen würde.

Aber solange sein Ausstieg noch nicht offiziell war, würde Joe ihn brauchen, um all die Leute kennenzulernen, mit denen er ab sofort arbeiten würde. Er hatte vor, das so schnell wie möglich in Angriff zu nehmen, aber sein treuloser Freund ging einfach nicht an sein beschissenes Telefon.

Das war noch nie so gewesen. Tatsächlich hatte er den Eindruck gehabt, Rico würde nur auf seinen Anruf warten. Zumindest war das früher einmal so gewesen. Er glaubte nicht, dass ihm etwas passiert war, denn wie er gestern schon sehr richtig gesagt hatte, hatte er seine Aufgabe ja erfüllt, er hatte also einfach frei.

Nein, vielmehr glaubte er, dass sein bester Freund seit Kindertagen gerade eine andere Freundschaft schloss. Eine, die sie beide noch auseinander bringen würde, wenn er nicht aufpasste.

Er hatte diesen Marvin noch nie gesehen oder mit ihm gesprochen, aber er hasste diese blöde Schwuchtel jetzt schon.

Komm wieder runter.

Ricos Stimme hallte in seinem Kopf wider, als die Wirkung seines Joints langsam einsetzte. Zu langsam für seinen Geschmack, aber immerhin.

Das war nicht fair. Elf Jahre waren sie nun schon befreundet. Elf Jahre lang wie Brüder gewesen. Sie hatten mehr Zeit miteinander verbracht als alleine.

Joe hatte bei ihm übernachtet, wenn seine Mutter mal wieder wirr durch die Wohnung gelaufen und sein Vater deswegen in die nächste Bar geflüchtet war. Mit ihm hatte er sein erstes Bier geteilt, die erste Zigarette und danach den ersten Joint. Er hatte ihm von seiner Schwärmerei für Cheryl Conrad erzählt und sich von ihm trösten lassen, nachdem die blöde Kuh ihn hatte abblitzen lassen.

Ja, er hatte sie für Brüder gehalten.

Das war wohl ein Irrtum gewesen.

Queens BlvdWhere stories live. Discover now